Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 149
Von Johann Gottfried Eichhorn

16. Juli 1781, Jena

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   Hochwohlgebohrner Herr,
   Hochgebietender Herr Geheimer Rath,


Eurer Hochwohlgebohrnen habe ich die Ehre einen Brief ehrerbietigst vorzulegen,
den ich vor einigen Tagen vom Herrn Professor Büttner aus Göttingen
erhalten habe. Zur Erläuterung erlauben mir Hochdieselben folgendes bei-
zufügen.


   Die gnädigste Entschließung Serenissimi clementissime Regentis, welche
Euer Hochwohlgebohren noch geraume Zeit vor Ostern mir bekannt zu machen
die Gewogenheit gehabt haben, nach welcher Hrn Büttnern die Verfertigung
des Catalogs überlassen, und er dabei benachrichtiget werden sollte, daß ich auf
Michaelis zur Berichtigung einiger Umstände noch nach Gottingen kommen würde,
– habe ich ungesäumt Herrn Professor Büttner überschrieben. Ich erhielt
darauf weiter keine Nachricht: und ich hatte auch vor der Hand keine Antwort
nöthig, da Ihro Herzogliche Durchlaucht, mein gnädigster Landesherr, kurz
darauf die Bibliothek in höchsten Augenschein zu nehmen geruheten. Vor
einigen Wochen hatte ich in einer ganz andern, blos litterarischen, Sache an
Hrn Büttner zu schreiben: und bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn auch, wie
weit er schon mit der Verfertigung des Catalogs fortgeschritten wäre, und
ob er denselben bis Michaelis endigen würde? Auf diesen Brief bezieht sich der,
welchen ich Eurer Hochwohlgebohrnen gegenwärtig vorzulegen die Ehre habe;
doch nimmt er auch auf den erstern, vor Ostern geschriebenen, Rüksicht in
der Frage: was das eigentlich sei, was noch berichtiget werden müßte?


   Da Serenissimus clementissime Regens dem Herrn Professor Büttner, den | 2 |
festen Termin, Michaelis, zur Verfertigung seines Catalogs mündlich zu
erlassen gnädigst geruhet haben (wie ich aus Hrn Büttner's Schreiben ersehe);
so könnte nun vielleicht sein Privatschreiben an mich keine Rüksicht verdienen.
Aber seine darinn angebrachte Bitte, und der Umstand, daß der gute Mann
anfängt zu merken, daß seine alte Schultern zu schwach sind, Selbst einen
Catalog von seiner weitläuftigen Bibliothek zu verfertigen, scheint mir so
wichtig, daß ich es für Pflicht hielt, Eurer Hochwohlgebohrnen davon unver-
züglich Nachricht zu geben. Der Mann ist wirklich zu dieser Arbeit zu alt, und
seit vielen Jahren nicht mehr gewohnt, anhaltend zu arbeiten: Daher habe ich
schon damals, als ich in dieser Angelegenheit Serenissimo clementissime
Regenti den ersten unterthänigsten Rapport mündlich abzustatten, die Gnade
genoß, zu äußern gewagt, daß die Verfertigung des Catalogs das seyn
möchte, was die meiste Schwierigkeit verursachen würde. Nun hat er zwar ange-
fangen, ihn zu verfertigen, aber (wie ich von einem andern Correspondenten weiß)
auf eine so weitläuftige und zeitkostende Manier, daß nicht abzusehen ist,
wie er, wenn auch der alte Mann noch rüstig wäre, und Tag vor Tag daran
arbeitete, in Jahr und Tag fertig würde. Und bei seiner Langsamkeit im
Arbeiten, im Schreiben und dergleichen, und da er im Winter seine Bibliothek
des Gichts wegen nicht besuchen kan: so sorge ich, daß Er allein Jahre
brauche, bis ein Ende seiner Arbeit zu sehen ist. Er für Sich ist ein ehrlicher
Mann: aber wer steht für sein Leben? Und bei einem Sterbefalle wären
Verwirrungen unvermeidlich, wofern die Sache nicht vorher ins Reine gebracht wäre.

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  Belieben Euer Hochwohlgebohren nach Hochderoselben weisen Ermessen von
diesem meinem Rapport den Gebrauch zu machen, den ein erleuchteter Minister
richtiger zu bestimmen weiß, als ein UniversitätsProfessor; ob vielleicht das
geäußerte Verlangen des Herrn Professor Büttners, daß ihm die Verfertigung
des Catalogs abgenommen werden möchte, anzunehmen sei? Sollte vielleicht mein
lezter Brief diesen Entschluß ihm abgeloket haben, so ist es mehr ein glüklicher
Zufall, als etwas Absichtliches von mir. Inzwischen werden Euer Hochwohl-
gebohren schon Selbst die Einrichtung zu machen die Gewogenheit für den alten
Mann haben, daß derselbe die geringste Last dabei hat, und die Zeit der Ver-
fertigung so stark wie möglich zusammengepreßt wird. Sollten Serenissimus
clementissime Regens gnädigst zu befehlen geruhen, daß ich bei der Verfertigung
des Catalogs mit concurriren sollte: so würde ich mir den Herrn Bibliothekar
Spilker zum Gesellschaffter bei dieser Arbeit ausbitten, damit der Catalog in
4 Wochen geendigt werden könnte (denn selbst der fleißigste Mann, der allein arbeiten
sollte, wird unter 8 Wochen nicht damit fertig werden) und ich würde mit meinen
Collegien etwas vor Michaelis zu Ende zu kommen suchen, um auf den Fall, daß
länger als 4 Wochen dazu erfodert würden, doch noch zur rechten Zeit vor dem
Anfang der Winter Vorlesungen wieder hier zu seyn.


   Erlauben Euer Hochwohlgebohren, daß ich mit der ehrerbietigsten Bitte um
Hochderoselben Protection und Wohlwollen schließe und mich Ehrfurchtsvoll nenne

   Hochwohlgebohrner Herr,
   Hochgebietender Herr Geheimer Rath,
   Eurer Hochwohlgebohrnen

   ganz gehorsamster Diener

    Joh. Gottfried Eichhorn.

   


S:  GSA 28/292 St. 4  D:  -  B : -  A : - 

E. übersendet einen von C. W. Büttner aus Göttingen erhaltenen Brief, der sich auf die Büttner überlassene Anfertigung eines Katalogs zu seiner von Herzog Karl August erworbenen Bibliothek bezieht. Hierbei habe E. die Berichtigung einiger Umstände übernehmen sollen. Büttner werde bei seinem hohen Alter und der von ihm angewandten weitläufigen Methode erst nach Jahren zu Ende kommen. E. schlägt vor, ihm und J. C. F. Spilker die Katalogisierung zu übertragen (vgl. G. an A. von Einsiedel, 1781 Mai 7, WA IV 51, Nr. 1223a).

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 Hochwohlgebohrner Herr,  Hochgebietender Herr Geheimer Rath,

 Eurer Hochwohlgebohrnen habe ich die Ehre einen Brief ehrerbietigst vorzulegen, den ich vor einigen Tagen vom Herrn Professor Büttner aus Göttingen erhalten habe. Zur Erläuterung erlauben mir Hochdieselben folgendes beizufügen.

  Die gnädigste Entschließung Serenissimi clementissime Regentis, welche Euer Hochwohlgebohren noch geraume Zeit vor Ostern mir bekannt zu machen die Gewogenheit gehabt haben, nach welcher Hrn Büttnern die Verfertigung des Catalogs überlassen, und er dabei benachrichtiget werden sollte, daß ich auf Michaelis zur Berichtigung einiger Umstände noch nach Gottingen kommen würde, – habe ich ungesäumt Herrn Professor Büttner überschrieben. Ich erhielt darauf weiter keine Nachricht: und ich hatte auch vor der Hand keine Antwort nöthig, da Ihro Herzogliche Durchlaucht, mein gnädigster Landesherr, kurz darauf die Bibliothek in höchsten Augenschein zu nehmen geruheten. Vor einigen Wochen hatte ich in einer ganz andern, blos litterarischen, Sache an Hrn Büttner zu schreiben: und bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn auch, wie weit er schon mit der Verfertigung des Catalogs fortgeschritten wäre, und ob er denselben bis Michaelis endigen würde? Auf diesen Brief bezieht sich der, welchen ich Eurer Hochwohlgebohrnen gegenwärtig vorzulegen die Ehre habe; doch nimmt er auch auf den erstern, vor Ostern geschriebenen, Rüksicht in der Frage: was das eigentlich sei, was noch berichtiget werden müßte?

  Da Serenissimus clementissime Regens dem Herrn Professor Büttner, den| 2 | festen Termin, Michaelis, zur Verfertigung seines Catalogs mündlich zu erlassen gnädigst geruhet haben (wie ich aus Hrn Büttner's Schreiben ersehe); so könnte nun vielleicht sein Privatschreiben an mich keine Rüksicht verdienen. Aber seine darinn angebrachte Bitte, und der Umstand, daß der gute Mann anfängt zu merken, daß seine alte Schultern zu schwach sind, Selbst einen Catalog von seiner weitläuftigen Bibliothek zu verfertigen, scheint mir so wichtig, daß ich es für Pflicht hielt, Eurer Hochwohlgebohrnen davon unverzüglich Nachricht zu geben. Der Mann ist wirklich zu dieser Arbeit zu alt, und seit vielen Jahren nicht mehr gewohnt, anhaltend zu arbeiten: Daher habe ich schon damals, als ich in dieser Angelegenheit Serenissimo clementissime Regenti den ersten unterthänigsten Rapport mündlich abzustatten, die Gnade genoß, zu äußern gewagt, daß die Verfertigung des Catalogs das seyn möchte, was die meiste Schwierigkeit verursachen würde. Nun hat er zwar angefangen, ihn zu verfertigen, aber (wie ich von einem andern Correspondenten weiß) auf eine so weitläuftige und zeitkostende Manier, daß nicht abzusehen ist, wie er, wenn auch der alte Mann noch rüstig wäre, und Tag vor Tag daran arbeitete, in Jahr und Tag fertig würde. Und bei seiner Langsamkeit im Arbeiten, im Schreiben und dergleichen, und da er im Winter seine Bibliothek des Gichts wegen nicht besuchen kan: so sorge ich, daß Er allein Jahre brauche, bis ein Ende seiner Arbeit zu sehen ist. Er für Sich ist ein ehrlicher Mann: aber wer steht für sein Leben? Und bei einem Sterbefalle wären Verwirrungen unvermeidlich, wofern die Sache nicht vorher ins Reine gebracht wäre.

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   Belieben Euer Hochwohlgebohren nach Hochderoselben weisen Ermessen von diesem meinem Rapport den Gebrauch zu machen, den ein erleuchteter Minister richtiger zu bestimmen weiß, als ein UniversitätsProfessor; ob vielleicht das geäußerte Verlangen des Herrn Professor Büttners, daß ihm die Verfertigung des Catalogs abgenommen werden möchte, anzunehmen sei? Sollte vielleicht mein lezter Brief diesen Entschluß ihm abgeloket haben, so ist es mehr ein glüklicher Zufall, als etwas Absichtliches von mir. Inzwischen werden Euer Hochwohlgebohren schon Selbst die Einrichtung zu machen die Gewogenheit für den alten Mann haben, daß derselbe die geringste Last dabei hat, und die Zeit der Verfertigung so stark wie möglich zusammengepreßt wird. Sollten Serenissimus clementissime Regens gnädigst zu befehlen geruhen, daß ich bei der Verfertigung des Catalogs mit concurriren sollte: so würde ich mir den Herrn Bibliothekar Spilker zum Gesellschaffter bei dieser Arbeit ausbitten, damit der Catalog in 4 Wochen geendigt werden könnte (denn selbst der fleißigste Mann, der allein arbeiten sollte, wird unter 8 Wochen nicht damit fertig werden) und ich würde mit meinen Collegien etwas vor Michaelis zu Ende zu kommen suchen, um auf den Fall, daß länger als 4 Wochen dazu erfodert würden, doch noch zur rechten Zeit vor dem Anfang der Winter Vorlesungen wieder hier zu seyn.

 Erlauben Euer Hochwohlgebohren, daß ich mit der ehrerbietigsten Bitte um Hochderoselben Protection und Wohlwollen schließe und mich Ehrfurchtsvoll nenne  Hochwohlgebohrner Herr,  Hochgebietender Herr Geheimer Rath,  Eurer Hochwohlgebohrnen  ganz gehorsamster Diener   Joh. Gottfried Eichhorn.  

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 149, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0149_00162.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 149.

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