BuG: BuG I, A 812
Erste Weimarer Zeit 1775/76

Eckermann, Gespräche 23. 10. 1828 (Houben1 S. 554)

B2 2635

Weimar 1775/76

Er [Carl August] war achtzehn Jahre als ich nach Weimar kam; aber schon damals zeigten seine Keime und Knospen, was einst der Baum seyn würde. Er schloß sich bald auf das Innigste an mich an, und nahm an allem was ich trieb, gründlichen Antheil. Daß ich fast zehn Jahre älter war als er, kam unserm Verhältniß zu Gute. Er saß ganze Abende bei mir in tiefen Gesprächen über Gegenstände der Kunst und Natur und was sonst allerlei Gutes vorkam. Wir saßen oft tief in die Nacht hinein und es war nicht selten, daß wir neben einander auf meinem Sopha einschliefen.

K. v. Lyncker, Am Weimar. Hofe S. 53

Weimar 1775/76

Goethe war bald bei der Frau v. Stein, bei der sich auch der Herzog sehr häufig einfand, als Hausfreund aufgenommen worden. Diese Dame galt für eine geistreiche Frau, und somit sah man ihr Haus als denjenigen Ort an, wo sich der gnädige Herr mit Goethe und seiner übrigen Umgebung am vertraulichsten vernehmen lasse. Hier entspannen sich wohl alle die Pläne für die ernsten Geschäfte, wie für die Belustigungen, welche dann auch so schnell als möglich verwirklicht wurden. Sehr oft begab sich der Herzog mit Goethe nach dem v. Steinschen Gute zu Kochberg und blieb mehrere Tage daselbst.

Nächstdem machte der Herzog viele Lustreisen nach Ilmenau, Allstedt, Waldeck usw., wozu Goethe, v. Wedel, der Kammerpräsident v. Kalb, v. Einsiedel und v. Knebel gezogen wurden. Man sprach von sehr lustigen Vorfällen dabei; auch hauste man an diesen Orten mehrere Tage und Wochen.

Wenn sich der Herzog nach seinen Landpartien wieder bei der gewöhnlichen Tafel einfand, brachte er fast ohne Ausnahme Goethe mit, der dazumal in seinen steifen Bewegungen noch gar nicht für den Hof geeignet schien und statt der herkömmlichen Komplimente nur ganz kurze Kopfnicker zu machen pflegte. Die Herzogin war mit ihm immer sehr freundlich ...

An schönen Fräulein war ein Überfluß, und viele hatten sich von außen her in den angesehensten adligen Häusern eingefunden, um ihre Bildung zu vervollkommnen ... Die goethischen und andere gefühlvolle Schriften erweckten in mehreren Derselben den Geist der Empfindsamkeit ... Goethe dichtete, und Siegmund Seckendorff komponierte und sang den Huldinnen die gefühlvollsten Lieder ... Der Herzog und Goethe spöttelten zwar über diese allgemeine empfindsame Stimmung; allein sie wurde doch durch Erstern selbst durch das nun folgende Liebhabertheaterwesen und durch so vielerlei magische Vorstellungen, die Goethe damals veranlaßte und den Durchlauchtigsten Herzog belustigten, wesentlich genährt.

Knebel, Lebensskizze (Knebel, Lit. Nachl. 1, XXIX)

Weimar 1775/76

Im Herbst des Jahres 1775 ... kam ... Goethe zu uns ... Wie ein Stern, der sich eine Zeitlang in Wolken und Nebel verborgen hat, ging er auf. Jedermann hing an ihm, sonderlich die Damen. Er hatte noch die Werthersche Montirung an, und Viele kleideten sich darnach. Er hatte noch von dem Geist und den Sitten seines Romans an sich, und dieses zog an. Sonderlich den jungen Herzog, der sich dadurch in die Geistesverwandtschaft seines jungen Helden zu setzen glaubte. Manche Excentricitäten gingen zur selbigen Zeit vor, die ich nicht zu beschreiben Lust habe, die uns aber auswärts nicht in den besten Ruf setzten. Goethe’s Geist wußte indessen ihnen einen Schimmer von Genie zu geben. Er arbeitete dabei Manches zum Vergnügen der Gesellschaft ...

Nicht ganz ein Jahr danach kam auch Herder nach Weimar. Sein Verhältniß mit Goethe – der auch zu seiner Herberufung Gelegenheit gegeben hatte – war, so viel es die Umstände erlauben wollten – ganz gut; nur wollte er dessen Verhältniß zum Herzoge und die damit verbundenen Unregelmäßigkeiten nicht sehr billigen.

Herder an J. F. Kleuker 14. 10. 1776 (Bode2 3, 441)

Weimar 1775/76

Alle die Geschichten, von denen Sie dort hieraus gehört und mir auch zum Teil geschrieben, sind nicht wahr, alle grunderlogen. Der Herzog ist ein Jüngling oder junger Mann, der frei und fest in die Welt sieht, voll Güte und Liebe. Goethe ist hier zu sehr edeln Zwecken, und alle Märchen von ihm sind wahre Lobgeschichten seiner, wenn man sie hier höret.

Chr. W. Hufeland, Selbstbiographie (v. Brunn S. 45)

Weimar 1775/76

Goethe zog im Jahre 1776 [1775] in Weimar ein. Dieser junge 27jährige, feurige Herr Doktor – denn so hieß er damals – brachte eine wunderbare Revolution in diesem Orte hervor, der bisher ziemlich philisterhaft gewesen war und nun plötzlich genialisiert wurde. Es war kein Wunder. Man kann sich keinen schöneren Mann vorstellen. Dabei sein lebhafter Geist und seine Kraft, die seltenste Vereinigung geistiger und körperlicher Vollkommenheit, groß, stark und schön; in allen körperlichen Übungen: Reiten, Fechten, Voltigieren, Tanzen war er der erste ... Zu dem allen kam nun noch seine Gunst bei dem jungen Fürsten, der eben die Regierung angetreten hatte, und den er ebenfalls plötzlich aus einer pedantischen, beschränkten, verzärtelnden Hofexistenz ins freie Leben hinausriß, und damit anfing, daß er ihn im Winter eiskalte Bäder nehmen ließ, ihm beständig in freier Luft erhielt und mit ihm in seinem Lande herumreiste, wobei dann überall brav gezecht wurde, wodurch man aber auch genaue Kenntnis des Landes und der Persönlichkeiten erwarb ... Genug, es folgte eine vollständige Umwälzung. Alle jungen Leute legten Goethes Uniform: gelbe Weste und Beinkleider und dunkelblauen Frack an, und spielten junge Werther; die Alten murrten und seufzten. – Alles kam aus seinen Fugen. – Auch so die Erziehungsmethode, die in einem Hause, mit welchem Goethe in genauer Verbindung lebte – dem Stein’schen – und mit dessen Jugend ich auch vereint war, gänzlich ins Geniale umgeschaffen wurde, unter ihres Hofmeisters Kästners Leitung, der ganz in diese Ideen einging.

Wieland an Sophie v. La Roche 19. 9. 1776 (Frankfurter Zeitung 8. 11. 1924)

Weimar 1775/76

Möcht’ es doch möglich seyn, daß Sie selbst kommen und sehen könten, wie es hier in Weimar stehet. Durch Briefe ist unmöglich Ihnen en détail begreiflich zu machen, wie und warum alle Nachrichten, die Ihnen von hießigen Verhältnissen, Personen und Sachen zukommen, Ihr Urtheil immer irre führen werden. Glauben Sie mir inzwischen, bis die Zeit alles ans Licht bringen wird, was ich Ihnen im allgemeinen sagen kann: „Ich bin überzeugt das Göthe auf dem rechten Weege ist – daß er an seinem Platze, alles thut was er kann – daß er in der besonderen Lage unserer Sachen, die gewiß sehr intricat und seltsam ist, recht daran thut nicht das Urtheil der Welt über ihn sondern blos sein Gewissen zur Richtschnur seines thuns und lassens zu machen – daß Er, mit einer Gelassenheit und Seelen Ruhe, die an einem so ungestümen Feuergeist mir und Ihm selbst ein Wunder ist, unaufhörlich würcksam ist, aus den vorliegenden Umständen das möglichste Gute zu ziehen – und daß (sofern nur die Unsichtbare Mächte, auf die am Ende doch alles ankömt, Freude dran haben, den Herzog leben zu lassen) in wenig Jahren gewis keine andre Apologie für Göthen nöthig seyn wird als nach Weimar zu kommen und zu sehen – selbst für diejenigen, die alles nur nach dem Erfolg beurtheilen.“ ... Wiewohl ich, außer aller Connexion mit dem Hofe und der Administration der öffentlichen Geschäften in meinem kleinen häußlichen Zirkel ein harmloses geruhiges Leben führe; so bin ich doch den Hauptpersonen unseres Schauplazes nahe genug, um die Sachen richtig sehen zu können; und selbst meine Liebe zum Herzog und zu Göthen ist zu rein, als daß sie meinen Blick trübe machen könte ...

Das was in dem gegenwärtigen Verhältniß unserer hiesigen Angelegenheiten nicht ist wie mans wünschen möchte, ist Schicksal. Glauben Sie mir dies, bis eine Zeit kommt, wo wir uns mündlich besprechen werden, und wo ich Sie davon werde überzeugen können. Gerade von dem, was in unserer Sache Fatalität ist läßt sich nichts schreiben.

Wieland an Gleim Sept. 1776 (Wieland, Ausgew. Briefe 3, 261)

Weimar 1775/76

Sie, mein Liebster, haben noch einen Pik gegen diesen edlen herrlichen jungen Mann [Goethe], den ich schon lange wie meinen Augapfel liebe. Sie brauchten ihn aber nur etliche Tage in der Nähe zu sehn, so würde er Ihnen fast so lieb werden, als mir. In diesen zehn Monaten, die ich nun mit ihm gelebt habe, ist – ein einziges Mißverständniß ausgenommen, das aber nicht länger als eine Stunde dauerte – (und auch dieß begegnete schon vor mehr als sechs Monaten) kein Augenblick gewesen, wo Göthe und ich nicht in der reinsten Harmonie zusammen existirt hätten. Sein Angesicht zu sehen, ist für mich eine Art von Bedürfniß worden. Wenn er hier ist, sehen wir uns beynahe alle Tage. Alles in meinem Hause, Mutter, Weib und Kinder lieben ihn. Kurz, bester Gleim, so seltsam und unglaublich es der Welt vorkommt, so ist’s nun so und nicht anders. Vor kurzem hat Göthe mein Bild en profil gezeichnet. Es ist wunderbar charakteristisch, und unstreitig das einzige das mir ganz ähnlich sieht. Wirklich wird es dem Medailleur Abramson nach Berlin geschickt, der mich schon lange um mein Bildniß peinigt.

Überhaupt, mein Lieber, glauben Sie von allem Bösen, was die Dame Fama von Weimar, und dem Herzog und Göthen und der ganzen Wirthschaft aus ihrer schändlichen Hintertrompete in die Welt hineinbläßt, kein Wort. Dieß ist das einzige Mittel, nicht betrogen zu werden. Komm und siehe!

Wieland an Merck 7. 10. 1776 (Wagner2 S. 77)

B2 160. N 162b

Weimar 1775/76

Göthe ist bald da bald dort, und wollte Gott, er könnte wie Gott allenthalben seyn! ...

Wenn Göthens Idee statt findet, so wird ... Weimar noch der Berg Ararat, wo die guten Menschen Fuß fassen können, während daß allgemeine Sündflut die übrige Welt bedeckt ...

Freuen Sie Sich nicht auch mit mir und über mich, daß ich Göthen endlich Hand in Hand versprochen habe, keine Noten noch postfacen mehr zu andrer Leute Aufsätzen mehr zu machen.

Wieland an Merck 17. 10. 1776 (Wagner2 S. 81)

B2 161

Weimar 1775/76

Göthe ist immer der nehmliche – immer würksam uns alle glücklich zu machen, oder glücklich zu erhalten – und selbst nur durch Theilnehmung glücklich – Ein großer, edler, herrlicher, verkannter Mensch, eben darum verkannt, weil so wenige fähig sind, sich einen Begriff von einem solchen Menschen zu machen.

*Böttiger, Lit. Zustände 1, 203

Weimar 1775/76

[Nach Wieland 2. 2. 1797] Als der Doctor u. Exadvocat Göthe als Favorit des Herzogs hier eintrat, fand ihn auch die verwitwete Herzogin äuserst liebenswürdig und witzig. Seine Geniestreiche u. Feuerwerke spielte er nirgends ungescheute[r], als bei ihr. Er hat ihr sehr mit Undank gelohnt. – Alle Welt mußt[e] damals im Wertherfrack gehn, in welchem sich auch der Herzog kleidete, und wer sich keinen schaffen konnte, dem ließ der Herzog einen machen. Nur Wielanden nahm der H[erzog] selbst aus, weil er zu alt zu diesen Mummereien wäre. Damals war noch ein Hof in Weimar. Nur Görz hielt es mit der regierenden Herzogin. Sonst zog die verwitwete alles an sich. Oft stellt[e] sich der Herzog mit Göthe stundenlang auf dem Markt und knallte mit ihm um die Wette mit eine[r] abscheulich großen Parforcekarbatsche. Nieman[d] kann diese Periode besser beschreiben, als Bertuch, der dabei abscheulich mystificirt und einmal so geärgert wurde, daß er bald an einem Gallenfieber gestorben wäre.

*Böttiger, Lit. Zustände 1, 254

Weimar 1775/76

Nicht lange, nachdem Göthe in unsern Kreis hier getreten war, wurde in einer Gesellschaft beim Herzog mit äuserster Verächtlichkeit von Ramlers Talent gesprochen. Ich [Wieland] nahm mich des Verlästerten nachdrücklich an. Nun citirte man die Oden: Der du den blutenden Cäsar (n. 12) und Liebe, die du (n. 37) und lachte über diese lächerliche Partikelvermählung. Ich vertheidigte frischweg, was mir doch selbst fatal war. Nun beschloß man mir den Anfang der letzten Ode so lange vorzusingen, bis es mein Ohr nicht länger aushalten könnte. Wirklich machten nun auch die sämmtlichen Anwesenden eine Art von Kanon daraus, und so dauerte es einige Stunden wobei ich aber wacker aushielt, und meine Voraussagung erfüllte: daß eher ihre Kehlen heiser, als meine Geduld müde werden würde.

F. D. Gräter (Diezmann3 S. 34)

B2 165

Weimar 1775/76

Dem ihn zwanzig Jahre später besuchenden Gräter erzählte Wieland, es sei wahrhaft bewundernswürdig gewesen, wie Goethe’s Genie sich damals bei jeder Gelegenheit offenbart habe. Er habe nicht nur die schönsten Gedichte, sondern ganze Dramen improvisirt. Namentlich erinnere er sich, wie sie eines Tages davon gesprochen, welch herrliches Stück Cäsar geben könne. Goethe habe sofort angefangen, die Personen zu charakterisiren und eine Scene des Stücks nach der andern vom Anfange bis zu Ende des Dramas vorgetragen. Wenn man die Stücke, die er so improvisirt, hätte aufschreiben können, würde die Welt einige erhalten haben, die noch bewundernswürdiger wären, als seine bekannten.

Falk, Notizbuch S. 950

Weimar 1775/76

Er declamirte oft Wieland so vom ganzen Julius Cäsar her, den er machen wollte, dass Wieland ausser sich war. Er hätte seinen Tasso [?] drum gegeben, wenn es nur so niedergeschrieben war.

Falk, Goethe S. 125

Weimar 1775/76

Die angehende Regierung des Herzogs von Weimar war eine herrliche Zeit für Weimar und ganz Deutschland. Alle Genies aus Osten und Westen strömten zu dem neuen Musensitze herbei und glaubten sämmtlich, dort gleich Goethe, Herder und Wieland eine Freistatt zu finden. Bertuch, der Vater, der damals Schatzmeister beim Herzoge war, sprach später mit Vergnügen von einer eigenen Rubrik in seinen Rechnungen, die er damals besonders anlegen mußte, und die fast nichts als Hosen, Westen, Strümpfe, und Schuhe für deutsche Genies enthielt, welche, schlecht mit diesen Artikeln versehen, zu Weimars Thoren einwanderten. Die Jugend des Herzogs und Goethe’s Muthwille wußten sich aus diesen Umständen gar manche ergetzliche Auftritte zu bereiten.

Böttiger (LB Dresden Ms. 35491)

Weimar 1775/76

Göthe boxte sich gewöhnlich bei Landparthien mit dem Kammerherr v. Einsiedel manchmal so ernstlich, daß Blut darnach floß.

Der Rugantino in Göthes Claudina von Villa Bella ist das Original, das Göthe damals spielte.

Oft setzt sich Göthe mit Einsiedeln grade unter den Tisch, wo gedeckt war, auf den Boden und spielte paschen mit ihm in Würfeln. Einsiedel hatte beständig ein paar Würfel in der Westentasche, u. wo sie ankamen, wurden diese sogleich hervorgehohlt, u. zum großen Erstaunen der Amtleute u. Pächter [?], die mit dem Huth in der Hand die Minister des Herzogs bewillkommten, auf der Treppe oder auf dem Stein vor der Thüre sogleich exercirt.

*Böttiger, Lit. Zustände 1, 221

B2 136

Weimar 1775/76

[Nach Wieland 15. 7. 1798] Als Göthe zuerst nach Weimar gekommen war, bat er sich oft selbst bei Wielanden Abends zu Gaste. Denn der Herzog, mit welchem Göthe alle Mittage aß, speißt[e] Abends nur selten, auser wenn er alle seine Umgebung mit Bratwürsten tractirte, die in unendlicher Menge gemacht werden mußten. Damals war das Wort unendlich überall wiederkehrendes Stichwort. Wenn Göthe Abends bei Wielands essen wollte, so schickte er seine[n] Bedienten (der beiläufig in allem seinen Meister nachahmt, so gieng, den Kopf schüttelte, sprach u.s.w.) vorher ins Haus, und ließ sich eine unendliche Schüssel unendlicher Borstorferäpfel (gedämpft) ausbitten. Trat er ins Haus so nahm er jedes der Kinde[r] bei[m] Kopf, und gab ihnen komische Nahmen, schüttelte, hob sie auf die Arme u.s.w.

Falk, Notizbuch S. 955

Weimar 1775/76

Oft noch um 11 Uhr bekam Bertuch ein Billet, er sollte Morgen da oder dorthin oder dahin im Wald und Haide einen bepackten Küchenwagen schicken mit Speisen und Essen – Die Köche wurden noch um 12 Uhr aus dem Schlaf gepocht und alsden Essen bereitet. Auch von B. wurde so spät der Keller beschickt.

  Uns ist so kannibalisch wohl   Wie 2 Mahl hundert Säuen   Die sich bey Sauerkraut und Kohl   In süßer Wonne freuen.

Der Herzog mag an diese Zeiten nicht erinnert seyn Göthe noch weniger. Goethens Bediente Philipp (Et ..... e) kam oft zu Wieland und sagte: ein Compliment von dem Herrn Doctor sie möchten sich heut Abend auf unendlich viel Borstorfer Aepfel richten.

Falk, Notizbuch S. 944

Weimar 1775/76

Der Herzog hielt blose Krankenkost Diät – Kam herauf, da er singen hörte: man ist ganz canibalisch wohl, wie 1200 Saüen, die sich bey Erbsen Sauerkohl in süßer Wonne freuen – Er schüttete darauf selbst, als man sagte, daß der Wein alle sey und die Bedienten die Champagnerhändler nicht mehr herausklopfen könnten, alle Neigen zusammen und wurde auf der Stelle sterbenskrank. Alle wollten sich nun fortschleichen. Göthe aber setzte einen Trumpf darauf: ein Schurke, der nicht dableibt!

Falk, Notizbuch S. 947

Weimar 1775/76

Oft war ein Mahl auf 10 vorgericht: Der Herzog brachte noch 12 mit. Es muste angericht werden – Bertuch machte dagegen oft Vorstellungen: umsonst. Ein andermal entzweihte sich der Kammerherr von Einsiedel mit einem andern vom Hofe über Tisch – Er stand auf (Einsiedel) riss das Tischtuch mit allen Speisen und Weinen vom Tisch, und die Bouteillen wurden ihm von Göthe und den andern nachgeworfen – Alles das that Göthe kalt aus Plan, nicht aus Liebe zur Sache, sondern aus Ide den Herzog zu einem Naturmenschen zu machen.

Falk, Notizbuch S. 951

Weimar 1775/76

Der Herzog sollte also ein Naturmensch werden und aus dem peinlichen [?] Hof- und Philisterleben herausgerissen werden. Man grub sich die Kartoffeln aus der Erd, man kochte sie bey Reisig im Walde, schlief bey Mädchen im Walde, und machte Inschriften, an den Bäumen, wovon sich noch heut nach 25 Jahren in den Tanstämmen die Spuren finden.

Falk, Notizbuch S. 954

Weimar 1775/76

In Ilmenau badeten sie sich, umtanzten nackt zu 9 bis 10 der Herzog an der Spitze einen Pfarrer oder Madchen der vorbey ging, indem sie aus dem Wasser sprangen – Einen Glasmann gaben sie Senf und Fischbrühe zu essen – Göthe nahm ihm die Peruke ab – schor ihm mit einer Scheer sein Haar ab – Nachher liessen [?] sie ihn unter die Plumpe lauffen, und hätten ihn beynah ersäuft, bis Bertuch sich in’s Mittel schlug – Wenn die Canaille auch umkömt – solche Canaillen sind genug in der Welt.

Müller, Tagebuch 19. 4. 1819 (Grumach S. 34)

B2 1873

Weimar 1775/76

Anecdoten von Goethes früherm Leben in Ilmenau. Tolle Späße mit dem Glasmann Glaser, der durch alle 4 Elemente von Goethe geängstet und für sein Handbieten zu vorheriger nächtlicher Perturbation bestraft wird. Einsiedels gottloses Wegziehen des Tischtuches mit allen Abendspeisen und Flucht darnach. Sobald die Sonne kam war Gottesfriede, Niemand durfte sich mehr am andern rächen.

G. Parthey (Parthey S. 50)

Weimar 1775/76

Mittags [27. 8. 1827] war ich bei Knebels ... Unbegränzt war seine Verehrung für Goethe; er gab zu, daß sie beide in ihrer Jugend manchen wilden Streich in Gesellschaft des Herzogs ausgeführt, doch mußte er anerkennen, daß Goethe bei allen Extravaganzen immer das Princip der Besonnenheit und Mäßigung festgehalten.

Von welcher Art diese genialen Gebahrungen gewesen, mag man aus folgenden Vorgängen abnehmen. Bei den Jagdzügen im tiefen Gebirge, wo die Nächte oft in kleinen abgelegenen Schänken und Köhlerhütten, nicht selten unter freiem Himmel zugebracht wurden, war es ein Hauptgrundsatz dieser fürstlichen Jagdgesellschaft, sich untereinander allen nur möglichen Schabernack anzuthun. Die Jäger übernachteten einst in einer einsamen Waldmühle, und mußten sich mit den Betten behelfen, wie es eben gehen wollte. Es war ausgemacht, daß man am andern Morgen früh aufbrechen werde, und wer nicht zur bestimmten Stunde auf dem Platze sei, der verfalle in eine strenge Buße. Goethes Bett füllte den hinteren Raum eines tiefen Alkovens, der keinen andern Zugang hatte. Als er sich dahin zurückgezogen, beriethen die andern, den Herzog an der Spitze, was man wohl thun könne, um Goethe die bestimmte Stunde des Aufbruchs versäumen zu machen. Der Müller, mit in das Komplott gezogen, gab einen Rath, den man auch am Morgen befolgte. Als Goethe aufstehn wollte, traten 2 Genossen in den Alkoven, und schütteten zu den Füßen des Bettes und bis an den Eingang hin einen großen Korb mit Glas- und Thonscherben aus. Es war unmöglich darüber wegzukommen, und ehe eine Brücke über diesen „gläsernen Sumpf“ geschlagen werden konnte, war die bestimmte Stunde versäumt. Beim Frühstück vertraute der Herzog Goethen, wer den arglistigen Rath gegeben. Der Müller erhielt nun den Beinamen Ahitophel, und es ward im Rathe der Götter beschlossen, daß er zur Strafe durch Feuer und Wasser gehn solle. Man zwang ihn, halb im Ernst und halb im Scherz, durch eine hohe, im Walde angemachte Reisigflamme nackt durchzuspringen, und begoß ihn dann mit einigen Eimern Wasser.

E. Zellweker nach Anonymus in Reichenberger Zeitung 1897, Nr. 163 (Zellweker S. 27)

Weimar 1775/76

In der „tollen“ Zeit kamen Karl August und Goethe spät abends zu einer Bauernfrau und während diese Milch holte, praktizierten sie den Kater ins Butterfaß. – Um den Schaden gutzumachen, gab Karl August bei abermaliger Anwesenheit der Bäuerin ein Goldstück. Die ehrliche Alte machte große Augen, als der Jägersmann ihr ein Goldstück bot. Hatte sie doch noch immer keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hatte. Dann strich sie das Geld schmunzelnd ein, blinzelte mit den Augen und sagte mit geheimnisvoller Vertraulichkeit: „Die Butter ist an den Hof nach Weimar gekommen, da freten sie alles.“

Einen Augenblick standen die beiden wie erstarrt da. Dann brach der Herzog Karl August in ein herzhaftes Gelächter aus. Goethe aber sprach mit Pathos nur das eine Wort: „Nemesis.“

J. G. Zimmermann, Versuch in anmuthigen und lehrreichen Erzählungen S. 58

Weimar 1775/76

Kalt badete sich Göthe in Weimar, mitten im Winter, unter freyem Himmel; und als ihm einst dabey, in seiner Nacktheit, eine Colik befiel und er kein trocknes Hemd hatte, zog der gute Wieland bey der fürchterlichsten Kälte sein Hemd aus, gab es Göthen hin, und gieng mit ihm, eine Stunde weit, ohne Hemd wieder nach Weimar zurück.

J. H. Voß an Ernestine Boie 14. 7. 1776 (Herbst 1, 300)

Weimar 1775/76

In Weimar wäre ohnehin nichts mit des Grafen [F. L. zu Stolberg] Beförderung gewesen. Es geht da erschrecklich zu. Der Herzog läuft mit Göthen wie ein wilder Pursche auf den Dörfern herum, er besäuft sich, und geniesset brüderlich einerlei Mädchen mit ihm.

v. Byern an Knebel 8. 12. 1776 (Düntzer5 1, 62)

Weimar 1775/76

In Berlin hatte ich unter andern einen Discurs mit Himburg, der mir versicherte Goethe und sein Busenfreund, der Herzog, führten das ausschweifendste Leben von der Welt; wir würden auch wohl nichts mehr von ihm zu hoffen haben, weil er sich den ganzen Tag in Branntwein besöffe. Doctor Faust sei zwar fertig, Lessing warte nur darauf, um seinen Faust auch herauszugeben.

J. J. Bodmer an Schinz 25. 8. 1777 (GJb 5, 207)

Weimar 1775/76

Wir haben von Wagner, der vor einem paar Jahren hier gewesen, dass Göthe des Herzogs von Weimar Premierminister ist, und zuweilen mit ihm durch die Gassen des Nachts läuft. Sie sollen einer ehrbaren Frau die Kleider über den Kopf gebunden haben.

K. v. Stein, Goethe (Wahl2 S. 2)

B2 166a

Weimar 1775/76

Zu jener Zeit kam der Herzog und sein Bruder, so auch ein Major von Knebel (der Gouverneur und Gesellschaffter des Prinz Constantin), dann ein Herr von Wedel und Herr von Einsiedel offt in meiner Eltern Haus und auch nach meines Vaters Gut Groß-Kochberg. Göthe hielt sich viel zu dieser Gesellschafft, und da der junge Herzog etwas Burschikos lebte, unzertrennlich mit Göthe war, auch einmal mit dem Pferde stürzte, so gab es viele, welche den Einfluß des jungen Göthe auf den jungen Herzog für sehr nachtheilig hielten. Zu dieser Misbilligung gehörte auch unter andern das Schlittschuhlaufen, ein vorher nur bey den untern Ständen der Stadt gebräuchliches Vergnügen. Auf Göthens Veranlaßung wurde hierzu ein Teich im sogenannten Baumgarten (eine damals herzogliche, später von Bertuch acquirierte Besitzung) erwählt. Es wurde ein transportabel Bretterhäusgen mit einem Windofen ans Ufer gebauet, mehrere Schlittenstühle angeschafft, Damen auf dem Eise spatzieren zu fahren. Die Herzoginnen kamen mit ihren Damen hinaus, und viele Herren, selbst Damen, lerneten Schlittschuh laufen. Göthens Bedienter (er hieß Seidel) ertheilte Unterricht. Dieser Diener zeichnete sich durch seinen Gang aus, den er seinem Herrn nachmachte, und was ihm umsomehr glückte, da sie ganz von einerley Größe, gerade gewachsen, etwas derbe Beine hatten, und beym gehen den Theil des Körpers, worauf man sitzt, einzogen, dagegen den Unterleib etwas vorstreckten ... Durch Göthen kamen gymnastische Übungen in Schwung, woran man früher in höheren Zirkeln nicht anders gedacht hatte als an unschickliche Beschäfftigungen. Wir lernten also auch auf Stelzen gehen, Baden, Schwimmen, ja der Herzog ließ sogar mir und meinen jüngeren Brüdern in unserem damaligen Hofe (wo jetzt der freye Platz für die Griechische Kirche ist) ein Seil zum Seiltanzen aufspannen, etwa 5 Fuß hoch von der Erde ... Von der jungen Gesellschaft war Göthe gewissermaßen die Seele, und durch ihn entstanden eine Menge Dinge, woran man vorher nicht gedacht hatte ... Die gesellschafftliche Bildung nahm auch einen interessanteren Ton an durch gesellige Spiele, auch Schauspiele, und auf meiner Eltern Gute Kochberg, wo die öfftere Anwesenheit Göthens (die er zuweilen in einem im Wohnhause noch befindlichen Schreibtische mit dem Datum aufzeichnete), desgleichen Knebels, des Herzogs, des Prinz Constantin, des Doctor Lenz, des Herrn v. Schardt, der Frau v. Schardt-Bernstorff, der Fräulein von Ilten, Fräulein Kalb, und einer Mehrzahl von Herren und Damen, im Herbste viel fröhliche Gemüter vereinte, lebte man sehr vergnügt.

Göthe hatte ein besonderes Talent, angenehme Erzählungen zu machen, was er in späteren Jahren noch mehr cultivierte. An Kartenspielen wurde nie gedacht. Er kaufte sich bald an, nemlich einen Garten nebst bewohnbaren Gartenhaus an dem Fahrweg über die Wiesen nach Oberweimar führend, gelegen. Da er aber keine Wirtschafft hatte, so aß er gewöhnlich in meiner Eltern Hause mit meiner Mutter, Hoffmeister Kästner, meinen Brüdern und mir. Mein Vater aß gewöhnlich am Hoff. Seinen Wein brachte er stets mit, nach welchen er selbst in seiner Ausdünstung etwas wie alter Rheinwein roch ... Ich war sehr eingenommen von Göthen, woran wohl hauptsächlich das bewundernde Urtheil meines Hoffmeisters über ihn schuld seyn mochte, und dann das unterhaltende gesellige Wesen Göthens, gegen mich und meine Brüder, der uns mit in sein neu Gartenhaus nahm, wo wir Eierkuchen buken, was er mir lehrte in der neuen Küche. Auch schenkte er mir den ersten Degen (es war ein hübscher Stahldegen) und die erste goldene Uhr, die er mir am grünen Donnerstag im welschen Garten statt eines rothen Eies finden ließ. Mein Vater war aber nicht damit zufrieden, ich mußte sie ihm zurückgeben ... Mein Wohlwollen gegen diesen Hausfreund verkehrte sich aber plötzlich in einen lange anhaltenden Haß. Die Ursache war folgende. Er stand im Eßsaal und perorierte vor dem Camin und hatte beide Rockschöße aufgenommen, um sie nicht zu verbrennen, oder sich beßer zu wärmen. Da er neben mir etwas seitwärts stand, um die Gesellschafft neben dem Camin beßer anzusehen, und ich dadurch gewißermaßen hinter ihn, so ergriff ich leise den Blasebalg, steckte ihn unvermerkt in die hinten gewöhnlich befindliche Öffnung unter der Hosenschnalle, und begrüßte ihn mit einem unverhofften Windstos.

Seine Rede wurde dadurch unterbrochen. Dieß machte ihn sehr böse, und er fuhr mich nicht nur gewaltig an, sondern drohte mir sogar mit Schlägen, wenn das wieder geschähe. Ich wär als Junge von etwa 11 Jahren zu schwach gewesen, mich gegen ihn, der wenigstens 27 Jahre alt war, zu wehren, fand mich aber durch diese Drohung entsetzlich beleidigt, und sah es für eine Ehrensache an, die ich nicht ordentlich ausgemacht und bestanden hätte. Unglückseeligerweise wußte ich keine paßende Antwort und glaubte also alles Unrecht auf seiner Seite, hielt ihn für einen Grobian und fürchtete mich doch, es ihm zu sagen. Die Bemerkungen eines Jungen von 10–12 Jahren über einen jungen Mann von 26 bis 28 sind sehr verschieden von denen, die man über denselben jungen Mann macht, wenn man 68–70 Jahre alt ist. Was mir jetzt jugendlich und lieblich vorkommt, kam mir damals als alt und sonderbar vor. So z. B., daß Göthe sich anzog wie Werther in seinen Werthers Leiden, nemlich blau mit gelber Weste und lederner Hose. Doch enthusiasmierte er mich für Tugenden, Ritterliche Brafheit, und zur Theilnahme an unterdrückter Unschuld. Von ihm bekam ich den gehörnten Siegfried, die 4 Kinder Heimon, die Heilige Genovefa, die Schöne Melusine, den Kaiser Oktavian und laß sie mit Entzücken immer wieder, ja ich vergos selbst Thrähnen darüber trotz des schrecklichen Styls, worinn diese Volksmärchen geschrieben sind. Sein Gartenhaus mit dem Schindeldach und dem großen Balcon, den er sich daran gebauet hatte, der so breit war, wie das ganze Haus, und auf den zwey Thüren führten, gefiel mir ausnehmend, und in das Bild der Cenci, welches in dem einen Zimmer hieng, verliebte ich mich so, daß ich es offt mit Thrähnen ansah. Der Einfluß, den aber Göthe damals auf das Gesellige hatte, war so widersprechend würkend, daß die fröhliche jugendliche Sorgenlosigkeit bey mir ganz verlohren gieng.

K. v. Lyncker, Am Weimar. Hofe S. 48

Weimar 1775/76

Ein andermal traf ich den guten Doktor, wie wir ihn damals noch nannten, wiederum in der Steinschen Wohnung; sie befand sich jedoch dermalen da, wo jetzt die Gräfin Henckel wohnt. Er sprang mit uns auf dem Hofe herum und grub mich zuletzt bis an den Kopf in einem Sandhaufen ein, um mir, wie er sagte, Geduld zu lehren, indem hierdurch natürlich jede Bewegung mit irgend einem Gliede unmöglich gemacht war. Der Sand mochte wohl feucht gewesen sein, denn ich fühlte mich mehrere Tage darauf sehr unwohl, und meine Eltern verfehlten darum nicht zu bemerken, wie sonderbare Streiche der anerkannte Favorit des Herzogs unternähme und wohl fernerhin unternehmen würde. Auch hatte uns Goethe auf dem Platze vor dem Steinschen Hause ein Seil aufspannen lassen, auf welchem wir mit der gewöhnlichen Balanzierstange gehn und mit der Zeit tanzen lernten.

Biographische Einzelnheiten. Kotzebue (WA I 36, 281)

Weimar 1775/76

Ich denke mir ihn [Kotzebue] gern als Weimaraner und freue mich, daß er der mir so werthen Stadt das Verdienst nicht rauben kann, sein Geburtsort gewesen zu sein; ich denke mir ihn gern als schönen muntern Knaben, der in meinem Garten Sprenkel stellte und mich durch seine jugendliche freie Thätigkeit sehr oft ergötzte.

A. v. Kotzebue (Zeitung f. d. elegante Welt 1803 Sp. 1245)

Weimar 1775/76

Indessen war dieser geistreiche Mann in meinem Knabenalter doch immer sehr gütig gegen mich. Er erlaubte mir, in seinem Garten Vögel in Schlingen zu fangen, denn ich war damals schon ein leidenschaftlicher Jäger. Wenn ich nun des Morgens um sechs Uhr, auch wohl noch früher, hinauswanderte um zu sehen, ob ich einen Krammsvogel oder ein Rothkelgen erbeutet hätte, so kam er oft zu mir herab, unterhielt sich freundlich mit mir, und das munterte mich auf zum Fleiße. Er hat das vermuthlich schon längst vergessen, ich aber werde es nie vergessen; denn jedes seiner Worte war mir höchst merkwürdig und machte einen tiefern Eindruck auf mich, als die schulgerechten Ermahnungen meines Konrektors.

A. v. Kotzebue (Zeitung f. d. elegante Welt 1803 Sp. 1245)

Weimar 1775/76

Als ich noch ein junger Mensch war, besuchte Göthe oft unser Haus ... er hörte von meinem Lustspiel [Ende gut, Alles gut], und war so herablassend, oder so höflich, sich das Ding zum Durchsehen auszubitten. Er machte meiner Mutter durch diesen Wunsch eine große Freude, und das war auch wohl seine Absicht. Ich habe nachher nichts wieder davon gehört oder gesehn, würde es ihm auch sehr verargen, wenn er seine Zeit damit verdorben hätte.

A. Oehlenschläger, Meine Lebens-Erinnerungen 2, 231

Weimar 1775/76

Als er nach Weimar kam, spielte er einmal Sprüchwörter in einer Gesellschaft. Er bat um die Erlaubniß, mit Wieland (der sich wahrscheinlich ein Air über ihn gab) ein Sprüchwort aufführen zu dürfen, zeichnete mit Kreide auf eine spanische Wand einen Berg, trat dahinter, bat Wieland zu rathen, und da dieser es nicht konnte, trat Göthe hervor, verbeugte sich und sagte: „Mein Herr Hofrath! hinter dem Berge sind auch Leute!“

Bettina v. Arnim an H. L. H. Fürst v. Pückler-Muskau 23. 3. 1834 (Oehlke 7, 436)

Weimar 1775/76

Hier schenke ich Ihnen auch eine Anekdote: Goethe geht mit dem Herzog auf die Jagd. Der Herzog fragt: „Willst du mir nicht meine Flinte tragen, ich bin so müde?“ – Goethe ist selber müde und will ihm die Flinte nicht tragen; ein Weilchen drauf sagt Goethe zum Herzog: „Trage mir doch einen Augenblick meine Flinte, ich komme gleich wieder;“ er geht ins Gebüsch, der Herzog wartet, aber Goethe kommt nicht zurück; so muß sich der Herzog entschließen, beide Flinten zu tragen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0812 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0812.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 472 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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