Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 168
Von Friedrich Heinrich Jacobi

17. Oktober 1782, Münster

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Lieber Göthe

– Es fällt mir auf indem ich diese Wor-
te hinschreibe, wie lange ich sie nicht geschrieben habe,
und wie wenig ich vermuthete, sie jemals wieder zu schrei-
ben. Hätte mich dein Brief zu Haus getroffen, so wäre mei-
ne Antwort nun schon in deinen Händen, daß du mich
nicht bezahltest, hab' ich dir immer zum Besten ausgelegt.
Was ich an dir erkannt hatte, das hatte ich tief und un-
auslöschlich erkannt. Und so denke ich auch daß du weißt an
wen du geschrieben hast, und daß ich dir weiter nichts zu
sagen brauche, als was schon auf diesem Blatte steht. – –
Fühlst du das nicht auch je mehr und mehr: daß denen die
Gott lieben alle Dinge zum Besten dienen müßen?


   Von deiner Lage habe ich eine solche unvollkomme-
ne Vorstellung, daß es so gut als gar keine Vorstellung
ist. Du mußt viel erfahren haben, und wie man dich
auch nehmen mag, so hast du viel Größe und Vestigkeit
Bewiesen. Ich glaube also daß dir wohl ist, und wünsche | 2 |
dir von ganzer Seele Glück.


   Meine Lage kennst du. Sie ist nur noch
einfacher geworden. Ich wäre, in meinem Maaße, der
glücklichste Mensch auf dem Erdboden, wenn ich nur gesun-
der wäre. Diesen Sommer haben alle Leute geglaubt ich
würde sterben.


   Ich bin hier, mit meinen Schwestern, die dich
vielmals grüßen laßen, bey der Prinzeßinn von
Gallitzin, einem der außerordentlichsten, reinsten
und edelsten Wesen, so ich je gesehen habe. Du weißt
vermuthlich daß Sie meinen zweyten Sohn erzieht.
Morgen reise ich zurück nach Düßeldorf.


    Ich umarme dich mit vollem Herzen.


S: GSA 51/II,2 St. 16  D: JacobiI 3, Nr. 817  B: 1782 Oktober 2 (WA IV 6, Nr. 1584)  A: 1782 November 17 (WA IV 6, Nr. 1625)  V: Konzept 

J. habe nicht vermutet, die Verbindung zu G. wieder aufleben zu sehen (vgl. RA 1, Nr. 99); dennoch habe er ihm die Tatsache einer ausstehenden Schuldsumme immer zum Besten ausgelegt. - J. habe nur unvollkommene Vorstellungen von G.s Lage. G. müsse viel erfahren und viel Größe und Vestigkeit Bewiesen haben. J. wünsche ihm Glück. - Klagen über mangelnde Gesundheit. Er halte sich gegenwärtig mit seinen Schwestern bei der Fürstin Gallitzin auf, die seinen Sohn Georg erziehe.

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  Lieber Göthe

– Es fällt mir auf indem ich diese Worte hinschreibe, wie lange ich sie nicht geschrieben habe, und wie wenig ich vermuthete, sie jemals wieder zu schreiben. Hätte mich dein Brief zu Haus getroffen, so wäre meine Antwort nun schon in deinen Händen, daß du mich nicht bezahltest, hab' ich dir immer zum Besten ausgelegt. Was ich an dir erkannt hatte, das hatte ich tief und unauslöschlich erkannt. Und so denke ich auch daß du weißt an wen du geschrieben hast, und daß ich dir weiter nichts zu sagen brauche, als was schon auf diesem Blatte steht. – – Fühlst du das nicht auch je mehr und mehr: daß denen die Gott lieben alle Dinge zum Besten dienen müßen?

  Von deiner Lage habe ich eine solche unvollkommene Vorstellung, daß es so gut als gar keine Vorstellung ist. Du mußt viel erfahren haben, und wie man dich auch nehmen mag, so hast du viel Größe und Vestigkeit Bewiesen. Ich glaube also daß dir wohl ist, und wünsche| 2 | dir von ganzer Seele Glück.

  Meine Lage kennst du. Sie ist nur noch einfacher geworden. Ich wäre, in meinem Maaße, der glücklichste Mensch auf dem Erdboden, wenn ich nur gesunder wäre. Diesen Sommer haben alle Leute geglaubt ich würde sterben.

  Ich bin hier, mit meinen Schwestern, die dich vielmals grüßen laßen, bey der Prinzeßinn von Gallitzin, einem der außerordentlichsten, reinsten und edelsten Wesen, so ich je gesehen habe. Du weißt vermuthlich daß Sie meinen zweyten Sohn erzieht. Morgen reise ich zurück nach Düßeldorf.

  Ich umarme dich mit vollem Herzen.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 168, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0168_00182.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 168.

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