BuG: BuG II, A 2391
Neustadt - Karlsbad 1. 7. 1785

Knebel, Tagebuch 30. 7. 1785 (GSA Nachlaß Knebel)

Wunsiedel 1. 7. 1785

Nach 7 Uhr ausmarschirt. Nach dem Seeberg. Gneis bis dahin, it. Quarzberg. Zinnwasche daselbst. Von da nach dem Ochsenkopf. Granit. Grosse Massen u. Gebäude. Aussicht, auf den Schneeberg gegenüber. Wider herunter u. zurück zum Seberg. Von da auf den Nußhart. Rudolfstein. Gewitter. Gegen 10 Uhr Abends zurück [nach Wunsiedel].

Knebel, Aufzeichnungen 2. 7. 1785 (Knebel, Lit. Nachl. 3, 381)

Wunsiedel 1. 7. 1785

Gestern, den 1. Juli, machten wir den ersten Ausflug in die Berge. Wir marschirten Morgens gegen acht Uhr hier aus, und begaben uns nach Zinnwasche auf den Seeberg. Wir marschirten gute drei Stunden, und trafen unterwegs abwechselnd erst noch derben Thonschiefer, dann Gneis, dann vor Leupoldsdorf einen Berg von purem Quarz an, worauf wir bald wieder an Gneis kamen, den wir bis auf die Höhe des Seebergs behielten. Hier machten wir etwas Rast, besahen die Zinnwasche, ließen uns etwas Zinn aus dem gelblichen mürben Thon, worin es gefunden wird, auswaschen oder sichern, wie sie es benennen, und nahmen einige von den kleinen Zinngräupchen, die daselbst gefunden werden, mit ... Die Art, das Zinn zu waschen, ist folgende. Sie umgraben das Gebirg auf etliche Lachter tief, gleichsam in einem halben Zirkel, und machen unten eine Aushöhlung oder Graben, ungefähr zwei Ellen breit. In diese wird der zinnhaltige thonichte Sand herabgeschürft. Dann wird aus der Höhe ein Bach darüber hergeleitet, der von der Höhe des ausgegrabenen Erdreichs über das Zusammengeschürfte herunterfällt und es auf diese Art, immer das äußerste zuerst, dem zu Folge auch der Bach so geleitet wird, durchwäscht, wobei die Arbeiter den Thon fleißig im Wasser durcharbeiten, daß die schwereren Zinntheilchen endlich am Grunde des ausgehöhlten Baches sämmtlich sich niedersetzen und liegen bleiben. Die Zinnkörner sind größtentheils so fein mit dem gelblichen Erdreich vermischt, daß man sie mit bloßem Auge nicht herausfinden kann. Dennoch haben wir einige größere Zinngräupchen, auch einige Krystalle, die man daselbst gefunden, mitgenommen.

Wir fanden an der Quelle des Mains, der dicht hier beim Hause entspringt, und hier den Bach zur Zinnwäsche ausmacht, viele tridentaria europaea, die überhaupt auf diesem Gebirge sehr häufig sind. Das Wasser der Quelle des Mains ist sehr vortrefflich und schmackhaft.

Vom Seeberg gingen wir weiter nach dem Ochsenkopf zu. Dieß ist noch ein Weg von guten anderthalb Stunden. Wir fanden bald auf unserm Wege große Stücke zusammengerollten Granits, die wie ungeheure Leichname umherlagen. Wir erstiegen die höchsten Felsen des Ochsenkopfes, und kosteten unterwegs von der trefflichen Quelle, dem sogenannten Fürstenbrunnen. Wir ergötzten uns auf diesen herrlichen Granitmassen, sahen unter uns abendlich Bischofsgrün liegen, und gegenüber, nur etwas höher als wir selbst standen, den Schneeberg, rechts von ihm den Nußhart. Wir eilten bald unsern Weg wieder vom Ochsenkopf herunter, über den Seeberg weg, dem Nußhartsberge zu. Das vortrefflichste Granitgebäude von breiten, größeren und kleineren, horizontalen Massen, mit dazwischen vorkommenden senkrechten Spaltungen zeigt sich daselbst, und mag vielleicht nur von den auf dem Rudolphstein übertroffen werden, zu dem wir uns aber nicht mehr hinzuwagten, weil heftige Gewitter die Hälfte des Himmels belagert hielten, und uns den weiten Heimweg hätten versperren können. Wir machten uns also unter abwechselnden kleinen Gewitterstreifen davon, und kamen Abends zehn Uhr nach Hause.

Knebel an Goethe 25. 1. 1814 (Guhrauer 2, 133)

Wunsiedel 1. 7. 1785

Hier schicke ich Dir ein Gläschen von dem Zinnsand, den wir ehmals auf unsrer Reise nach dem Fichtelberg von der Zinnwäsche, nicht weit von dem Ursprunge der Saale, uns geben ließen. Es ist ein verschüttetes Gebirge und man weiß nicht recht, wie dieses Zinn dahin gekommen ist.

F. G. Dietrich (Dtsch. Rundschau 7, 444)

B2 258

Wunsiedel 1. 7. 1785

Auf einem ziemlich hohen Berg, dem sogenannten Ochsenkopf, sahen wir in einer nur wenig tiefer liegenden, von grotesk geformten Felsen umschlossenen Bergwiese einen purpurrothen Fleck, der schon in der Ferne Bewunderung erregte. Goethe sagte: das ist mir ein unerklärbares Phänomen, wir wollen hinabgehen und an Ort und Stelle die Sache näher betrachten und genau untersuchen. Da wir an der Stelle ankamen, fanden wir einen Sumpf (Torfmoor) mit torfliebenden Laubmoosen dicht angefüllt. Auf diesen Torfmoosen hatte sich die kleine Drosera rotundifolia L., in ungeheurer Menge angesiedelt und die andern Gewächse verdrängt, so daß fast der ganze Torfmoor wie mit einem Purpurteppich bedeckt erschien. Die Wurzelblätter dieser niedlichen Pflanze breiten sich stern- oder rosettenförmig auf den Torfwiesen aus, sind roth, gestielt, kreisrund, löffelförmig ausgehöhlt, die Oberfläche, sowie die Stiele mit rothen reizbaren Drüsen verziert, und besonders des Morgens mit einer glänzenden Feuchtigkeit, gleichsam wie mit Thau überzogen, daher der deutsche Name Sonnenthau (Ros solis Bauh. pin.). Zwischen den Blättern erhebt sich ein zarter aufrechter Schaft, der wenige kleine weiße Blumen trägt, die eine meist einseitige Endähre bilden ... Häufig kam auch eine kleine zierliche Pflanze vor, Vaccinium Oxycoccus L., deren fadenförmige Stengel auf den Torfmoosen liegen und mit lieblichen, rothen Blumen sich schmücken. Beide Pflanzen, die ich mit Moosballen aus dem Sumpfe hob und zur näheren Anschauung und Beobachtung vorzeigte, gewährten den Herren [Goethe u. Knebel] große Freude und belehrende Unterhaltung: Goethe, der damals sein Werk (Versuch die Metamorphose der Pflanze zu erklären) angefangen hatte, suchte sich näher mit den Pflanzen zu befreunden, nahm eine Drosera rotundifolia in die Hand und sprach sich über die wunderbare Gestalt und regelmäßige Stellung der mit reizbaren Drüsenhaaren bekränzten Blätter belehrend aus, insonderheit über die Irritabilität (Reizbarkeit) der Pflanzen im Allgemeinen. Wir fanden einige Sonnenthaupflanzen, in deren Blättern kleine Insecten von den Drüsenhaaren eingeschlossen waren, und bemerkten zugleich, daß, so lange die eingeschlossenen Insecten leben und durch die Bewegung ihres Körpers und der Füße die Drüsen reizen, die Haare desto kräftiger und fester sich zusammenziehen und nicht eher wieder aufrichten, bis das Insect getödtet ist. Auch hat man versucht durch sanftes Berühren der Drüsen mit einer Borste die Reizbarkeit zu erregen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_2391 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_2391.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 529 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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