Goethes Briefe: GB 2, Nr. 202
An Sophie La Roche

〈Frankfurt a. M. , Ende Februar/Anfang März 1775?〉 → 〈Ehrenbreitstein bei Koblenz〉

〈Abschrift〉


Wegen des Buchs liebe Mama etwas bestimtes.

Man wünscht das büchelgen übersezt. Will man die bersezung auf eigne Kosten machen lassen, und nachhero einen Buchhändler suchen? oder wär es nicht besser das Büchlein dem Buchhändler so zu übergeben, und ihn selbst dafür sorgen zu lassen. Man will dem Buchh: gleich 500 Exem gegen baare Bezahlung wieder abnehmen. Er will für die Ubers: sorgen, und drucken mit dem Beding der 500 Exemp. allein der Preiß läst sich nicht bestimmen, biß es fertig ist. was wollte man wohl anwenden? zu welchem Gebrauch sollst werden, was für Papier wünschte man. Addio beste Mama – guten Tag liebe Schwesterhr v: h: einen Gruß – Ich wollte Sie hätten die paar Tage her meine Wirtschaft mit dem Apoll gesehen –

Die Datierung ist unsicher; sie geht davon aus, dass der letzte Satz des Briefes auf Goethes Redaktionstätigkeit an den „Physiognomischen Fragmenten“ bezogen werden kann (vgl. DjG​3 5, 412). Der Aufsatz „Ueber den vatikanischen Apoll“ ist die 21. Zugabe zum „Neunten Fragment“. Am 14. März (vgl. Nr 208 ) beantwortet Goethe eine Anfrage Philipp Erasmus Reichs diese Zugabe betreffend, die damit spätestens zwischen dem 9. und 11. März in Reichs Händen war. (Briefe zwischen Frankfurt und Leipzig waren gewöhnlich drei bis fünf Tage unterwegs; vgl. Datierung zu Nr 222 .) Demnach hatte Goethe in den Tagen zuvor, also Ende Februar/Anfang März, daran redaktionell gearbeitet. Dazu passt der Gruß an die liebe Schwester ( 168,7–8 ), wenn damit Maximiliane Brentano gemeint war, die sich bei ihrer Mutter aufhielt, um die Geburt ihres ersten Kindes abzuwarten, die am 12. März erfolgte.

H: Verbleib unbekannt.

h​1: The Pierpont Morgan Library, New York, Misc. Heineman, H Goethe-Bettina, MSS 1. – Abschrift von Bettine Brentano vom 2. oder 3. Juni 1806 (= h​a; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47 ).

h​2: The Pierpont Morgan Library, New York, Misc. Heineman, H Goethe-Bettina, MSS 1. – Abschrift von Bettine Brentano (= h​b; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47 ).

h​3: FDH/FGM Frankfurt a. M., Sign.: 10721–10732. – Abschrift von Johann Friedrich (Fritz) Schlosser (= h​c; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47 ).

h​4: GSA Weimar, Sign.: 29/294,III. – Abschrift von fremder Hd (= h​d; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47 ).

E: Frese (1877), 143, Nr 5 (nach h​3).

WA IV 2 (1887), 102, Nr 166 (nach Goethe-La Roche, 21 f. [dort vermutlich nach einer nicht überlieferten Abschrift von h​3]).

Textgrundlage: h​1. – Vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47 .

bestimtes] Bestimtes ​h​2 büchelgen] Büchelgen ​h​2 Übersezung] Ubersezzung ​h​2 lassen] laßen ​h​2 Buchh:] BuchHändler ​h​2 Exem] Exemp: ​h​2 Ubers:] Übersezzung ​h​2 allein] Allein ​h​2 was] Was ​h​2 zu] Zu ​h​2 sollst] solls ​h​2 Addio] ​Addio ​h​2 Mama –] Mama. ​h​2       guten] Guten ​h​2 Schwester –] ​Absatz h​2 hr] hr: ​h​2       h:] H: ​h​2 Gruß –] ​Absatz ​h​2 gesehen –] gesehen ​h​2 Unterschrift rechts unter dem Text: G: ​h​2

Der Brief beantwortet vermutlich einen nicht überlieferten Brief Sophie La Roches, in dem diese Wegen des Buchs ( 167,21 ) nachgefragt hatte. – Der Antwortbrief mit der Nachricht von der Entbindung Maximiliane Brentanos, auf den sich Nr 209 bezieht, ist nicht überliefert.

des Buchs] Ob damit Sophie La Roches Roman „Freundschaftliche Frauenzimmer-Briefe“ (später unter dem Titel „Rosaliens Briefe“) gemeint ist (vgl. DjG​3 5, 412), für den Goethe sich um einen Verleger bemühte (vgl. die erste Erläuterung zu 158,3 ), ist ungewiss. Die Bezeichnungen büchelgen ( 167,22 ) und Büchlein ( 168,1 ) passen nicht recht zu dem Briefroman. Eher scheint es sich um eine Übersetzung aus dem Französischen zu handeln.

Man wünscht] Vielleicht hatte Goethe mit Philipp Erasmus Reich in Leipzig oder mit Johann Conrad Deinet in Frankfurt verhandelt.

Beding] Bedingung, nach Adelung (1, 782) veraltet.

liebe Schwester] Maximiliane Brentano (vgl. Datierung). „Die Anrede 〈…〉 zeigt Goethes Empfindungen für sie als geklärt.“ (DjG​2 6, 428, zu Nr 311.)

hr v: h:] Christoph Philipp Willibald von Hohenfeld.

Wirtschaft] Bezeichnung „aller häuslichen Geschäfte“, hier vermutlich „im verächtlichen Verstande, von einer verworrenen, schlechten Handhabung“ derselben (Adelung 4, 1577).

mit dem Apoll] Der Beitrag „Ueber den vatikanischen Apoll“ im 1. Band von Lavaters „Physiognomischen Fragmenten“ (vgl. die erste Erläuterung zu 176,5 ) stammt nicht von Goethe (vgl. von der Hellen, 77 f.). Vielleicht aber wurde er über die Redaktionstätigkeit zu eigener Beschäftigung mit dem Gegenstand angeregt.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 202 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR202_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 167–168, Nr 202 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 423–425, Nr 202 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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