BuG: BuG II, A 1796
Weimar 5./6. 4. 1783

Eckermann, Gespräche 13. 11. 1823 (Houben1 S. 55)

B2 232

Weimar 5./6. 4. 1783

[Christoph Sutor:] „Einst klingelte er mitten in der Nacht, und als ich zu ihm in die Kammer trete, hat er sein eisernes Rollbette vom untersten Ende der Kammer herauf bis ans Fenster gerollt und liegt und beobachtet den Himmel. „Hast Du nichts am Himmel gesehen?“ fragte er mich, und als ich dieß verneinte: „so laufe einmal nach der Wache und frage den Posten, ob der nichts gesehen.“ Ich lief hin, der Posten hatte aber nichts gesehen, welches ich meinem Herrn meldete, der noch eben so lag und den Himmel unverwandt beobachtete. „Höre, sagte er dann zu mir, wir sind in einem bedeutenden Moment, entweder wir haben in diesem Augenblick ein Erdbeben, oder wir bekommen eins.“ Und nun mußte ich mich zu ihm aufs Bette setzen und er demonstrirte mir, aus welchen Merkmalen er das abnehme.“

Ich fragte den guten Alten, was es für Wetter gewesen.

„Es war sehr wolkig, sagte er, und dabey regte sich kein Lüftchen, es war sehr still und schwül.“

Ich fragte ihn, ob er denn Goethen jenen Ausspruch sogleich aufs Wort geglaubt habe.

„Ja, sagte er, ich glaubte ihm aufs Wort, denn was er vorhersagte, war immer richtig. Am nächsten Tage, fuhr er fort, erzählte mein Herr seine Beobachtungen bey Hofe, woby eine Dame ihrer Nachbarin ins Ohr flisterte: „Höre! Goethe schwärmt!“ Der Herzog aber und die übrigen Männer glaubten an Goethe, und es wies sich auch bald aus, daß er recht gesehen; denn nach einigen Wochen kam die Nachricht, daß in derselbigen Nacht ein Theil von Messina durch ein Erdbeben zerstört worden.“

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_1796 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_1796.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 409 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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