Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 129
Von Johann Friedrich Krafft

nach 11. November 1780, Ilmenau

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    Noch einige Anmerckungen
    Zu diesen Excerptis.


Das wäre dann alles, was ich aus dem Lebenslauf, den Diario , denen Collectaneis, zusammen-
bringen können. Die Collectanea, da sie aus so vielen Autoribus excerpirt sind, sind sehr
mager.


Ich habe es schon gesagt, daß aus denen Gothischen Brief Bänden, noch vieles wird erläutert,
erweitert, aufgeklärt, umgeändert, werden müssen. Daher müssen aber erst alle tomi
excerpirt seyn, weil wohl in iedem was stehen mag, daß erst unter seine Jahre, wohin es gehört,
muß gebracht werden, ehe man wieder aus allen zusammen, einen neuen volständigen Aus-
zug machen kan.


Das Diarium war das Beste. Es schildert am volkommensten, den Herzog als Krieger.
Ich habe es nicht zu sparsahm excerpirt, weil manchen Militair wird mit gedient seyn,alles
ausführlich zu wissen.


Um den Styl habe ich mich ietzo nicht bekümmert, da alles noch muß umgearbeitet werden.
Dann, ihm classisch zu machen, müssen alle Lateinische und französche Endigungen und
Wörter heraus geschmissen und es rein deutsch werden.


Von der Seite der Unterhandlungen ist der Herzog hier noch gar nicht kenbahr. Dies
muß durch die handschrifftℓ. Briefe, und die Mem. de Richelieu, de pere Joseph pp.
geschehen. Letztere habe ich nicht, ohngeachtet ihren es sehr nötig wäre, sie zu excerpiren.
Was in den Collectaneis p. 59. von Unterhandlungen mit den kayserℓ. Hoff, und
    von Verhandlung eines allgemeinen Friedens steht, muß aus den dort
    angeführten Cyprian – ausgezogen und an seinen orth eingeschaltet
    werden. Das Schreiben wegen des Friedens steht auch in den Gothischen Manuscripten
    so wie sein Testament, (welches wohl gantz anzuhengen ist) auch dort
    vorkommen wird.


Da die Übermacht des Herzogs über Oxenstirn und Richelieu in Unterhandlungen
soll gezeigt werden, so muß wohl dazu, aus denen handschrifftℓ Briefen und
denen Mem. de Rich: de pere Joseph p erst Stof sich finden. Denn bis ietzo ist nichts
sichtbahr. Man solte vielmehr aus den von Guebriant angeführten schliessen, | 2 |
daß der Hertzog gar keinen Plan gehabt, welches ich doch nicht glauben kan, da wie Gue-
briant selbst sagt, es wäre ihm durch den Beauregard ein sehr wohl ausgedachter
Plan des Hertzogs vorgelegt worden. Diesen aufzufinden muß man suchen.
Bernhard war allerdings Frck sehr satt. Dies suchte ihm zu hindern wo es
konte, nur zu seinen Absichten zu brauchen, warf ihm doch Guebriant aus
französchen Stoltz vor. er stünde gantz mit seinen Leuthen ins König Sold, alles
was er erwürbe wäre dem König. So hat sich Frck immer der Deutschen zu seinen
Absichten bedient, und dann gros gethan p und dieselben als Sclaven behandelt.
Bernhard that am meisten durch seine, selbst geworbene deutsche Truppen
und offt wenig durch franzosen. Diese waren ihm oft zur Last, nur hinderlich,
ihre Generals suchten eher seinen Untergang als aufkommen, als des Hertzog
von Longuevilles. Er müste offt seine besten Desseins fahren lassen und
den Franzosen wieder zu Hülfe kommen, dies, und seine Überlegenheit über
die franz. Generals, über Richelieu p möchte ich noch gerne darthun. Noch fehlet
es mir aber an HilfsMitteln, dazu ich doch vieleicht die Briefe, wann ich sie erst
alle durchgegangen brauchbahr halte, aber auch Mem. de Rich: und die andern
franz. Bücher haben mögte. Frck sah und gestand selbst, Berhard wäre sein aliirter
nicht sein Untergebener. Denn, warum bothen sie ihm sonst vor Breysach die Franche
Comté an? so handelt man mit keinen Untergebenen. Wie fürchterlich er denen
Franzosen, das heißt Richilieu war, sieht man aus den Behutsamkeiten die
ihre Unterhändler anwenden mußten, ihm nicht auf zu bringen. Er hatte viel
Lebens Gefahr in Frck selbst auszustehen, wie im Diario steht. Z. E. die 13 ver-
mumte Personen, die seine Begleitung anhielten, die Schüsse die unter Vorwand
der Ehren Bezeugung auf ihm geschahen und ihm bald das Leben kosteten ppp.


Die in Freyburg hingerichteten Mörder, müssen doch von wem angestifft, gewiß
darüber befragt worden seyn. Warum schweigt die Geschichte davon. Ist das Verhör
nirgends aufzufinden. Richileu war nach meiner Meynung sicher der Ver- | 3 |
giffter. Solche Handlungen waren ihm nichts neues. Berhard hatte zu ernstlich sich
erklärt, daß er Breysach behalten wolte. Er hätte es auch gekont, wäre er
leben geblieben. Daß sah der Cardinal wohl ein. Bonner und die Schweden
überhaubt waren auf ihm neidisch, verriethen ihm den Franzosen. Das hätte
aber doch nichts gethan. Er hätte Freunde in Deutschland gefunden. Christine war
die Person nicht, an die er sich machen mußte. Sie war zu gut französch, und noch mehr.
Sie suchte Frieden, es koste was es wolle, um nur ihr project von der Thron Abdanckung
aus führen zu können. Sie opferte ia deswegen das Interesse der Protestanten in
den kayserℓ. Erbländern auf, das ihr leicht zu erhalten gewesen wäre, wann sie ge-
wollt hätte. Sie bediente sich des Salvius ihres einen Gesandten zum Nachtheil des
Andern des Oxenstirns, dem sie ihre Absichten nicht so endeckte, und der oft über
die falschen Wege und Handlungen des Salvius erstaunte. Beyde Minister nahmen
auch Geld, wo es irgend seyn konte.


Was die Heyrath des Herzogs betrifft, so errinnere ich mich in den 2 Theilen gehabter Briefe
manches davon, da ihm als zu einen verschollenen Gerücht Glück dazu gewünscht
wird, gefunden zu haben. Ich habe es aber nicht geachtet. Vermuthlich wird mehr
davon vorkommen. Dann will ichs bemercken. Welcher Stoltz der Franzosen, ihn
in der Heyrath binden, oder ihm gar solche vorschreiben wollen! ich kan
mir nicht vorstellen daß die Frage Bernhards Guebriand so, wie er sie
erzählt und wie ich sie oben angeführt, wahr sey – sie zeigt zu viel unentschlüsiges im Plan, und der dencke
ich, war doch wohl gut aus gedacht, ohne ihm denen Franzosen zu sagen. Ich
zweifle, daß er die Herzogin v. Rohan oder irgendeine französche Dame
würde genommen haben. Es wiederstrit seinen Absichten. In dem Brief
eines Princeßin in 1​st Theil der gothischen Briefe, unter dem Nahmen Aristander
an ihm, errinnere ich mich auch von einer Heyrath was gelesen zu haben. Ich
habe dem Brief notirt am Rande Except. des 1st toms, als ein, vieleicht
wegen seiner Naivitæt, die damahligen Sitten zeigendes Denckmahl anzuführen.
Da Sie frck nicht grade zu den Verdacht der Vergiftung auf bürden, | 4 |
es sparen wollen, will ich nichts mehr, was den Argwohn bekräfftigte, sagen.
Aber so hinstellen werden Sie es doch, daß ieder muthmassen kan, was
er will? Dies will die Wahrheit der Geschichte.


Das Lob Bernhards, das ich, weil der Vorhang schnell zufallen solte, Anfangs des
Jahres 35 als des ersten, wo er allein würckte, setzte, kan auch, wen das
Epitaphion darzwischen geschoben wird, allenfals hinten, bey den Umständen
seines Endes stehen. Alles, wie der Geist im Schreiben Sie drengen wird.
Denn hier, läßt sich dem, der die letzte Hand an die Schrifft legt, sie ein-
kleidet, wie sie in Druck soll, nichts vorschreiben. Ein Genie kent da
keine Fessel, folgt da seinem Hang, wie der ihm erfreut, und so ists
auch am besten. Lies ich, der ich mich für kein Genie aus gebe, doch darin
nicht binden, und wüßte, bis alles vor mir läge, ietzo selbst noch nicht
welche tomme ich den Beschluß geben wolte. Geniemäsig muß sie
seyn. Das ist gewiß.


So viel ietzo von Anmerckungen. Am Ende der Durchsicht von allen
Briefen werden sich wohl mehr finden.


S:  GSA 25/W 3595 Bl. 46-47  D:  -  B : -  A : 1780 Dezember 6 (WA IV 5, Nr. 1066) 

Fortsetzung der Ausarbeitung zur Geschichte Bernhards von Sachsen-Weimar (vgl. RA 1, Nr. 128). Hieran anschließend längere Erörterungen über die Aufarbeitung der Quellen bzw. Literatur und über Probleme von Bernhards Geschichte, insbesondere über sein Verhältnis zu den Franzosen und die Umstände seines Todes. Alles, wie der Geist in Schreiben Sie drängen wird, denn hier, läßt sich dem, der die letzte Hand an die Schrifft legt, sie einkleidet, wie sie in Druck soll, nichts vorschreiben. Ein Genie kennt da keine Fessel, folgt da seinem Hang [...]. Nach Beendigung der Durchsicht aller gothaischen Briefbände würden sich wohl noch weitere Anmerkungen ergeben.

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   Noch einige Anmerckungen   Zu diesen Excerptis.

 Das wäre dann alles, was ich aus dem Lebenslauf, den Diario , denen Collectaneis, zusammenbringen können. Die Collectanea, da sie aus so vielen Autoribus excerpirt sind, sind sehr mager.

 Ich habe es schon gesagt, daß aus denen Gothischen Brief Bänden, noch vieles wird erläutert, erweitert, aufgeklärt, umgeändert, werden müssen. Daher müssen aber erst alle tomi excerpirt seyn, weil wohl in iedem was stehen mag, daß erst unter seine Jahre, wohin es gehört, muß gebracht werden, ehe man wieder aus allen zusammen, einen neuen volständigen Auszug machen kan.

 Das Diarium war das Beste. Es schildert am volkommensten, den Herzog als Krieger. Ich habe es nicht zu sparsahm excerpirt, weil manchen Militair wird mit gedient seyn,alles ausführlich zu wissen.

 Um den Styl habe ich mich ietzo nicht bekümmert, da alles noch muß umgearbeitet werden. Dann, ihm classisch zu machen, müssen alle Lateinische und französche Endigungen und Wörter heraus geschmissen und es rein deutsch werden.

 Von der Seite der Unterhandlungen ist der Herzog hier noch gar nicht kenbahr. Dies muß durch die handschrifftℓ. Briefe, und die Mem. de Richelieu, de pere Joseph pp. geschehen. Letztere habe ich nicht, ohngeachtet ihren es sehr nötig wäre, sie zu excerpiren. Was in den Collectaneis p. 59. von Unterhandlungen mit den kayserℓ. Hoff, und   von Verhandlung eines allgemeinen Friedens steht, muß aus den dort   angeführten Cyprian – ausgezogen und an seinen orth eingeschaltet   werden. Das Schreiben wegen des Friedens steht auch in den Gothischen Manuscripten   so wie sein Testament, (welches wohl gantz anzuhengen ist) auch dort   vorkommen wird.

 Da die Übermacht des Herzogs über Oxenstirn und Richelieu in Unterhandlungen soll gezeigt werden, so muß wohl dazu, aus denen handschrifftℓ Briefen und denen Mem. de Rich: de pere Joseph p erst Stof sich finden. Denn bis ietzo ist nichts sichtbahr. Man solte vielmehr aus den von Guebriant angeführten schliessen,| 2 | daß der Hertzog gar keinen Plan gehabt, welches ich doch nicht glauben kan, da wie Gue briant selbst sagt, es wäre ihm durch den Beauregard ein sehr wohl ausgedachter Plan des Hertzogs vorgelegt worden. Diesen aufzufinden muß man suchen. Bernhard war allerdings Frck sehr satt. Dies suchte ihm zu hindern wo es konte, nur zu seinen Absichten zu brauchen, warf ihm doch Guebriant aus französchen Stoltz vor. er stünde gantz mit seinen Leuthen ins König Sold, alles was er erwürbe wäre dem König. So hat sich Frck immer der Deutschen zu seinen Absichten bedient, und dann gros gethan p und dieselben als Sclaven behandelt. Bernhard that am meisten durch seine, selbst geworbene deutsche Truppen und offt wenig durch franzosen. Diese waren ihm oft zur Last, nur hinderlich, ihre Generals suchten eher seinen Untergang als aufkommen, als des Hertzog von Longuevilles. Er müste offt seine besten Desseins fahren lassen und den Franzosen wieder zu Hülfe kommen, dies, und seine Überlegenheit über die franz. Generals, über Richelieu p möchte ich noch gerne darthun. Noch fehlet es mir aber an HilfsMitteln, dazu ich doch vieleicht die Briefe, wann ich sie erst alle durchgegangen brauchbahr halte, aber auch Mem. de Rich: und die andern franz. Bücher haben mögte. Frck sah und gestand selbst, Berhard wäre sein aliirter  nicht sein Untergebener. Denn, warum bothen sie ihm sonst vor Breysach die Franche Comté an? so handelt man mit keinen Untergebenen. Wie fürchterlich er denen Franzosen, das heißt Richilieu war, sieht man aus den Behutsamkeiten die ihre Unterhändler anwenden mußten, ihm nicht auf zu bringen. Er hatte viel Lebens Gefahr in Frck selbst auszustehen, wie im Diario steht. Z. E. die 13 vermumte Personen, die seine Begleitung anhielten, die Schüsse die unter Vorwand der Ehren Bezeugung auf ihm geschahen und ihm bald das Leben kosteten ppp.

 Die in Freyburg hingerichteten Mörder, müssen doch von wem angestifft, gewiß darüber befragt worden seyn. Warum schweigt die Geschichte davon. Ist das Verhör nirgends aufzufinden. Richileu war nach meiner Meynung sicher der Ver| 3 |giffter. Solche Handlungen waren ihm nichts neues. Berhard hatte zu ernstlich sich erklärt, daß er Breysach behalten wolte. Er hätte es auch gekont, wäre er leben geblieben. Daß sah der Cardinal wohl ein. Bonner und die Schweden überhaubt waren auf ihm neidisch, verriethen ihm den Franzosen. Das hätte aber doch nichts gethan. Er hätte Freunde in Deutschland gefunden. Christine war die Person nicht, an die er sich machen mußte. Sie war zu gut französch, und noch mehr. Sie suchte Frieden, es koste was es wolle, um nur ihr project von der Thron Abdanckung aus führen zu können. Sie opferte ia deswegen das Interesse der Protestanten in den kayserℓ. Erbländern auf, das ihr leicht zu erhalten gewesen wäre, wann sie gewollt hätte. Sie bediente sich des Salvius ihres einen Gesandten zum Nachtheil des Andern des Oxenstirns, dem sie ihre Absichten nicht so endeckte, und der oft über die falschen Wege und Handlungen des Salvius erstaunte. Beyde Minister nahmen auch Geld, wo es irgend seyn konte.

 Was die Heyrath des Herzogs betrifft, so errinnere ich mich in den 2 Theilen gehabter Briefe manches davon, da ihm als zu einen verschollenen Gerücht Glück dazu gewünscht wird, gefunden zu haben. Ich habe es aber nicht geachtet. Vermuthlich wird mehr davon vorkommen. Dann will ichs bemercken. Welcher Stoltz der Franzosen, ihn in der Heyrath binden, oder ihm gar solche vorschreiben wollen! ich kan mir nicht vorstellen daß die Frage Bernhards Guebriand so, wie er sie erzählt und wie ich sie oben angeführt, wahr sey – sie zeigt zu viel unentschlüsiges im Plan, und der dencke ich, war doch wohl gut aus gedacht, ohne ihm denen Franzosen zu sagen. Ich zweifle, daß er die Herzogin v. Rohan oder irgendeine französche Dame würde genommen haben. Es wiederstrit seinen Absichten. In dem Brief eines Princeßin in 1​st Theil der gothischen Briefe, unter dem Nahmen Aristander an ihm, errinnere ich mich auch von einer Heyrath was gelesen zu haben. Ich habe dem Brief notirt am Rande Except. des 1st toms, als ein, vieleicht wegen seiner Naivitæt, die damahligen Sitten zeigendes Denckmahl anzuführen. Da Sie frck nicht grade zu den Verdacht der Vergiftung auf bürden,| 4 | es sparen wollen, will ich nichts mehr, was den Argwohn bekräfftigte, sagen. Aber so hinstellen werden Sie es doch, daß ieder muthmassen kan, was er will? Dies will die Wahrheit der Geschichte.

 Das Lob Bernhards, das ich, weil der Vorhang schnell zufallen solte, Anfangs des Jahres 35 als des ersten, wo er allein würckte, setzte, kan auch, wen das Epitaphion darzwischen geschoben wird, allenfals hinten, bey den Umständen seines Endes stehen. Alles, wie der Geist im Schreiben Sie drengen wird. Denn hier, läßt sich dem, der die letzte Hand an die Schrifft legt, sie einkleidet, wie sie in Druck soll, nichts vorschreiben. Ein Genie kent da keine Fessel, folgt da seinem Hang, wie der ihm erfreut, und so ists auch am besten. Lies ich, der ich mich für kein Genie aus gebe, doch darin nicht binden, und wüßte, bis alles vor mir läge, ietzo selbst noch nicht welche tomme ich den Beschluß geben wolte. Geniemäsig muß sie seyn. Das ist gewiß.

 So viel ietzo von Anmerckungen. Am Ende der Durchsicht von allen Briefen werden sich wohl mehr finden.

 

 
 

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Online-Edition:
RA 1, Nr. 129, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0129_00142.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 129.

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