BuG: BuG II, A 1906
Clausthal 21./24. 9. 1783

F. W. H. v. Trebra (GJb 9, 15)

B2 239

Clausthal, Torfhaus, Brocken, St. Andreasberg 21./24. 9. 1783

Er hatte in seinen Erzählungen von gemachten Gebirgreisen mit vorkommen laßen:

„Daß er mitten im Winter, um die Weynachts-Feyertage bey großem Schnee, und heftiger Kälte, den Harz bereiset, und namentlich den Brocken bestiegen habe.“

Das mußte mir wohl sehr verdächtig vorkommen, denn ich war auch zu den Weynachtsfeyertagen, Schluß 1771. und Anfang 1772., ein paar Wochen aufn Harze gewesen, wo ziemlicher Schnee lag, es heftig kalt war, und wo ich bey einer Reise von Clausthal nach Andreasberg, auf dem Bruchberge, fast im Schnee hatte sitzen bleiben müßen ...

Im Jahre 1783., nun ich schon am Harze, und mit dem Harze, ziemlich bekannt worden war, besuchte mich im Septbr. der waghalsige Erzähler, und natürlich mußte ich ihn selbst nach den Brocken führen, der nun gewißermaaßen unter meinen Dienstsprengel mit gehörte. Von Zellerfeld aus, wo ich wohnte, nach nächsten Wege, und damit ich durch eine noch nicht durchreißte Gruppe der Harz-Gebirgsköpfe zum höchsten unter ihnen steigen konnte, ging ich diesmal auf das sogenannte Communion Torfhaus zu, an der Hauptstraße von Nordhaußen nach Braunschweig gelegen. Das Forst- und zugleich Wirthshaus allhier, bewohnte der gehende Förster Degen, mir schon aus mehrern gehaltenen Forstämtern, als eifrigster Diener, allemal auf haltbarer Wahrheit stehend, in ziemlich platten Ernst, und durch muntre Laune mir bekannt. Vor seinem kleinen Hause, bey heitern Wetter ietzt im Freyen, richteten wir unser mitgebrachtes Mittagsmahl vor. Er war sehr geschäftig bey so seltnen Besuche, als ihm sein vice Berghauptmann war, mit Anstand Tische und Stühle für seine hohen Gäste herbey zu schaffen. Sein Augenmerk nur immer auf mich gerichtet, damit er mit seinen Anordnungen meine Wünsche treffen möge, fielen nur spät erst seine Augen auf den, mich begleitenden Fremden.

Ihn erblickend, sah er ihm erst noch forschender ins Gesicht, sprach dann: Nun! da kommen Sie dann doch noch einmal, in einer beßern Jahrszeit den Brocken zu besuchen. Ja! sie würden dorten, als sie mitten im Winter von mir begehrten, daß ich sie auf den Brocken führen sollte, mich mit allen ihren guten Worten – er gab ihm einen Louisd’or – doch gewiß nicht beredet haben, ihr Führer zu seyn, wenn nicht eben durch den gar starken Frost, eine harte Rinde über den tiefen Schnee gezogen gewesen wäre, die uns tragen konnte. Aber noch nie hatte ein Fremder das von mir begehrt, auch würde ich mit keinem das Wagstück unternommen haben, wiewohl es diesmal gut ablief; und wir in guter Zeit von der Spitze des unbewohnten großen Brockens, wieder hier waren, nachdem wir eine gar seltene heitere Aussicht in der Runde umher genoßen hatten. –

Indem ich so, in noch angenehmer Jahreszeit die Harzgebirge nach dem Brocken hinauf- und von ihm wieder herab durchstreifte, führte mich mein waghalsiger Freund noch zu einem Vergnügen, ebenfalls einzig in seiner Art, und was es auch wohl lange noch ihm, mir, und andern Gebirgforschern bleiben wird.

Wir gingen durch Schierke über Elend und Oderbrückhaus, vom Brocken wieder zurück ... Unser romantischer Weg, führte uns vom Oderteichdamme in einer, mehr auf Dienstleistungen sich beziehenden Richtung, auf den Rehbergersgraben herunter nach Andreasberg, und so, nah an der Rehbergerklippe vorbey. Diese hohe, nahe am Graben, ganz senkrecht da stehende Felswand, war mit einem großen Haufen herunter gestürzter Bruchstücke, von Tisch und Stuhl, und Ofen Größen verschanzt, von welchen sogleich viele zerschlagen wurden. Unter ihnen fanden sich mehrere von jenen Doppelgesteinarten Granit, mit aufgesetzten, eingewachsenen dunkelblauen, fast schwarzen, sehr harten (jaspisartigen) Thongestein. Die können nirgends anders herkommen, als von jener Klippe da vor uns. Dahin müßen wir, antwortete mein Freund. Behutsam! vorsichtig! schrie ich ihn nach, die Moosbedeckten schlüpfrigen Felsstücke, liegen gefahrvoll durch einander, wir können die Beine dazwischen brechen. Nur fort! nur fort! antwortete er voran eilend, wir müßen noch zu großen Ehren kommen, ehe wir die Hälse brechen! und wir kamen zusammen heran an den Fuß der Felswand, wo wir nun gar deutlich den Abschnitt des schwarzen Gesteins, auf den blaß fleischrothen Granit, in gar langer Linie sich hinziehend erkennen konnten. Aber, unserer ziemlichen Größe ungeachtet, erreichen mit unsern Händen konnten wir sie doch nicht. Wenn du dich fest hinstellen wolltest, sagte mein Freund zu mir; so wolte ich jene, in den Felsen eingewachsene Strauchwurzel ergreifen, mich im Anhalten an sie, hebend auf deine Schultern schwingen, und dann würde ich den so kenntlichen Abschnittsstrich, wenigstens mit der Hand erreichen können. So geschahs, und wir hatten das seltne Vergnügen, den merkwürdigen Abschnittsstrich von hier eingewurzelten Urgebirge rothen Granit, und drauf stehenden, dunkel- fast schwarzblauen Thongesteins nahe zu sehen, sogar mit Händen zu greifen.

F. W. H. v. Trebra, Inschrift auf einer Marmorplatte (Grumach S. 48)

Rehberger Graben 21./24. 9. 1783

G[oethe] Nur fort! Nur fort! wir müssen noch zu großen Ehren kommen, ehe wir die Hälse brechen!! T[rebra] Vorsichtig, zwischen den Moos bedeckten schlüpfrigen Felßstücken können leicht die Beine stecken bleiben!

Müller, Unterhaltungen 18. 5. 1821 (Grumach S. 48)

B2 1942

Rehberger Graben 21./24. 9. 1783

[Goethe:] Damals bey jenem Streifzug in die Harz Gebirge hohlte ich einst, auf von Trebras Schultern gestiegen, ein merkwürdig Mineral mit vieler Gefahr von seiner Bildungsstädte, vom Felsen, herab; „wir müssen noch berühmt werden, ehe wir den Hals brechen“ [spätere Fassung: „wir müssen erst noch berühmt werden, ehe wir den Hals brechen, darum hat es jetzt keine Gefahr“], sagte ich scherzend zu Trebra.

Ich besitze noch eine kleine, polirte Marmorplatte aus jenen Gegenden, mit der von Trebra aufgesetzten Innschrift jener Worte.

An Charlotte v. Stein 24. 9. 1783 (WA IV 6, 201)

Brocken 21./24. 9. 1783

Unsre Brockenreise ist glücklich vollendet ... Fritz war gar munter und brav. Er ritt auf einem kleinen Pferdgen so grade hin als wenn er ganz damit bekannt gewesen wäre, er ist sehr glücklich und hat nur kleine Anfälle von Laune und Unart.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_1906 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_1906.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 427 ff. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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