BuG: BuG II, A 2414
Karlsbad 5. 7./16. 8. 1785

An Carl August 15. 8. 1785 (WA IV 7, 74)

Karlsbad 5. 7./16. 8. 1785

Die Wasser bekommen mir sehr wohl, und auch die Nothwendigkeit immer unter Menschen zu seyn hat mir gut gethan ... Vom Granit, durch die ganze Schöpfung durch, bis zu den Weibern, Alles hat beygetragen mir den Aufenthalt angenehm und interessant zu machen ...

Die Fürstinn Lubomirska ... ist erst vorgestern weg. Weil sie zulezt fast ganz allein blieb, hab ich meinen Aufenthalt um 8 Tage verlängert, sie ist eine interessante Frau, wird auch nach Weimar kommen und sie und ihr Bruder [Fürst Czartoryski] haben, halb Scherz halb Ernst, versichert daß sie ein Haus dort haben wollten um eine Zeit des Jahrs daselbst zuzubringen. Es wird sich darüber reden lassen und ich habe die Sache eingeleitet wie ich erzählen werde ...

Die liebe Stein war meist wohl hier, und iedermann wollte ihr wohl. Knebel war sehr lieb, treu und gut ...

Edelsheim ist vorgestern angekommen, und ich muß ihn leider verlassen. Er hat mir von Ihnen erzählt, und wir sind sonst im politischen Felde weit herumspaziert.

Der Verfasser teilt die Geschichte seiner botanischen Studien mit (LA I 10, 325)

Karlsbad 5. 7./16. 8. 1785

In Karlsbad selbst war der junge rüstige Mann [F. G. Dietrich] mit Sonnenaufgang im Gebirge, reichliche Lektionen brachte er mir sodann an den Brunnen, ehe ich noch meine Becher geleert hatte; alle Mitgäste nahmen Teil, die welche sich dieser schönen Wissenschaft befleißigten besonders. Sie sahen ihre Kenntnisse auf das anmutigste angeregt, wenn ein schmucker Landknabe, im kurzen Westchen daher lief, große Bündel von Kräutern und Blumen vorweisend, sie alle mit Namen, griechischen, lateinischen, barbarischen Ursprungs, bezeichnend; ein Phänomen, das bei Männern, auch wohl bei Frauen, vielen Anteil erregte.

Sollte Vorgesagtes dem eigentlich wissenschaftlichen Manne vielleicht allzu empirisch vorkommen, so melde ich hienächst daß gerade dieses lebhafte Benehmen uns die Gunst und den Anteil eines in diesem Fache schon geübteren Mannes erwerben konnte, eines trefflichen Arztes nämlich, der, einen reichen Vornehmen begleitend, seinen Badeaufenthalt eigentlich zu botanischen Zwecken zu nutzen gedachte. Er gesellte sich gar bald zu uns, die sich freuten ihm an Handen zu gehen. Die meisten von Dietrich früh eingebrachten Pflanzen trachtete er sorgfältig einzulegen, wo denn der Name hinzugeschrieben und auch sonst manches bemerkt wurde. Hiebei konnte ich nicht anders als gewinnen. Durch Wiederholung prägten sich die Namen in mein Gedächtnis; auch im Analysieren gewann ich etwas mehr Fertigkeit, doch ohne bedeutenden Erfolg; Trennen und Zählen lag nicht in meiner Natur.

Nun fand aber jenes fleißige Bemühen und Treiben in der großen Gesellschaft einige Gegner. Wir mußten öfters hören: die ganze Botanik, deren Studium wir so emsig verfolgten, sei nichts weiter als eine Nomenklatur, und ein ganzes auf Zahlen, und das nicht einmal durchaus, gegründetes System; sie könne weder dem Verstand noch der Einbildungskraft genügen, und niemand werde darin irgend eine auslangende Folge zu finden wissen. Ohngeachtet dieser Einwendung gingen wir getrost unsern Weg fort, der uns denn immer tief genug in die Pflanzenkenntnis einzuleiten versprach.

Der Verfasser teilt die Geschichte seiner botanischen Studien mit. Paralipomenon 43 (WA II 13, 40)

Karlsbad 5. 7./16. 8. 1785

Reisen in Begleitung des jungen Botanikers. Karlsbad. Derselbe auf Linnéische Nomenclatur dressirt. Verwunderung, daß ein rüstiger Bauerbursche Geschlecht und Art, deutsche Benennung, Klasse mit ihrer Rubrik hinter einander wie ein Paternoster hersagte. Die verwunderten Kenner wirklich betheuerten, es finde sich alles so und sey vollkommen richtig.

Tagebuch 2. 5. 1825 (WA III 10, 50)

Karlsbad 5. 7./16. 8. 1785

Professor Dietrich von Eisenach, alter Zeiten sich erinnernd, wie er im Jahre 1785 mit mir als Ziegenhainer Bauerbursche auf dem Fichtelgebirge, sodann in Carlsbad gewesen und wie er von da an seinen Eintritt in die höhere Kultur zu rechnen habe.

F. G. Dietrich, Neuer Nachtrag zum vollständigen Lexikon der Gärtnerei und Botanik 10, 14

Karlsbad 5. 7./16. 8. 1785

Schon auf unserer Reise nach Carlsbad und den botanischen Excursionen in jener gebirgigen Gegend schwebte dem großen Göthe das Ideal vor, wenn er mit den HH. von Knebel, Herder u. a., auch einigen gebildeten Frauen, die damals in Carlsbad waren, über Naturwissenschaft, besonders über die mannigfaltige Gebilde organischer Wesen sich unterhielt und belehrend aussprach:

  „Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleicht der andern;   „Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz,   „Auf ein heiliges Räthsel.“

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG II, BuG02_A_2414 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG02_A_2414.

Entspricht Druck:
BuG II, S. 539 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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