BuG: BuG I, A 261
Frankfurt Sommer 1773

Dichtung und Wahrheit XIII (WA I 28, 205)

Frankfurt Sommer 1773

Noch andere hielten mich für einen grundgelehrten Mann, und verlangten, ich sollte die Original-Erzählung des guten Götz neu mit Noten herausgeben; wozu ich mich keineswegs geschickt fühlte ...

Ein angesehener Geschäftsmann macht mir ganz unvermuthet die Visite. Ich sehe mich dadurch höchst geehrt, und um so mehr, als er sein Gespräch mit dem Lobe meines Götz von Berlichingen und meiner guten Einsichten in die deutsche Geschichte anfängt; allein ich finde mich doch betroffen als ich bemerke, er sei eigentlich nur gekommen um mich zu belehren, daß Götz von Berlichingen kein Schwager von Franz von Sickingen gewesen sei, und daß ich also durch dieses poetische Ehebündniß gar sehr gegen die Geschichte verstoßen habe. Ich suchte mich dadurch zu entschuldigen, daß Götz ihn selber so nenne; allein mir ward erwidert, daß dieses eine Redensart sei, welche nur ein näheres freundschaftliches Verhältniß ausdrücke, wie man ja in der neueren Zeit die Postillone auch Schwager nenne, ohne daß ein Familienband sie an uns knüpfe. Ich dankte so gut ich konnte für diese Belehrung und bedauerte nur, daß dem Übel nicht mehr abzuhelfen sei. Dieses ward von seiner Seite gleichfalls bedauert, wobei er mich freundlichst zu fernerem Studium der deutschen Geschichte und Verfassung ermahnte, und mir dazu seine Bibliothek anbot, von der ich auch in der Folge guten Gebrauch machte.

Das Lustigste jedoch, was mir in dieser Art begegnete, war der Besuch eines Buchhändlers, der mit einer heiteren Freimüthigkeit sich ein Dutzend solcher Stücke ausbat, und sie gut zu honoriren versprach. Daß wir uns darüber sehr lustig machten, läßt sich denken.

Dichtung und Wahrheit XVII (WA I 29, 73)

Frankfurt Sommer 1773

Merkwürdig möchte es jedoch sein, daß unter den zahlreichen Annäherungen und in der Menge der jungen Leute, die sich an mich anschlossen, sich kein Edelmann befand; aber dagegen waren manche, die schon in die Dreißig gelangt, mich aufsuchten, besuchten und in deren Wollen und Bestreben eine freudige Hoffnung sich durchzog, sich in vaterländischem und allgemein menschlicherem Sinne ernstlich auszubilden.

An J. Chr. Kestner Mitte Aug. 1773 (WA IV 2, 99)

Frankfurt Sommer 1773

Mad. la Roche war hier, sie hat uns acht glückliche Tage gemacht, es ist ein Ergötzen mit solchen Geschöpfen zu leben.

Dichtung und Wahrheit XV (WA I 28, 342)

Frankfurt Sommer 1773

Es ward durch das allzu viele Gute der mäßige Lebensplan, den sich mein Vater für mich ausgedacht hatte, Schritt vor Schritt verrückt, verschoben und von einem Tag zum andern wider Erwarten umgestaltet. Der Aufenthalt zu Regensburg und Wien war so gut als aufgegeben, aber doch sollte auf dem Wege nach Italien eine Durchreise statt finden, damit man wenigstens eine allgemeine Übersicht gewönne. Dagegen aber waren andere Freunde, die einen so großen Umweg in’s thätige Leben zu gelangen, nicht billigen konnten, der Meinung, man solle den Augenblick, wo so manche Gunst sich aufthat, benutzen und an eine bleibende Einrichtung in der Vaterstadt denken. Denn ob ich gleich erst durch den Großvater, sodann aber durch den Oheim, von dem Rathe ausgeschlossen war, so gab es doch noch manche bürgerliche Stellen, an die man Anspruch machen, sich einstweilen festsetzen und die Zukunft erwarten konnte. Manche Agentschaften gaben zu thun genug, und ehrenvoll waren die Residenten-Stellen. Ich ließ mir davon vorreden und glaubte wohl auch, daß ich mich dazu schicke.

An J. Chr. Kestner 15. 9. 1773 (WA IV 2, 104)

Frankfurt Sommer 1773

Ich ... lasse meinen Vater ietzt ganz gewähren, der mich täglich mehr in Stadt Civil Verhältnisse einzuspinnen sucht, und ich lass es geschehn.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0261 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0261.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 236 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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