BuG: BuG II, A 1012
Ilmenau - Ostheim 9. 9. 1780

An Charlotte v. Stein 9. 9. 1780 (WA IV 4, 286)

Ilmenau 9. 9. 1780

Heut früh haben wir [in Ilmenau] alle Mörder, Diebe und Hehler vorführen lassen und sie alle gefragt und konfrontirt. Ich wollte anfangs nicht mit, denn ich fliehe das Unreine – es ist ein gros Studium der Menschheit und der Phisiognomick, wo man gern die Hand auf den Mund legt und Gott die Ehre giebt ... Ein Sohn der sich selbst und seinen Vater des Mords mit allen Umständen beschuldigt. Ein Vater der dem Sohn ins Gesicht alles wegläugnet. Ein Mann der im Elende der Hungersnoth seine Frau neben sich in der Scheune sterben sieht, und weil sie niemand begraben will sie selbst einscharren muss, dem dieser Jammer iezt noch aufgerechnet wird, als wenn er sie wohl könnte ermordet haben, weil andrer Anzeigen wegen er verdächtig ist. pp.

Hernach bin ich wieder auf die Berge gegangen, wir haben gegessen, mit Raubvögeln gespielt und hab immer schreiben wollen ... Doch wollt ich dass ein lang Gespräch mit dem Herzog für Sie aufgeschrieben wäre, bey Veranlassung der Delinquenten, über den Werth und Unwerth menschlicher Thaten. Abends sezte Stein sich zu mir und unterhielt mich hübsch von alten Geschichten, von der Hofmiseria, von Kindern und Frauen pp.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_1012 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_1012.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 262 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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