Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 211
Von Johann Friedrich August Göttling

7. Mai 1786, Göttingen

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   Hochwohlgebohrner Herr
   Gnädiger Herr!



Ew. Hochwohlgebℓ. Auftrag zu folge, habe ich die durch
Schröter in Gotha verfertigte Luftpumpe angesehen, nur
schade, daß sie nicht völlig fertig war, und ich mich also auch von
ihrer Wirkung nicht ganz überzeugen konte. Die Einrichtung
aber ist ganz simpel – die bey der Schmeatonschen angebrachten Ventile
sind hier ganz weggelaßen, und nur ein einziger unten an den
Stiefel angebrachter und sich leicht nach verschiedenen Richtungen | 2 |
drehender Hahn vertritt hier die Stelle der Ventile.
Diese Enrichtung soll nach Schröters Angabe noch den Vortheil
haben, daß die Luft reiner ausgepumpt werden kann, da bey
der Schmeatonschen allezeit etwas Luft unter den Ventilen
sitzen bleibt. Die übrigen dazu gehörigen Geräthschaften sind
auch ziemlich vollständig und es brauchten nur noch einige mehr
angeschaft zu werden. Böse ist es nur, daß die Künstler
gar zu langsam arbeiten – diese Luftpumpe ist nun, wie
mir Hr. Legat. Rath Lichtenberg sagte, seit anderthalb Jahren
bestellt und schwerlich wird sie in einem halben Jahre fertig
werden. Bey Lichtenberg konte ich nach dem Verkauf einzelner
Apparate nicht fragen, weil ich bey Schrötern hörte, daß er sie
dem Herzog von Gotha zusammen angeboten habe.


   In Crells chem. Beyträgen habe ich ebenfals kein zu-
verläßigeres Mittel den Schwefel in den Mineralwäßern
zu entdecken gefunden, als diejenigen sind, welche schon Bergmann
und andere anführen, und worunter das Anlaufen polirter
Metalle, das Gelbwerden des Arsenicks und der schwarze Nie-
derschlag durch Bleyauflösung in Eßig die vornehmsten sind. | 3 |
Ueber das Carlsbaderwaßer und deßen Untersuchung habe
ich verschiedene Schriftsteller nachgelesen, aber von eigentlichem
Schwefelgehalt nichts zuverläßiges gefunden. Die ältern Unter-
suchungen, wodurch man die Gegenwart des Schwefel in solchen
Wäßern zu beweisen glaubte, sind ganz fehlerhaft, weil man
den Schwefel so man bey der Untersuchung künstlich erzeugte,
für Gehalt des Waßers ansah – den Mineralwäßern fehlt es nicht
an erdharzigtem brennbaren Stoff und auch selten an Vitriolsäure
haltigen Salzen, wird nun ein solches Waßer bis zur Trockene
abgedunstet und dem Reste Sublimirfeuer gegeben, wie es einige bey
dieser Untersuchung gethan haben, so muß hier allerdings künstlicher
Schwefel entstehen. Schwerlich kann ich glauben, daß Bergman
und noch andere recht haben, daß der nach Schwefel riechende Dunst,
welcher besonders bey einigen warmen Mineralwäßern aufsteigt,
wirklich Schwefel enthalte, der sich bey Berührung der admospherischen
Luft absetze – vorzüglich aber kan ich mir vom flüchtigen Schwefel
wovon Brückmann sagt gar keinen Begriff machen, und es ist ganz
wider die Natur des Schwefels, wenn er wirklicher Schwefel
genannt werden kann, daß er sich lieber mit der fixen Luft | 4 |
oder Luftsäure als mit dem mineralischen Laugensalze verbinden sollte,
das doch beym Carlsbaderwaßer einen so vorzüglichen Bestandtheil
ausmacht, und die Laugensalze das wahre Auflösungsmittel des
Schwefels sind. Warscheinlicher scheint es zu seyn, daß der von solchen
Wäßern aufsteigende nach Schwefel riechende Dunst, bloßes brennbares
Wesen mit Luftsäure verbunden ist, das durch die dazu kommende ad-
mospherische Luft von der Luftsäure getrennt wird, und seiner Flüch-
tigkeit wegen verdampfen muß ohne auf die Wirkung des zurück-
laßenden Waßers den geringsten Bezug zu haben.


   So viel mir bekannt ist, hat noch Niemand mit den von heißen
Mineralquellen aufsteigenden hepatischen luftartigen Dunst Unter-
suchungen angestellt, die doch vieleicht am zuverläßigsten über die
Entstehung der heißen Mineralquellen Licht geben könten. Man könte
diesen luftartigen Dunst auffangen ihn durch frisches Kalkwaßer
von der Luftsäure trennen und dann die zurückbleibende Luft nach ihren
Eigenschaften prüfen, vorzüglich aber ihr Verhalten mit dem Sudiometer
versuchen.


   Mit dem vollkommensten Respect höre ich nie auf zu
   verharren

   Ew. Hochwohlgebohren

   unterthänigst gehorsamster

    Johann Friedrich August Göttling


S: GSA 28/360a  D: Schiff, in: GJb 48 (1928) 138  B: -  A: - 

G.s Auftrag zu folge habe er die durch Schröter in Gotha verfertigte Luftpumpe angesehen. Über ihre Konstruktion im Unterschied zur Schmeatonschen (J. Smeaton) und über den Termin ihrer Fertigstellung. G. C. Lichtenberg habe er nicht auf Verkauf einzelner Apparate ansprechen können, da er sie Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha angeboten habe. - Zum Problem der Untersuchung von Mineralwässern, unter anderem des Karlsbader Wassers, auf möglichen Schwefelgehalt: L. F. F. von Crell gebe in den 'chem. Beyträgen'/kein zuverläßigeres Mittel als schon (? T. O.) Bergmann und andere an. Darlegung und Begründung seiner Meinung, daß der von solchen Wäßern aufsteigende nach Schwefel riechende Dunst kein Schwefel sei. Methodische Erwägungen zu diesbezüglichen Versuchen.

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 Hochwohlgebohrner Herr  Gnädiger Herr!


 Ew. Hochwohlgebℓ. Auftrag zu folge, habe ich die durch Schröter in Gotha verfertigte Luftpumpe angesehen, nur schade, daß sie nicht völlig fertig war, und ich mich also auch von ihrer Wirkung nicht ganz überzeugen konte. Die Einrichtung aber ist ganz simpel – die bey der Schmeatonschen angebrachten Ventile sind hier ganz weggelaßen, und nur ein einziger unten an den Stiefel angebrachter und sich leicht nach verschiedenen Richtungen| 2 | drehender Hahn vertritt hier die Stelle der Ventile. Diese Enrichtung soll nach Schröters Angabe noch den Vortheil haben, daß die Luft reiner ausgepumpt werden kann, da bey der Schmeatonschen allezeit etwas Luft unter den Ventilen sitzen bleibt. Die übrigen dazu gehörigen Geräthschaften sind auch ziemlich vollständig und es brauchten nur noch einige mehr angeschaft zu werden. Böse ist es nur, daß die Künstler gar zu langsam arbeiten – diese Luftpumpe ist nun, wie mir Hr. Legat. Rath Lichtenberg sagte, seit anderthalb Jahren bestellt und schwerlich wird sie in einem halben Jahre fertig werden. Bey Lichtenberg konte ich nach dem Verkauf einzelner Apparate nicht fragen, weil ich bey Schrötern hörte, daß er sie dem Herzog von Gotha zusammen angeboten habe.

  In Crells chem. Beyträgen habe ich ebenfals kein zuverläßigeres Mittel den Schwefel in den Mineralwäßern zu entdecken gefunden, als diejenigen sind, welche schon Bergmann und andere anführen, und worunter das Anlaufen polirter Metalle, das Gelbwerden des Arsenicks und der schwarze Niederschlag durch Bleyauflösung in Eßig die vornehmsten sind.| 3 | Ueber das Carlsbaderwaßer und deßen Untersuchung habe ich verschiedene Schriftsteller nachgelesen, aber von eigentlichem Schwefelgehalt nichts zuverläßiges gefunden. Die ältern Untersuchungen, wodurch man die Gegenwart des Schwefel in solchen Wäßern zu beweisen glaubte, sind ganz fehlerhaft, weil man den Schwefel so man bey der Untersuchung künstlich erzeugte, für Gehalt des Waßers ansah – den Mineralwäßern fehlt es nicht an erdharzigtem brennbaren Stoff und auch selten an Vitriolsäure haltigen Salzen, wird nun ein solches Waßer bis zur Trockene abgedunstet und dem Reste Sublimirfeuer gegeben, wie es einige bey dieser Untersuchung gethan haben, so muß hier allerdings künstlicher Schwefel entstehen. Schwerlich kann ich glauben, daß Bergman und noch andere recht haben, daß der nach Schwefel riechende Dunst, welcher besonders bey einigen warmen Mineralwäßern aufsteigt, wirklich Schwefel enthalte, der sich bey Berührung der admospherischen Luft absetze – vorzüglich aber kan ich mir vom flüchtigen Schwefel wovon Brückmann sagt gar keinen Begriff machen, und es ist ganz wider die Natur des Schwefels, wenn er wirklicher Schwefel genannt werden kann, daß er sich lieber mit der fixen Luft| 4 | oder Luftsäure als mit dem mineralischen Laugensalze verbinden sollte, das doch beym Carlsbaderwaßer einen so vorzüglichen Bestandtheil ausmacht, und die Laugensalze das wahre Auflösungsmittel des Schwefels sind. Warscheinlicher scheint es zu seyn, daß der von solchen Wäßern aufsteigende nach Schwefel riechende Dunst, bloßes brennbares Wesen mit Luftsäure verbunden ist, das durch die dazu kommende admospherische Luft von der Luftsäure getrennt wird, und seiner Flüchtigkeit wegen verdampfen muß ohne auf die Wirkung des zurücklaßenden Waßers den geringsten Bezug zu haben.

  So viel mir bekannt ist, hat noch Niemand mit den von heißen Mineralquellen aufsteigenden hepatischen luftartigen Dunst Untersuchungen angestellt, die doch vieleicht am zuverläßigsten über die Entstehung der heißen Mineralquellen Licht geben könten. Man könte diesen luftartigen Dunst auffangen ihn durch frisches Kalkwaßer von der Luftsäure trennen und dann die zurückbleibende Luft nach ihren Eigenschaften prüfen, vorzüglich aber ihr Verhalten mit dem Sudiometer versuchen.

 Mit dem vollkommensten Respect höre ich nie auf zu  verharren  Ew. Hochwohlgebohren  unterthänigst gehorsamster   Johann Friedrich August Göttling

 

 
 

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Online-Edition:
RA 1, Nr. 211, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0211_00242.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 211.

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