BuG: BuG I, A 300
Frankfurt 27. 6. 1774

Lavater, Tagebuch 27. 6. 1774 (SchrGG 16, 289)

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Frankfurt 27. 6. 1774

Schlief mit Fleiß aus bis nach 7 Uhr. Von Herders Öconomischen Umständen; Er hat ein mittelmäßiges Ammt. Von Leüchsenring ... Bey dem Mittag eßen durchsahen wir die Chodowieckischen Zeichnungen; u. Goethe rezitierte auswendig mit der Natürlichsten kräftigsten Declamation Satyre auf verschiedne. Ein Genie ohne seines Gleichen.

Ich durchgieng mit Goethe die Phisiognomischen Kupfertafeln gab ihm den Anfang meines Menschen Gedichts zu lesen. Wir besahen seine Gipsbilder. Er suchte die Satyren u. fand sie nicht.

Ich gieng um 4 Uhr zu Cordata ... Nach Hause, aufraümen, ob dem Nachteßen lasen wir in Salis Memorialien, ein Rath [Johann Kaspar] Schneider (oncle tobias im Shandy) saß bey uns. Wir besahen nachmals Chodowieckis Zeichnungen; waren herzgut, ungeniert, vertraulich bey einander. Goethe war den Abend mit Schmoll, der Rath Goethe portrait heüt kenntlich gezeichnet hatte spazieren gefahren auf’m Mayn in Sandhof wo sie nach F[rank]furter Manier – einen Teller voll Krebse mit einander aßen; war aber Schmoll nicht wohl. wir sprachen noch von der Chimie. Goethe hat merkwürdige Versuche, ganz eigne, ganz neüere Chimie wie ... wo alles so honett u. anständig gemacht wird – will recht darhinter, u. hinters Zeichnen. wird gewiß in beyden excellieren, denn er excelliert in allem. von dem allgemeinen Verfall in allen Wißenschaften; der Decke ob aller Augen .. Um 11 zu Bette.

J. G. Zimmermann an Lavater 23. 6. 1774 (GJb 25, 217)

Frankfurt 27. 6. 1774

Seitdem ich von Bückeburg zurück bin, sah ich hier einen sehr liebenswürdigen Reisenden, der mir sagte, daß Doctor Göthe (Dein Freund) gegen Herder (seinen Herzensfreund) und gegen die (überaus liebenswürdige) Madame Herder eine Farce mit nächstem werde drucken lassen, in welcher beyde aufs äußerste durchgezogen seyen. – Wie ich die Stirne dabey gerumpft habe, kannst Du Dir vorstellen. Nun bitte ich Dich, mit aller möglichen Behutsamkeit dieses abzuwenden, und Göthen zu beschwören, daß er dieses Manuscript verbrenne. Mir deucht, eine so edle Reue sollte einen so großen Geist, wie Göthe unstreitig ist, nichts kosten.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0300 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0300.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 259 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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