Tagebuch­eintrag: GT, Nr. 870
25. Juni 1780, Sonntag, Großbrembach

25. Einiges früh besorgt nach Ettersb. Fand Clauern der Oesers Büste bossirte. las ihm die Mitschuldigen 1 vor. Waren munter nach Tisch dicktirt ich Jöchh. an den Vögeln sehr lebhafft und sprach viel dazwischen über alle Kunst. Ward Feuer lärm, 2 ritt nach Gros Brembach kam mitten in die Flamme. 3 Die Dürrung! 4 der Wind trieb grimmig. War um die Kirche beschäfftigt. Versengten mir die Auglieder und fing das Wasser mir in Stiefeln an zu sieden. hielten sich die Leute gut. und thaten das schickliche. Nun war das Feuer umstellt. Der Herzog kam und der Prinz. Das halbe 5 Dorf brannte ganz hinunter mit 6 dem Winde wie ich ankam. 7 Ging mit einem Husaren aussen weg unterm Wind, kaum durchzukommen. Nach Mitternacht Musst ich ruhen, legte 8 mich ins Wirthshaus über dem Wasser. Ein Husar wachte.

  1. l → Mitschuldigen  ↑
  2. Feuer lärm. → Feuer lärm,  ↑
  3. Fa → Flamme, > Flamme.  ↑
  4. Durrüng! > Dürrung!  ↑
  5. halbe erg  ↑
  6. der → mit  ↑
  7. wie ich ankam erg  ↑
  8. legten → legte  ↑

H: GSA 27/6


Das Tagebuch 1780 ist von Goethe eigenhändig geschrieben. (Zusätze von fremder Hand siehe unten.) Die Eintragungen befinden sich auf Durchschußblättern (170 × 190/195 mm), dazwischen ein quer beschriebenes Blatt (175 × 160 mm), in einem vorgedruckten Kalender mit dem Titel: »〈…〉 Sachsen-Weimarischer / Calender, auf das Schalt-Jahr 〈…〉 1780. / in welchem / das Leben / der Durchl. Herzoge zu Sachsen / zu erzehlen fortgesetzet wird. 〈…〉 Weimar 〈…〉 Conrad Jacob Leonhard Glüsing, / Fürstl. Sächs. privil. Hof-Buchdrucker.« Vgl zu 1776.

Druckseiten des Kalenders: 42 (unpaginiert)

Durchschußblätter insgesamt: 25

Beschriebene Blätter: 20 (einschließlich des hinteren Vorsatzblattes)


Kalendereinband (170 × 195 mm) aus hellbraunem Kartonpapier. Auf der Vorderseite achteckiges Titelschild mit der Aufschrift 1780. von Goethes Hand und dem Zusatz »und 1781« (siehe die Handschriftenbeschreibung 1781, S. 531) von fremder Hand. Der Rücken des Kalenders stark abgegriffen. Die bedruckten Kalenderseiten aus holzhaltigem Druckpapier, die Durchschußblätter und die Innenseiten des Einbands aus festem Schreibpapier, die Ränder beschnitten. Fadenheftung, zum Teil aufgelöst.


Inhalt des »Sachsen-Weimarischen Calenders« 1780:

Ks 1: Titelblatt des Kalenders

Ks 2: »Unterricht«

Ks 3: Historische und astronomische Daten (vgl das Verzeichnis der Abkürzungen, astronomischer und anderer Zeichen Goethes, S. 366)

Ks 4: Kalender für Januar mit Angabe der Namenstage, des Sonnenund des Mondlaufes, der »Planetenscheine und Witterung, 1777«, Geburtstage

Ks 5: Weitere Angaben zum Monat Januar: Zählung der Tage, »Gewitters Beschreib.«, »Lebensbeschreibung 〈…〉 Herrn Wilhelm Ernst, Herzogs zu Sachsen«, Spruch

Ks 6–27: Kalender für Februar bis Dezember; jeweils wie für den Monat Januar beschrieben

Ks 28–36: »Calender-Anhang auf das Schaltjahr 1780«

Ks 37–42: »PostBericht. Verzeichniß der fürnehmsten Messen und Jahrmärckte. Resolvirung, Thaler zu Gülden, und Gülden zu Thalern zu machen. ThorSperrOrdnung.«


Schreibmaterial und Zusätze von fremder Hand:

Schwarze Tinte, Schrift zum Teil stark verblaßt, zum Teil verwischt.

Einzeichnung runder Klammern, mit Bleistift (Kanzler von Müller?):

17. Januar: (Kraffts Epistel p sexti.) (zu bis zur Tus. Dann) (Nach Tiefurt bis Baty gelesen.)

18.–20. Januar: (d 18. bis An Sinnern).

20.–22. Januar: (Zu Clauern bis 10.) (Ward d. Schnuppen bis in acht nehmen.)

18.–26. Februar: (Ich blieb bis Briefe pp. zu)

27. Februar: (d. 27. bis aushalten wird.)

vor 4. März – 6. März: (Ward bis mit W. )

11. März: (war d. 11ten.)

12.–13. März: (Bey Amtm. Schmidt bis zu Tische.)

15. März: (15. bis zu )

16. März: (bey Kraus bis erzahlte vielerley.)

20. März: (20. (Aerger bis Theater erleuchtet.)

21. März: (vorher Monzanb.)

22.–25. März: (22 bis beym Schlingen.)

27.–28. März: (27. bis geschw. und gut.)

31. März: (zu bis Kranck.)

1. April: (d. 1 bis mit gessen).

2. April: (zu bis neuen Büffon.)

vor und um 15. April: (bis d. 15. bis fort arbeiten.) (Auch leid’ ich bis Clima.) Mai: (Bracht ich bis Ordnung.) (Für Krafft bis auch wissen.) Klammer vor | War ein Musikus

25. Mai: (d. 25 bis aufgeführt.)

26.5.–22. Juni: (NB. vom 26 bis ad protocollum.) getilgte Klammer vor Vogtens Mineralogische Untersuchungen (Wenn pppp. bis zum Höchsten!)

22. Juni: (22. bis Schritte.)

23.–24. Juni: (23. bis .)

25. Juni: (Reise Marschall bis Vogeln p.)

1.–14. Juli: (1 Alles bis Abends Tiefurth.)

nach 14. Juli – vor 18. August: (In dem weitern Lauf bis in Alstädt.)

vor 18. August: (Geschichte bis in Lobda.)

23.–25. August: (d. 23. bis noch spazieren.)

26. August: (kam nach Tisch bis Abends im Garten.)

27. August: (d. 27. bis Belvedere)

29.–30. August: (d. 29. bis 30.)

2.–4. September: (2) bis Schnaus Hochzeit.)

nach 4. September: Klammer nach Meiningen pp

31. Oktober: (d. 31. bis Schardt.)

1.–8. November: (D. 1. bis d’Entrugues da).

Korrekturen und Ergänzungen, mit Bleistift, gelegentlich mit Rötel (Kanzler von Müller?):

18. Januar: über u in neues Bogen ergänzt

vor 11. März: im Leerraum über War ich sehr still »bis d. 11« ergänzt

21. März: nach zu fus Punkt ergänzt

2. April: nach machen will Komma ergänzt

3. April: nach Wetter Punkt ergänzt

um 15. April: in Flügel verdeutlicht »el«; in erhohle verdeutlicht »ohle«; Ubel korr zu »Übel«, darin verdeutlicht »l«

Mai: vor Verzogen sich senkrechter Strich ergänzt

25. Juni: nach Gros Brembach Komma ergänzt; in Die vor Dürrung! verdeutlicht »D«

Dezember: Volgst. ergänzt durch »edt«

Auf den beschriebenen Blättern Bleistiftpaginierung von unbekannter Hand jeweils Vs rechts bzw Rs links oben, die Blätter 6 und 7 paginiert »7« und »6«, das linke hintere Vorsatzblatt mit der Tgb-Eintr d. 2 Sept. im Anschluß an die Eintragungen zu 1781 paginiert »5«. Bleistiftvermerke: auf dem Titelblatt rechts oben »24 Bl«, auf dem vorderen Inneneinband rechts unten der Signaturvermerk »6«.


Zählung und Anordnung der Handschrift:

Bl 1–2 (zwischen Ks 4 und 5)

Bl 1 Vs leer; Federprobe

Bl 1 Rs–2:

Tgb-Eintr Januar

Bl 3–4 (zwischen Ks 6 und 7)

Bl 3 Vs–4 Vs:

Tgb-Eintr Februar

Bl 4 Rs leer

Bl 5–7 (zwischen Ks 8 und 9; Bl 6 quer beschrieben)

Bl 5:

Tgb-Eintr Anfang–16., 29.–30. März

Bl 6 Vs:

Tgb-Eintr 31. März

Bl 6 Rs leer

Bl 7:

Tgb-Eintr 20.–28 März

Bl 8–9 (zwischen Ks 10 und 11):

Tgb-Eintr April

Bl 10–11 (zwischen Ks 12 und 13)

Bl 10 Vs–11 Vs:

Tgb-Eintr Mai

Bl 11 Rs:

Tgb-Eintr 25. Mai,

26. Mai – 22. Juni

Bl 12–13 (zwischen Ks 14 und 15)

Bl 12 Vs:

Tgb-Eintr 26. Mai – 22. Juni

Bl 12 Rs–13 Vs:

Tgb-Eintr Juni

Bl 13 Rs leer

Bl 14–15 (zwischen Ks 16 und 17)

Bl 14 Vs

Tgb-Eintr Juli

Bl 14 Rs:

Tgb-Eintr Juli/August

Bl 15 leer

Bl 16–17 (zwischen Ks 18 und 19)

Bl 16:

Tgb-Eintr August

Bl 17 leer

Bl 18–19 (zwischen Ks 20 und 21)

Bl 18 Vs:

Tgb-Eintr September

Bl 18 Rs–19 leer

Bl 20–21 (zwischen Ks 22 und 23)

Bl 20 Vs:

Tgb-Eintr Oktober

Bl 20 Vs–21 leer

Bl 22–23 (zwischen Ks 24 und 25)

Bl 22 Vs:

Tgb-Eintr November

Bl 22 Rs–23 leer

Bl 24–25 (zwischen Ks 26 und 27)

Bl 24 Vs:

Tgb-Eintr Dezember

Bl 24 Rs–25 leer

Linkes hinteres Vorsatzblatt (Vs):

Tgb-Eintr d. 2 Sept.

Prof. Gabler v. Ingolstadt.


D:

Friedrich Wilhelm Riemer: Mitteilungen über Goethe. Aus mündlichen und schriftlichen, gedruckten und ungedruckten Quellen. Bd 2. Berlin 1841. S. 108–125 passim (Auszüge) Carl August Hugo Burkhardt: Goethe’s Tagebuch 1780. 1781. 1782. In: Die Grenzboten 33 (1874), 2. Semester, 4. Bd, Nr 43. S. 121–127 (Auszüge)

Robert Keil: Goethe’s Tagebuch aus den Jahren 1776–1782. Leipzig 1875. S. 207–233 und 237–248

WA III 1, 105–126, udT: 1780., und in den Lesarten zu Tgb 1781, WA III 1, 362

nach Ettersb.] Siehe Brief an Charlotte von Stein, 24. und 26. Juni 1776 (WA IV 4, 239–240): Gestern ⟨25. Juni⟩ war ich in Ettersburg und dicktirte der Jöchhausen mit dem lebhafftesten Muthwillen an unsern Vögeln 〈…〉.

Oesers Büste] Martin Gottlieb Klauer, Bildnisbüste Adam Friedrich Oesers, Gips, Datierung: 1780 (MSWK, InvNr KP1/01710). Siehe Briefe an Charlotte von Stein, 26. Juni (WA IV 4, 241), 28. Juni (WA IV 4, 244) und 30. Juni 1776 (WA IV 4, 246), und Brief an Johann Heinrich Merck, 3. Juli 1780 (WA IV 4, 247; IV 7, 379): Oeser ist 14 Tage in Ettersburg gewesen 〈…〉. Klauer hat seinen Kopf ganz allerliebst bossirt, er soll in Gyps gegossen und in unsern grauen Stein gehauen werden. Vgl Brief an Karl Ludwig von Knebel, ⟨24. Juni und⟩ 3. Juli 1780 (WA IV 4, 243).

bossirte] Bossieren: zur bildkünstlerischen Darstellung in weicher Masse (Wachs) formen, meist mit Bezug auf Gesicht, Büste, besonders als vorläufiges Modell (GWb 2, Sp 843).

die Mitschuldigen] »Die Mitschuldigen«, wohl in der 1780 überarbeiteten zweiten Fassung. Siehe die Erläuterung zu 9. Januar 1777.

dicktirt ich Jöchh. an den Vögeln] Siehe die Erläuterung zu 112,21 und die erste Erläuterung zu 25. Juni 1780.

Feuer lärm] Vgl Brief an Charlotte von Stein, ⟨24. Juni und⟩ 26. Juni 1776 (WA IV 4, 239–240).

Dürrung] Feuershitze (GWb 2, Sp 1346).

Das halbe Dorf brannte ganz hinunter] Siehe die Voten von Christian Friedrich Schnauß und Goethe zu den Berichten der Brandassekurations-Kommission und des Kassedirektoriums über die »Zahlung der Brandversicherung an die Abgebrannten zu Großbrembach und Wiederaufbau der Gebäude« vom 14. Juli 1780 (AS 1, Nr 56). Siehe Carl August an Johann Heinrich Merck, 26. Juni 1780 (Karl Wagner: Briefe an Johann Heinrich Merck von Göthe, Herder, Wieland und anderen 〈…〉. Darmstadt 1835, S. 250–251): »Heute früh um 4 Uhr, als ich von einem sehr starken Brande zurückkam 〈…〉. Der Brand war in einem der größten Dörfer, Brembach mit Namen. Der Sturmwind war sehr stark und legte in sehr kurzer Zeit 70 Häuser, ohne Ställe und Scheunen, in die Asche. 〈…〉 Der Brandkasse wird es auf 12000 Rth. zu stehen kommen.«

Husaren] Die Weimarer Husaren waren für die Löscharbeiten zuständig.

Wasser] Scherkonde.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GT I, 25.6.1780 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), in: https://goethe-biographica.de/id/GT01_0870.

Entspricht Druck:
Text: GT I 1, S. 113 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.
Kommentar: GT I 2, S. 523 (Wolfgang Albrecht/Andreas Döhler), Stuttgart 1998.

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