BuG: BuG I, A 238
Frankfurt Sept./Dez. 1772

Dichtung und Wahrheit XIII (WA I 28, 189)

Frankfurt Sept./Dez. 1772

Indem ich nun alles was von Talent, Liebhaberei oder sonst irgend einer Neigung in mir leben mochte, auszubilden, zu nähren und zu unterhalten suchte, verwendete ich eine gute Zeit des Tages, nach dem Wunsch meines Vaters, auf die Advocatur, zu deren Ausübung ich zufälliger Weise die beste Gelegenheit fand. Nach dem Tode des Großvaters war mein Oheim Textor in den Rath gekommen, und übergab mir die kleineren Sachen, denen ich gewachsen war; welches die Gebrüder Schlosser auch thaten. Ich machte mich mit den Acten bekannt, mein Vater las sie ebenfalls mit vielem Vergnügen, da er sich, durch Veranlassung des Sohns, wieder in einer Thätigkeit sah, die er lange entbehrt hatte. Wir besprachen uns darüber, und mit großer Leichtigkeit machte ich alsdann die nöthigen Aufsätze. Wir hatten einen trefflichen Copisten zur Hand, auf den man sich zugleich wegen aller Canzleiförmlichkeiten verlassen konnte: und so war mir dieses Geschäft eine um so angenehmere Unterhaltung, als es mich dem Vater näher brachte, der mit meinem Benehmen in diesem Puncte völlig zufrieden, allem Übrigen was ich trieb, gerne nachsah, in der sehnlichen Erwartung, daß ich nun bald auch schriftstellerischen Ruhm einernten würde.

Dichtung und Wahrheit XIII (WA I 28, 191)

Frankfurt Sept./Dez. 1772

Ich hatte ihm [J. G. Schlosser] erzählt, daß ich meiner Partei eine mit vieler Energie zu ihren Gunsten abgefaßte Streitschrift vorgelesen, worüber sie mir große Zufriedenheit bezeigt. Hierauf erwiderte er mir: du hast dich in diesem Fall mehr als Schriftsteller, denn als Advocat bewiesen. Man muß niemals fragen wie eine solche Schrift dem Clienten, sondern wie sie dem Richter gefallen kann.

Dichtung und Wahrheit XII (WA I 28, 165)

Frankfurt Sept./Dez. 1772

Jener literarische Verein [die Rezensenten der Frankfurter Gelehrten Anzeigen] war überdieß durch eine lebhafte Correspondenz und, bei der Nähe der Ortschaften, durch öftere persönliche Unterhandlungen begünstigt. Wer das Buch zuerst gelesen hatte, der referirte, manchmal fand sich ein Correferent; die Angelegenheit ward besprochen, an verwandte angeknüpft, und hatte sich zuletzt ein gewisses Resultat ergeben, so übernahm Einer die Redaction ... Mir fiel sehr oft die Rolle des Protokollführers zu; meine Freunde erlaubten mir auch innerhalb ihrer Arbeiten zu scherzen, und sodann bei Gegenständen denen ich mich gewachsen fühlte, die mir besonders am Herzen lagen, selbstständig aufzutreten.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0238 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0238.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 229 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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