BuG: BuG I, A 309
Ems 15. 7. 1774

Dichtung und Wahrheit XIV (WA I 28, 275)

Ems 15. 7. 1774

Eine so herrliche Gelegenheit mich, wo nicht aufzuklären, doch gewiß zu üben, konnte ich nicht kurz vorübergehen lassen. Ich vermochte Vater und Freunde, die nothwendigsten Geschäfte zu übernehmen, und fuhr nun, Basedow begleitend, abermals von Frankfurt ab ... Auch er [Lavater] schien sich zu freuen, als er mich wieder sah, vertraute mir manches bisher Erfahrne, besonders was sich auf den verschiedenen Charakter der Mitgäste bezog, unter denen er sich schon viele Freunde und Anhänger zu verschaffen gewußt. Nun fand ich selbst manchen alten Bekannten, und an denen die ich in Jahren nicht gesehn, fing ich an die Bemerkung zu machen, die uns in der Jugend lange verborgen bleibt, daß die Männer altern, und die Frauen sich verändern.

Lavater, Tagebuch 15. 7. 1774 (SchrGG 16, 297)

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Ems 15. 7. 1774

Nach dem Bade Goethe da – – – – von Basedow und der Reise – Fraülein von Greifenklau ließ sich von Schmoll abzeichnen. Die Gräfin von Ostein und Meyer da. Zeichnungen besehen. von Wäkfield, englischem Don Quixote Spectateür. – Kayser, seinem Porträt – dem Deserteur, dem Philidor, nichts als Musikant und Schachspieler. Verfertigte einen Türken, der mit jedermann Schach spielte und gewann. Deinet von Bek Instruktor des Patiani und des Kaysers.

Um 12 uhr die Gräfin von Kreifenklau am Arm ins Darmstädterhaus erst begleitet – dann zum Eßen neben Goethe. Von Herder; [zwanzig Chiffern] von Leüten in Schwalbach, ihrem Urtheil über mich; seinem ewigen Juden – Basedows Einfalt und Stärke. Paßavant. Herrlichs Briefchen von Lenze an Goethen. etc. ...

Graf Padiani sahe mich durch und durch an. – Nachm Eßen etwas Tagebuch. Frau v. Stein 12 bouteills Wein. Billiet an Sie. 30 carlins von Bethmann durch Goethe empfangen. – Nach dem Eßen Herr Fischer und Frau. – Goethe gab mir ein griechisch Testamentchen ... Ging in die Allee und las im Werther, konnte nicht aufhören. Es regnete. Ich ging zu Meyern bey dem Goethe war. von da flüchtet’ ich mich wieder, stahl mich in der Allee von ihnen, und las im Werther – Regen wieder. in Saal – und las im Werther – dann in unser Haus, und las im Werther – dann zu Basedow, und er las uns einen herrlichen Aufsatz von Goethe über das, was man ist. Leßing ist nichts und alles was er seyn will ... Ob dem Nachteßen von dem Verfaßer des Lebens Jesu [Johann Jakob Heß] –

Goethe neben mir; von – ich weiß nicht mehr. Zu Herr und Frau Meyer Abschied zu nehmen gingen wir vom Tisch. Sie waren eben von der Tafel im Darmstädterhaus aufgestanden. Die armen Weibchen näherten sich mir, und Herr von Gemmingen scherzte drüber: Man sehe mich immer nahe bey den Damen.

Goethe machte noch ein paar Silhouetten. Ostein bat um meine. Ich ging heim zu Basedow und blieb, so wahr ich lebe, wider des Nachkommenden Goethes Rath wieder bis Nacht um 1 uhr bey ihm ... Was wir da zusammen sprachen und schwazten. von Heinrich Heß; Jacob Heß; Glaubenslehre. Geist. Testament. Gal. III. lasen wir in Goethes Gegenwart. Basedow schwache Reflexionen drüber ...

Dillenburger Intelligenznachrichten 15. 7. 1774 (JbGG 9, 156)

Ems 15. 7. 1774

Dr. Goeddée aus Frankfurt [logiert im oranisch-nassauischen Badehause].

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0309 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0309.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 268 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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