BuG: BuG I, A 479
Frankfurt Herbst 1775

Dichtung und Wahrheit XIX (WA I 29, 161)

Frankfurt Herbst 1775

Glücklicherweise trafen meine Richtungen mit des Vaters Gesinnungen und Wünschen zusammen. Er hatte einen so großen Begriff von meinem dichterischen Talent, so viel eigene Freude an der Gunst die meine ersten Arbeiten erworben hatten, daß er mich oft unterhielt über Neues und fernerhin Vorzunehmendes. Hingegen von diesen geselligen Scherzen, leidenschaftlichen Dichtungen, durft’ ich ihn nichts merken lassen. Nachdem ich im Götz von Berlichingen das Symbol einer bedeutenden Weltepoche nach meiner Art abgespiegelt hatte, sah ich mich nach einem ähnlichen Wendepunct der Staatengeschichte sorgfältig um. Der Aufstand der Niederlande gewann meine Aufmerksamkeit. In Götz war es ein tüchtiger Mann, der untergeht in dem Wahn: zu Zeiten der Anarchie sei der wohlwollende Kräftige von einiger Bedeutung. Im Egmont waren es festgegründete Zustände, die sich vor strenger, gut berechneter Despotie nicht halten können. Meinen Vater hatte ich davon auf das lebhafteste unterhalten, was zu thun sei, was ich thun wolle, daß ihm dieß so unüberwindliches Verlangen gab, dieses in meinem Kopf schon fertige Stück auf dem Papiere, es gedruckt, es bewundert zu sehen ... Ich fing also wirklich Egmont zu schreiben an, und zwar nicht wie den ersten Götz von Berlichingen in Reih’ und Folge, sondern ich griff nach der ersten Einleitung gleich die Hauptscenen an, ohne mich um die allenfallsigen Verbindungen zu bekümmern. Damit gelangte ich weit, indem ich bei meiner läßlichen Art zu arbeiten von meinem Vater, es ist nicht übertrieben, Tag und Nacht angespornt wurde, da er das so leicht Entstehende auch leicht vollendet zu sehen glaubte.

Klinger an H. Chr. Boie 5. 12. 1775 (Rieger S. 379)

B2 119a

Frankfurt Herbst 1775

Den Herbst brachte ich wieder bey meinem besten Goethe zu und seh den Ostern mit Verlangen entgegen.

Klinger an Agnes Klinger 17. 2. 1776 (Rieger S. 381)

Frankfurt Herbst 1775

Ja Stella! Stella! das ist freylich ein Stük wobey das Herz einem helle schlägt. Ich hatt sie in Frankfurt schon und gab dirs nicht aus Nachläßigkeit. Goethe fragte mich ob ich dirs gegeben hätte und ich log.

Klinger an E. Schleiermacher 16. [30.?] 6. 1776 (Rieger S. 388)

Frankfurt Herbst 1775

Wüthe und fluche gegen mich – werf mir all deine gute und wilde Gefühle hin, vielleicht wird dir manchmal leicht, auch müste der Mensch was haben wohin er gösse und schütte. Das hatt ich all an Goethe.

Klinger (JG2 6, 555)

Frankfurt Herbst 1775

Ich und Ernst [Schleiermacher] haben uns Werthers Uniform machen lassen ... Auch hat mir den Herbst Goethe gelbe West und Hose gegeben die er in der Schweiz trug, das mich all kindisch freut.

H. G. v. Bretschneider an Nicolai 16. 10. 1775 (Gegenwart 64 Nr. 39, 199)

B2 107a

Frankfurt Herbst 1775

Nie hat noch etwas Goethe’s nonchalance so bestürmt [als Nicolais Rezension des Prometheus, Deucalion etc.] ... er zankt mit Dannhäusern und Deinet und schilt sie Verräther. Ich und Alle sind begierig, wie er sich verhalten wird, denn nun wird er mit Badiniren nichts mehr ausrichten, und ernsthaft kann er sich in allem Betracht nicht mehr verantworten. Dannhäuser leugnet gar nicht, daß Goethe die Formen bei ihm bestellt hat.

Nicolai an Merck 28. 12. 1775 (Wagner1 S. 80)

B2 69

Frankfurt Herbst 1775

Man meldet mir glaubwürdig, welche sehr ungezogene Reden Hr. Göthe in Frankfurt gegen mich ausgestoßen hat, der ich ihn nie beleidigt, sondern mich nur des Rechts bedient habe, das jeder Schriftsteller hat, zu schreiben, was ihm gut dünkt, und dabei die größte Hochachtung für Hrn. G. Talente bezeugt habe.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0479 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0479.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 378 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

Zurück zum Seitenanfang