BuG: BuG I, A 186
Darmstadt Apr./Mai 1772

Böttiger, Lit. Zustände 1, 48

B2 122

Darmstadt Apr./Mai 1772

[Nach Caroline Herder?] In seiner Jugend und Genieperiode war er als einer der schönsten Männer von Mädchen und Frauen angebetet. Oft ging er, als er noch in Frankfurt war, zu Fuß nach Darmstadt. Da gaben ihm die artigsten Frauen das Geleite bis zur Stadt hinaus, und in Darmstadt setzte er sich vor Merck’s Haus, wo auf einer steinernen Treppe einige Bänke vor der Hausthür standen, um den um ihn versammelten Mädchen Genieaudienz zu geben, die oft länger als eine Stunde dauerte.

Caroline Flachsland an Herder 27. 4. od. 1. 5. 1772 (SchrGG 41, 103)

Darmstadt Apr./Mai 1772

Göthe und meine Lilla sind wieder hier, ich habe das warme feurige Mädchen nur eine Minute gesehn, und mit Göthe waren wir gestern bey meinem Fels und Hügel. er hat sich einen großen prächtigen Felsen zugeeignet und geht heute hin, seinen Namen hinein zu hauen, es kan aber niemand darauf als er allein.

Caroline Flachsland an Herder 8. 5. 1772 (SchrGG 41, 105. 108. 110)

Darmstadt Apr./Mai 1772

M[erck] kam mit Göthe zu uns in den Garten ... Meine Lilla habe ich, seit sie hier ist, nur etliche mal gesehen, und einmal in Gesellschaft Merks, und Göthe die Geschichte des armen le Febre aus dem Tristram Shandy lesen hören – o wenn Sie das Mädchen kennten, sie ist ein Engel von Empfindung und tausendmal beßer als ich. sie gab mir Blümchen aus ihrem Garten, und ich legte sie in „Yoricks empfindsame Reisen“ – Wenn Göthe von Adel wäre, so wollte ich, daß er sie vom Hoff wegnähme, wo sie auf die unverantwortlichste Art verkannt wird – aber so gehts nicht. Göthe ist ein äußerst guter Mensch, und sie wären sich beyde werth ...

Unser vom Himmel gegebener Fr[eund] Göthe ist wieder fort, mit Einem Kuß und Thräne im Herzen bin ich von ihm geschieden – er geht nach Wetzlar und kommt in 3 Monath wieder. Er ist wahrhaftig ein äußerst guter Mensch.

Caroline Flachsland an Herder 7. 8. 1772 (SchrGG 41, 180)

Darmstadt Apr./Mai 1772

Daß ich nicht so leicht und lustig bin wie Goethe, das ist wahr, und daß irgendwo in meinem Gesicht oder Seele eine schwermüthige Falte gelegt ist, ist auch wahr, und leider fühle ich sie, aber der gute Goethe weiß nicht woher. Sie, mein lieber H[erder], wissens ja viel beßer, daß ich hier im Hauße nicht in meiner assiette bin.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0186 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0186.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 197 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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