Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 56
Von Auguste Luise Gräfin zu Stolberg-Stolberg (Bernstorff)

9. Dezember 1775, Ütersen

| 1 |


Abends 10 Uhr.


Dank mein Lieber Goethe für Ihr Blätgen, daß mir sehr lieb war, aber auch herzlich mußte ich lachen, da Sie sagen ein neues Kleid mache Ihnen so viel Freude, und eine mislungene Frisur verdruß – bin ich doch ein Mädchen Goethe, und kaum geht's so weit bey mir – ein niedliches Kleid von süßer Farbe macht mir zwar izt Freude, und die Besezung daran beschäftigt mich des Abends, wenn ich nicht mehr an Christels weste arbeiten kan; aber – mit einem wort Goethe Sie sind vieleicht in den Stük mehr Mädchen als ich – Hören Sie Goethe Sie könten wohl mit nach Hamburg kommen, und es ahndet mir halb, daß Sie mich überraschen werden, daß ist so Ahndung daß es ein dißapointment seyn wird, wenn Sie nicht kommen. aber Sie sagen mir ja nicht ein wort, ob Sie meine Epistel erhalten haben – eine rechte Epistel war's, denn ich hatte wenigstens 3 Wochen dran geschrieben – mir gehts gut, ich lebe mit einer süßen Freundin und Lebe und webe in den Gedanken daß ich meinen Christel, und meinen Friz bald wiedersehn und umarmen werde – Sind's doch gar zu Liebe Jungens! ich bin aber recht krank geweßen. adieu mein guter Wolf – bleiben Sie mein Freund, und glauben Sie daß ich den lebhaftesten Antheil an allem nehme waß Ihnen Freude oder Schmerz macht – wollte Gott daß Sie einmal recht glüklich wären!

    Gustchen


S:  -  D:  Schumann, in: GJb 74 (1957) 287f.  B : 1775 September 20 bis November 22 (WA IV 2, Nr. 365)  A? : 1776 Februar 11 (WA IV 3, Nr. 400)  V:  Druck 

Dank für G.s Blättgen. Sie habe über G.s Äußerung, daß ihm ein neues Kleid [...] so viel Freude, und eine mislungene Frisur verdruß bereite, herzlich lachen müssen. - Sie ahne und hoffe, daß G. mit nach Hamburg kommen werde; aber er sage ihr ja nicht ein wort darüber, ob er ihre Epistel erhalten habe. Über ihr Ergehen.

| 1 |

 Abends 10 Uhr.

 Dank mein Lieber Goethe für Ihr Blätgen, daß mir sehr lieb war, aber auch herzlich mußte ich lachen, da Sie sagen ein neues Kleid mache Ihnen so viel Freude, und eine mislungene Frisur verdruß – bin ich doch ein Mädchen Goethe, und kaum geht's so weit bey mir – ein niedliches Kleid von süßer Farbe macht mir zwar izt Freude, und die Besezung daran beschäftigt mich des Abends, wenn ich nicht mehr an Christels weste arbeiten kan; aber – mit einem wort Goethe Sie sind vieleicht in den Stük mehr Mädchen als ich – Hören Sie Goethe Sie könten wohl mit nach Hamburg kommen, und es ahndet mir halb, daß Sie mich überraschen werden, daß ist so Ahndung daß es ein dißapointment seyn wird, wenn Sie nicht kommen. aber Sie sagen mir ja nicht ein wort, ob Sie meine Epistel erhalten haben – eine rechte Epistel war's, denn ich hatte wenigstens 3 Wochen dran geschrieben – mir gehts gut, ich lebe mit einer süßen Freundin und Lebe und webe in den Gedanken daß ich meinen Christel, und meinen Friz bald wiedersehn und umarmen werde – Sind's doch gar zu Liebe Jungens! ich bin aber recht krank geweßen. adieu mein guter Wolf – bleiben Sie mein Freund, und glauben Sie daß ich den lebhaftesten Antheil an allem nehme waß Ihnen Freude oder Schmerz macht – wollte Gott daß Sie einmal recht glüklich wären!

  Gustchen

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 56, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0056_00060.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 56.

Zurück zum Seitenanfang