BuG: BuG II, A 776
Schaffhausen 7. 12. 1779

Carl August an Herzogin Luise 12. 12. 1779 (JbGG 11, 126)

Schaffhausen 7. 12. 1779

Wir brachten ... den andern [Tag mit Lavater] wieder beym Rheinfalle zu. Es war trübes Wetter, der Rheinfall aber drum nicht geringer, sondern, in der Trübheit des Wetters, fast noch imposanter. Diesen Abend brachten wir beym Imthurn zu.

An Charlotte v. Stein 7. 12. 1779 (WA IV 4, 153)

Schaffhausen 7. 12. 1779

Wir haben heut zusammen [mit Lavater] den Rheinfall wieder doch bey trüben Wetter gesehen, und immer glaubt man er wäre stärcker als gestern. Wir haben einen starcken Dialog übers Erhabne geführt den ich auch aufzuschreiben schuldig bleiben werde. Es ist mit Lavater wie mit dem Rheinfall man glaubt auch man habe ihn nie so gesehen wenn man ihn wiedersieht, er ist die Blüte der Menschheit, das Beste vom besten.

Carl August an Knebel 7. 7. 1780 (Düntzer11 S. 15)

B2 202a

Schaffhausen 7. 12. 1779

Mich freuts sehr, daß das gütige Schicksal dich an des Vater Rheins große Epopée geführt hat. Im Fischhause hielt Goethe und Lavater ein traité du soblime, das nicht gering war.

Lavater, Pontius Pilatus 4, 96

Schaffhausen 7. 12. 1779

Was macht den Rheinfall erhaben?

Nicht bloß der Regenbogen – der macht ihn allenfahls schön

Nicht bloß die blendende Weisse seines brausenden Schaumes. Dadurch wird er prächtig. Nicht bloß das erstaunliche Wällengerege, das volle Gedränge von grossen Massen und Bewegungen; – Das macht ihn groß. Der Nebel, der Dampf, der ihn wie vereinfacht, ihn unbestimmbar macht – Die unermeßliche Summe von Kräften und Bewegungen sinnlich vereinigt und darstellt – Der zerstäubende Schaum giebt ihm das Ansehn von Erhabenheit.

Lavater an Goethe 12. 1. 1780 (SchrGG 16, 95)

Schaffhausen 7. 12. 1779

Zu unserm Gespräche vom Erhabnen, hätt’ ich einige Schlußsteine; ich erwarte den Bogen von dir.

Apropos eine Anekdote – die am Tag Eürer Abreise von Schaffhausen, in Schaffhausen erzählt ward –

Goethe u. Lavater standen unten am Rheinfall. Goethe behauptete der Rheinfall sey in Bewegung – Lavater, er stehe still – Nachdem sie eine Stunde darüber gezankt – habe L. damit geendet. „Goethe, du trinkst zuviel Wein, drum scheint’s dir, der Rheinfall sey in Bewegung“ – und G. damit „und du zuviel Waßer, drum scheint’s dir, er stehe still –“

Ein psychologisches Problem, wie diese Anekdote aus unserm, unter dem Donner des Rheinfalls gehaltnen Gespräch sich herausspinnen konnte.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_0776 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_0776.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 206 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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