Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 105
Von Johann Friedrich Krafft

29. November 1779, Ilmenau

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    Hochwohlgebohrener
    Insonders hochzuEhrender Herr Geheime Rath


Ich dachte nicht mehr zu schreiben, aber, da Dero Abwesenheit sich noch wieder
Vermuthen, verlängert, da ich doch gerne wolte daß Dieselbe wahre Wissenschafft
von allen hier vorgefallenen hätten ehe Sie ins Land zurückkämen, da Sie Selbst
mir aufgetragen haben, mit meiner Freymüthigkeit und Wahrheitsliebe, (einer
im Weimarischen unbekandter Sache) alles was ich bemercke Ihnen zu berichten,
so habe ich diesen Brief, welches nunmehr der 4te ist, dem Sie in Franckfurth
vorfinden werden, noch abgehen zu laßen rathsam gefunden, da ich weiß daß er durch diesen
Weg Ihnen sicher zu Händen komt, und die Vorfallenheiten es erfodern.


Mein gantzes Herz blutet, wenn es den, wann nicht die Regierung ganz umge-
schmoltzen wird, so gewißen und nahen Ruin des Landes, wahrnimt. Wie gerne
wolte ich schweigen, wie gerne dem Hertzog und Ihnen, so traurige Anblicke erspa-
ren, wenn es nur die Sache litte, und wenn es nicht unverantwortliche Saum- | 2 |
seeligkeit und Undanckbarkeit für genoßene Wohlthaten, von mir wäre, zu
schweigen, und wenn es nicht der Pflicht eines redlichen Mannes ganz wieder-
stritte. Freylich wird die reife und große Verbeßrung die auf die Rettung
des Landes zu wenden ist, Mühe kosten, freylich bleiben große Herrn nach dem
gewönlichen Schlag, gerne im Schlummer des Müsiganges und Vergnügens
lieber liegen, und wollen nicht mit traurigen Erzählungen, die Ihnen die Mühe
kosten, würcksam zu werden, selbst nachzudenken, Verdruß, Sorge und
Arbeit erfodern, unterhalten seyn. Ich habe aber zu dem Herzog das Zu-
trauen, daß er nicht unter die starcke Zahl schlechter Fürsten gehöre, sondern
edel, gros dencke, wiße dass das Wohl des Landes das Wohl des Fürstens,
deßen Wiederherstellung, seine eigene Rettung, und Arbeit in solchen Fall,
die beste und kostbarste Pflicht eines guten Regenten sey. Ie mehr zu thun
ie schwerer die Verbeßrung ist, ie mehr Ehre für den Herrn der sie unter-
nimt, und ie mehr Ruhm nach der Arbeit, dann künftig. Soll ein Krancker
umkommen, der wenn auch seine Kranckheit gefährlich ist, zu retten
wäre, wenn man eyfrige Hand an die Kur legte? Werden nicht träge Fürsten
mit Schrecken aus ihrem Schlummer aufwachen, wenn die Folgen der ver-
kehrten Regierung zu späte sie aus dem Schlaff wecken,aus dem, Schmeichler
und furchtsame, sie nicht wecken wolten? werden Sie, weil sie nicht Lust haben
sich deswegen darum zu bekümmern, da Ihnen dies Mühe verursacht, deswegen | 3 |
die natürliche Folgen der Begebenheiten, die aus schlechter Regierung, untauglichen
Räthen entsteht, aufhalten? und wird die Zeit sich an ihrer Lust kehren? O wie eyfrig
wünsche ich, ich, der ich mich gantz einem Herrn aufopfern wolte, dem Sie zugethan
sind, und von dem ich deswegen alles Gute dencke, o wie eyfrig wünsche ich, daß
der Hertzog endlich einmahl, da es warlich hohe Zeit ist, die Decke von den Augen
wegnehmen, würcken wolte, ohne Ansehn der Person würcken wolte, da er
zumahl an Deroselben so einen guten Führer hat! Etwas davon, wie er würcken
solte, zu Ende des Briefes, ietzt zu hier vorgefallnen Umständen.


   Daß der Bürger Streit hier, wieder, und wie er rege worden, was dabey vor-
gefallen, wie der Cantzler und p. Hetzer heraus gekommen und die Bürgerschaft,
zu einer so genanten unterschriebenen Lossagung (doch nicht sie, denn die Bürger
wolten schon ohnunterschrieben fortgehn, sondern vielmehr der rechtschafne
Amtmann, von dem unten mehreres) bewogen, darauf nach Weimar, ohne für
diese Comission Geld zu nehmen, zurückgekehrt, 2 viertelMeisters, Merckel
und Buklitsch mit dem Dinge nach Wetzlar abgefertigt worden, dies finden
Sie alles schon in meinen letzten Briefen. Wunderlich und nicht den ordentlichen
Regeln eines Proceßes gemäß, kam mir die gantze Sache gleich anfangs
für. Die Bürger unterschrieben etwas, das, weil keine ordentliche Puncta-
tion dabey, eigentlich kein Vergleich heissen kan, sie sagten sich los
ohne zu erklären daß sie zufrieden gestelt waren, die Versprechungen | 4 |
der Hülffe waren nur mündlich, und allgemeineHofcomplimente, man
wolte ihnen, damit sie ofenbahr merckten, ihre Hauptbeschwerden würden liegen
bleiben, weissmanchen die Rechnungen die doch noch nichtberührt sind,
wären abgethan, man schickte dies Ding an den hertzogℓ. procurator von
Zwirlein in Wetzlar und lies es mit 3 grossen InnungsSiegeln versiegeln.
Alles Folgen grosser Unerfahrenheit und Mangel der Einsicht des Cantzlers,
der doch so stoltz auf seine Einsichten ist, und niemand verzeiht der ihm tadeln will.
Er dachte vermuthlich, iedes Gericht procedirte so befehlshaberisch, wie er, in
seiner Regierung, und wolte eben nicht mehr Gründe als seinen Willen haben, also
Der Verfolg ist dieser die 4telsMeister kamen nun, zum Zwirlein nach Wetzlar, und brachten das
versiegelte so genante Bürger document und ein Schreiben vom Cantzler.
Dieser, der wenig nach fremden Cantzlern fragt, schimpfte tüchtig, und
hies die hertzogℓ. Räte dum uℓ. d. gℓ. schickte sie endlich, wie natürlich, zu
ihrem Bürger advocaten dem Doctor Seuter. Der nahm es zwar an, sagte
aber, versiegelt was zu übergeben wäre wieder die Form des Cammer-
Gerichts, und dann, müßten sie erst ihm seine Kosten bezahlen, ehe er es
übergäbe, zudem wäre schon ein scharfes rescript wegen des immer
fortgehenden Processes, nach Weimar fertig, das nur auf die Unterschrifft
des abwesenden GerichtsPräsidenten wartete. Die Leuthe ließen es also
dort liegen, und kamen mit der tröstlichen Nachricht wieder hieher. Der hiesige
Amtmann, gewohnt für dem stoltzen Cantzler zu zittern, traute sich nicht | 5 |
die Schimpfwörter des Zwierleins zu protocolliren, und schickte also mit Recht,
die Abgesandten gleich selbst nach Weimar fort, um mündlichen rapport zu
machen. Nun komt wieder ein Hauptstreich der Ungerechtigkeit. Die Unkosten
des Bürgers advocaten müßen billig bezahlt werden, aber von wem? –


Gewannen die Bürger den Proceß, so müßte der Hertzog die Kosten gantz
allein tragen, und sie gewennen ihn sicher, da sie ofenbahr recht haben.
Sie ließen sich zum Lossagen durch nichtsbedeutende Versprechungen
einschläfern, solte die hiesige Regierung nicht froh sein, mit der Bezahlung
der wenigen Kosten durchzukommen, und hätte dies nicht die Liebe der Bürger
gewonnen? was wollen etℓ. 70 rℓ für den Hertzog sagen, der vielen,
unverdienter weise iährlich zu 1800 rℓ pension mit seinem äusersten Schaden
giebt, ia sogar Cammer Güter schenckt, die eigentlich gar nicht dürfen ver-
äusert werden? Ist es nicht eine Hauptklage der Bürgerschafft dass ihre
Cämmerey so zu Grunde gerichtet wird? Steht eine Sylbe in der Lossa-
gung daß die Bürger die Kosten bezahlen wolten? weislich wurde dies
bei dieser gantz wieder alle Form abgefaßte Lossagung, übergangen,
weil die Bürger nie würden darein gewilligt haben. Was thut nun die Re-
gierung oder der Cantzler? denn der ist der Allmächtige dem alles fürchtet.
Er schickt die 4tel Meisters mit einem Rescript an den hiesigen Amtmann
zurück, und giebt ihm auf, die 63 rℓ advocaten Kosten, und | 6 |
das reise Geld der Bürger sans façon aus der hiesigen Cämmerey ohne die Bürger zu fragen zu
nehmen, und gleich dem advocaten in Wetzlar zuzuschicken. Bey dem rescript lag
noch ein privat Schreiben Zwirleins an Hetzer, darinnen er ihm sagt.
    "Die Deputirten von Ilmenau wären bei ihm gewesen, er hätte sie
    wie natürlich, an ihrenadvocaten gewiesen. Dem hätten sie das versiegelte
    Schreiben übergeben. Es wäre wider Cammer Gewohnheit, Sachen
   verschlossen anzunehmen, der advocat müßte billig vorher bezahlt seyn
    ehe er sich lossagte. Der Form nach müßten sie einen, im Nothfall auch
    nur von Viertels Meistern im Nahmen und Mitwissen der Bürgerschafft
    unterschriebenen Brief, an den Bürger advocaten schicken und ihm
    die Ankündigung und Bitte der Bestätigung des Vergleichs, gemein-
   schaftlich mit dem Hertzogℓ. procurator zu bewürcken, auftragen. Dann
    wäre die zugesiegelte Schrifft gar nicht nöthig, es sey denn daß
    darinnen special Vollmacht zum Vergleich, und der Vergleich selbst
    läge, in welchem Fall er bäthe solche aufbrechen zu dürfen.
   Cassationen der vorhergehenden Decrete wäre bei dem Cammer-
    Gericht nicht Mode, sondern nur der vorgelegteVergleich, würde
   sub aquila, wie man es nente, oder mit dem Kayserℓ. Siegel be-
    stätigt. Die Kosten deswegen beym Cammer Gericht würde er wohl
    auslegen müssen, da die Deputierten erklärten der Herzog wolte | 7 |
die weitern Kosten übernähmen." Soweit ohngefehr Zwirlein, dessen Brief
ich zu sehen Mittel gefunden habe. Wie sehr leuchtet hier nun die Unwissen-
heit des Cantzlers und seine Übereilung bey der gantzen Sache hervor?


1) Müßte, wenn die Sache wie sich es gehört, solte ausgemacht werden
Puncte für Punckte ein Vergleich aufgesetzt und darinnen gesagt
werden, was beyde Theile, ieder seiner Seits thun wolte, verspräche, oder
nachgäbe.


2) müßte allerdings erwehnt werden, wer die bisherigen advocaten Kosten
der Bürger, und woher, bezahlen solte. Ein wesentlicher Punckt.


3) müßten natürlich die Bürger dieses ihren und nicht den Advocaten
des Hertzogs bringen.


4) müßte der Cantzler entweder selbst so viel, als gewesener Profeßor,
(welches man noch immer an ihm merckt) vom Reichs Proceß verstehen oder doch von andern erkundigen und nicht wieder
dessen Norm, verschlossen was hinzuschicken noch um die Cassation der
vorhergehenden edicte anzuhalten, wissen, daß zur Bestätigung eines Vergleichs, ein
vorgelegter Vergleich gehöre. So war alles Hultripulter.


Der dargebrachte Vergleich würde dann vom Camer Gericht bestätigt,
und untersiegelt, was sollen sie ietzt dort untersiegeln! Den Wisch
worauf die Bürger Namen stehen? Erfülte die Regierung darnach
nicht ihre versprochene Puncte, so blieb den Bürgern ihr regress
immer vor sich offen, da der Vergleich nur in spem Fortunæ| 8 |
justiticæ geschlossen war und anders nicht bestätiget werden konte. Blos
auf Gnade und Ungnade, sich dem Cantzler zu übergeben, waren die Bürger
gewiß weder willens noch hatten es Ursache, da sie zumahl die schlechte Gerechtig-
keit aus der Erfahrung kennen, die sie derwℓ erhalten haben. Über das Versehen, die
Bürger an den hertzogℓprocurator zu weisen, Cassationen zu bitten, und ver-
siegelte Schreiben zu schicken, schimpfte schon Zwirlein die Weimarischen Räthe, dumm ppp
(schlechte Ehre für den Hertzog!) was wird er nicht sagen, wenn er das Schreiben aufbricht
darinnen, weder einen ordentlichenVergleich noch specialVollmacht findet, wie er ietzt
voraus setzt, da er sich nicht vorstellen kan, daß Leuthe so gar ohne Kopf handeln?
Es fangen auch schon hiesige Bürger unter der Hand an zu sagen, das unter-
schriebene Ding, wäre so viel als nichts, da es nicht nach der ordentlichen Form eines
Vergleichs gemacht, das wesentlichste dabey vergessen worden, und die weima-
rischen Versprechungen nur mündlich wären, sie auch wohl sähen daß sie nicht
Lust hätten, was zu erfüllen. Wird das Cammer Gericht nicht etwa durch beson-
dere Wege gewonnen, so kan auch die Sache vernünftiger Weise, so nicht
aus gehen. Hierzu komt noch, daß ietzt eine That, auf ordre des Cantzlers
geschehen, welche, wenn die Bürgerschafft hier, oder das Cammer Gericht dort
sich versöhnte, die ganze Sache nichtig macht. Nehmlich, daß, wie ich schon oben
angeführt habe, der Cantzler ohne Mitwissen der Bürgerschafft Sans| 9 |
Facon, 63 rℓ. etℓ Groschen Advocaten Gebühren und 11 Laubtaler ud 14 Batzen
aus der hiesigen so verschuldeten Cämmerey nehmen und nach Wetzlar schicken
lassen. (Dazu muß solche gewiß wieder zu andern Ausgaben, die deswegen nicht
geschehen können, ein Capital borgen, denn sie ist gar zu in schlechten
Umständen und die Diæten Kosten unützer Commissionen haben dazu
reichlich geholffen. Hätte ieder unütze Comißair, der sich, ohne was zu thun
als Ungerechtigkeiten zu bestätigen, oder wenigstens nicht zu hindern,
hier aufgehalten, etwas weniges von seinen empfangenen Sünden Diaeten
hergegeben, so wären die Proces Kosten bald bezahlt worden) Ausser
dem haben die 4telsMeister ein Schreiben, ohne Zuziehung und Mitwissen
der Bürgerschafft ausfertigen müssen, darinnen sie ihrenAdvocaten er-
suchen, mit Zwirlein gemeinschafftliche Sache zu machen, den Vergleich bestätigen
zu lassen. (Was für einen Vergleich?) Dabey sagen, sie hätten mit
Wissen der Bürgerschafft Mittel gefunden, ihm seine Kosten hier mit zu schicken.
Dies ist ia ofenbahre Lüge und wenn es das Cammer Gericht oder die Bürgerschafft
erfährt, so ist die gantze Sache als illegal aufgehoben. Die Bürger wissen
kein Wort, von der zurückgebrachten Antwort der Viertelmeister, sie
wissen kein Wort von ihrem Brief und haben nicht in ihr neu Schreiben eingewilligt, sie
wissen kein Wort und haben nicht eingewilligt, die Kosten aus der Cämmerey
zu bezahlen, wie die viertels Meister, die dadurch als Schlechte Leuthe | 10 |
an der Bürgerschafft handeln, in ihrem Schreiben doch sagen. Warum
sagen sie, wir haben Mittel gefunden, warum nicht gerade, wir bezahlen
es aus der Cämmerey? Sie trauen sich es nehmlich nicht gerade zu sagen Will der Cantzler sagen, es ist natürlich daß
die Bürgerschafft ihre Kosten bezahle, sie hat durch ihre Unterschrifft in
alles gewilligt, warum trug er dann der Bürgerschafft diese Sache, von
der ein Kind begreifen mußte das sie folgte, wann der Advocat den
Proces auf heben solte, nicht vor? warum lies er es ihr nicht ietzt vortra-
gen! wer giebt ihm ein Recht über Bürger Cämmerey pro lubitu zu
disponiren, da inzwischen sein Hℓ. Vetter der hiesige Steuer Einnehmer,
ungestrafft unter seinen Augen die Bürger betrügt? Haben dann die
vorigen Proces Kosten die Bürger auch aus der Cammerey bezahlt? würden
sie und werden sie beym Fortgang es thun? warum dann diese? wußte
er denn den Willen der Bürger darinnen? Zeigte er ihnen nicht
dadurch aufs neue, was für schöne Gerechtigkeit sie von ihm zu
erwarten haben? Gesetzt auch, er fände Mittel dies alles in
Wetzlar zu verfügen daß es gut ausfiel, wie doch noch ungewiß
ist, und wenn das Cammer Gericht gut denckt, kaum geschehen wird,
gesetzt er hat nun die Bürgerschafft, seiner Meinung nach von
allem Schutz entblöst, da er Mittel gefunden die 2 Viertels | 11 |
Meister, die noch etwas zum Besten der Bürger sprachen, in schlechte Kerle
und Verräther zu verwandeln, denn Verräther sind sie, da sie ohne Wissen
der Bürgerschafft solche Briefe schreiben, als wenn es mit der Bürgerschafft Wissen geschehen,
und das Geld bezahlt, so gar aus der Cämmerey bezahlt wäre, und wer
einmahl schlecht und Verräther wird, ist es in mehrern Sachen. Die 2 andern
Viertels Meister, Schnaus und Fleischhacker sind erbärmliche Creaturen
die theils unter dem banquerout stehen, theils nicht lesen und schreiben, vielweniger
dencken können, und sagen willig zu allem ia. Gesetzt also, er hätte seiner
Meynung nach nun gewonnen, und könte nun nach Gefallen wirthschafften,
so kan doch der Hertzog seine Unterthanen nicht so dem Wolff preiß
geben, so muß Er selbst, die Schaafe, die keine, oder doch untreue Hirten
haben, vertreten, aus der Räuber Hände retten. Denn, wie oft habe
ich den wahren Satz gesagt, geht das Land zu Grund, so geht der Fürst
mit. Daß aber es bey ietziger Regierung zu Grund gehen müße, kan
ein Kind begreifen. Ich will also von dem was mit dem Bürger
Streit bisher vorgefallen hier soweit schließen, da ich alles ge-
sagt habe, was bisher darinnen geschehen, das Geld fortgeschickt ist, die Zeit das übrige lehren muß und ich die Instruction,
die der Cantzler von Weimar aus, Zwirlein gegeben hat, nicht weiß,
ohngeachtet ich die Sache so gewiß eben nicht geendigt glaube, und
auch noch anführen muß, wie die 3 gleich anfangs ausgetretenen
Bürger, Reichard, Schneider und Heintze noch immer in Weimar | 12 |
sind, und ihre heimℓ. Correspondentz hier unterhalten, ob ich gleich nicht weiß,
ob sie den Vorfall mit den aus der Cämmerey bezahlten Proces Kosten
werden zu wissen bekommen, auf diese 3 Bürger wenn sie die Sachen, sowie sie vorge-
gangen sind, erfahren, durch eine Schrifft alles geschehene als illegal geschehen, aufheben
können, sicher auch wieder mehr Anhänger hier finden werden, da die Ungerechtig-
keiten mit denen Rechnungen zu laut und offenbahr und starck sind.


Ich will nur noch auf das kürtzlich kommen, was hier zur Rettung von
Verderben schlechterdings geschehen muß, und wobey dem Hertzog gar
keine Wahl übrig bleibt.


Erst hiesige Sachen. Daß die Stadt sehr herunter gekommen, und zu dem sehr verschuldet
ist, ist ofenbahr. Daß schlechte Verwaltungen dazu vieles beytragen können, und
beygetragen haben, ist eben so klar. Daß in keinem vernünftig regierten und
ordentlichen Staat, Rechnungen länger als 1/2 Jahr undurchsucht bleiben, genau
geführt, über alles geführt, und keinem nichts nachgesehen auch
untüchtige und untreue Rechnungsführer bestrafft, abgesetzt werden müssen,
wenn sie erst den gethanen Schaden ersetzt haben, ist eine Grund Regel.
Daß keine Regierung darinnen nachsehen muß, weil ein Vetter, Günstling
oder anderer Client, der schlechter Rechnungsführer ist, ist richtig. Daß Stadt
und Kirchen Gelder müssen berechnet und nicht pro lubitu empfangen und
ausgegeben werden ist iedem Kind bekandt. ppp. Wie steht es nun hier?
Der Burgemeister Scherf administrirte das Brau Wesen, eine | 13 |
Hauptrevenüe der stadt, die ietzt beym verpachten bey 1200 rℓ iährlich einbringt;
kauft schlecht Getreide, verschenckt und läßt Bier brauen, das man endlich um 3 dℓ verkaufen
muß, und hat bis ietzt noch keine Rechnung davon gethan, sagt er hätte es vergeßen,
bekomt noch auf Vorschrifft des vorigen Amtmans Douceur für seine Korn aufsicht
in der Theuerung und für, bey denen Armen doch nicht gehabte Mühe. Er und Gru-
ner kaufen zu den theuren Zeiten Korn theurer als der Marckpreis ist, ein, borgen ein Capital
dazu im Nahmen der Stadt, verwalten die Sache nach Belieben, es bleibt Getreyde übrig,
der Hℓ. Departements Rath Hezer komt immer auf theure Commissionen heraus, das übrige
Getreyde bleibt ruhig mit der Rechnung liegen, nach langen Jahren, da die Mäuse schon
es halb aufgefressen haben, wird es endlich ietzo verkaufft, kurtz vorher sind dem
neuen Amtmann angegeben, es wären noch 280 Maas, wie er es selbst messen
läßt ist es in der sehr kurtzen Zeit, Gott weiß wodurch,geschmoltzen, daß
nur 250 Maaß da und ietzt verkaufft sind. Das Maas ohngefehr 2 1/2 rℓ.
Dies Geld hat er auf ausdrücklichen Befehl des Cantzlers dem Steuer Einnehmer
(der es zu seinem Burgemeister Schnaus gebraucht haben wird) geben müssen.
Von dem gantzen Korn Kauff ist aber nach so langen Jahren noch weder Rechnung
gethan worden, noch wird in Ernst dran gedacht. Die Gelder werden sicherlich dem
Steuer Einnehmer aus mehr als einer Ursach gelassen werden. Die Cämmerey
Rechnungen sind seit 15 Jahren & mit Vorwissen Hetzers als Departements
Rath, der viele Rechnungen davon so lange in Händen gehabt hat, nicht
geschehen. Letzteres wurde mit dem Bergcomißair angefangen, | 14 |
aber auch dessen Hauptabschlus, woran eben immer alles liegt, ist auch nicht geschehen,
und wieder liegen blieben, Gott weis wie lange. An die andern wird gar nicht
gedacht. Die Kirchen Rechnung hat der Stadt Secretair seyd 5 Jahren nicht
abgelegt, und lacht nur dazu wenn der neue Amtmann ihn dazu anhalten will. Der Superinten-
tend, der in Sachen die seinen Profit betreffen, sonst ein sehr gros Maul
hat, hat ruhig dazu geschwiegen. Dieser Stadt Secretair, der sich durch
seine Frau, auf denen Hℓ. v. Staff verläßt, sieht die Stadt als sein Eigenthum an,
entscheidet nach Gefallen zu Haus Partheyen, legt eingelaufene Rescripte nach
Belieben dem Stadtrath vor oder unterdrückt sie, fertiget consense zum
Geld borgen für die Bürgerschafft aus, ohne den gantzen Rath darum zu fragen, kurtz
handelt als Oberherr, und nimt es übel wenn man ihm nicht so handeln lässt.
Sein Archiv ist in der grösten Unordnung, Hℓ. Departements Rath Hetzer weiß
es und leidet es. Eben dieser Stadt Secretair hat die Kriegsrechnung zu
thun. Die Bürger wissen, daß mancher Stand und Herr seinen Durchzug be-
zahlt hat, sie wissen daß viel Utensilia und allerley Getreyde und
Magazin Sachen übrig geblieben sind, und doch weiß niemand wo dies
alles hinkommen ist, niemand woher er das seinige das man ihm schuldig
ist, bekommen kan, niemand hat noch bis ietzo einen strich von der
so lange Jahre vorbeyseyenden Kriegsrechnung gesehen, und es ist
auch nicht daran zu dencken. (Ich mögte incidenter wohl wissen, woher
der Stadt Secretair die 1500 rℓ hergenommen, die er in die | 15 |
(Er sagt, zur Zeit des Krieges hätte er immer freye Tafel auf seine Kosten halten müssen. Die untersuchten Rechnungen
    würden weisen, daß es auf der Bürger Kosten gewesen.[)]
Steuer Caße gelegt hat, in schlechtem Geld, und nachher in gutem wieder he-
raus genommen? dies nur in parenthesi). Die Bar Rechnungen sind erbärm-
lich und in schlechten stand. Steuer revisionen wie sie seyn sollen, sind
in undencklichen Jahren nicht geschehen. Ietzo wird zum Schein, schon seit 1/2
Jahr eine Untersuchung der SteuerBücher gethan, damit man sagen kan
der Steuer Einnehmer sey richtig. Es ist aber so viel als nichts. Ich habe
schon in einem besondern Brief gesagt, wie dies eigentlich geschehen muß,
wann es recht seyn soll. Wo kan der Steuer Einnehmer, der Gott und
aller Welt schuldig ist, richtige Steuer Bücher führen, da viele ihre Schulden
anrechnen, und letzthin nur ein einziger Metzger ihm 80 rℓ so abzog,
und doch hat dieser Steuer Einnehmer oft nicht 1 gℓ den er sein nennen kan.
Wo soll er dies ersetzen? Aber, ich bin dabey hinter eine Sache gekommen,
die wohl ihm seine große Freunde müssen angegeben haben, um dem
Schein nach, ihm gegen dem Hertzog als einen ehrlichen Mann zu rühmen, als
ob dessen Rechnungen richtig wären Nehmlich der Steuer Einnehmer
bestehttaliter qualiter mit denen Steuer Resten, weil er alles
in die Korn Rechnung schmeisst und geschmissen, auch wohl die neu
eingenommenenGelderdazu gebraucht hat. Hier liegt die List. Korn Rech- | 16 |
nungen werden ihm nicht abgenommen, oder es nimt sie ihm iemand
der sich vor dem Cantzler fürcht, ab, und wischt mit den Fleder Wisch denn
So poßirt ein Mann für einen ehrlichen Mann, der überall davon geiagt
würde, und so macht man den Hertzog blauen Dunst vor. 200 rℓ Deposit
Gelder soll er auch zum beständigen gleichen Aufweisen haben, und ich wette
er hat nicht einen Heller liegen. Dieser Hℓ. Vetter des Cantzlers und des Hofraths
Eckardt wird von beyden gestützt und von ieden, auch den ietzigen Amtmann, als
ein ehrlicherMannangepriesen und empfohlen. Es heißt hier Similis simili
gaudet. das Land muß mit seinem Ruin die Vettern des Hℓ. Cantzlers
füttern. Ich und kein ehrlicher Mann wird den Ruf haben wollen, den der
Hofrath Eckardt in Coburg hinterlassen hat. Das ist nun so eine kurtze Be-
schreibung der hiesigen Laage wozu noch komt daß auch die Bürger von dem
Pachter in Pörlitz, dem auch der Hℓ. v. Staff, non sine causa, stützt, in ihren
Hüthungen sehr geschmälert, Pensionen auf ihre Cämmerey Cassen, an Leuthe
dies es nicht verdienen, oder sonst Gnaden die ihnen zur Last fallen, und Commißio-
nen die in die 100te laufen und nichts helfen, gegeben werden. So sieht
es hier aus, wo kan so ein Land bestehen? es geht auch sichtlich zu Grunde
und doch habe ich noch lange nicht alles gesagt. Dies müßte mündlich ge-
schehen, vors schreiben ist es zu weitläuftig. Nunmehro da auch die
2 viertel Meister, die doch noch etwas sonst sprachen, vom Cantzler | 17 |
gewonnen scheinen, er ihnen auch wohl seinen Vetter Steuer Einnehmer
und ietzigen Burgemeister empfohlen hat, welcher auch verschiedene schlechte Bürger auf seiner Seite hat, mus die Stadt gantz zu Grunde
gehen, wenn Gott sie nicht besonders schützt, oder der Hertzog Selbst als Vater,
der verlassenen Unterthanen, wieder ihre mächtigen Feinde sich annmimt. Nun
ist hier keinem mehr, weder Rathsherrn noch 4​tel Meister zu trauen, weil
sie noch gerade Alle an einen Strang ziehen, so wie auch einst Hartung gesagt
hat, ich bin nur der kleinste Schelm gewesen, drückt man mich, so müssen alle
fort. Ehrliche Bürger, ohne Bedienungen giebt es noch hier und da Alle Mittel dem Land helffen zu wollen, sind vergebens wenn nicht erst
Gerechtigkeit aus geübt wird. Erst muß ich die Wunde rein ausbeitzen
und dann erst setzt sich gesund Fleisch. Ich hätte viel, viel hiervon noch zu sagen,
wünschte aber Ew Hochwohlgeboℓ. mündlich deswegen zu sprechen.


Des geistlichen Stands muß ich ebenfals noch einmahl, wie schon in einem vorher-
gehenden Brief erwähnen. Gestern wurde der neue Caplan eingeführt,
aber o heu! was ist das für ein Mann! Es ist eben nicht hübsch von Hℓ. von
Lyncker daß er seine Informatoren, wann sie nichts taugen, zum Prediger
denen Städten aufdringt. Füttre er sie doch allein. Der Superintend ist
als Geistlicher betrachtet, nicht weit her, der gantz und gar überflüssige
Früh Prediger, eher zu iedem andern Hirten als zum Geistℓ. geschickt, unwissend,
und versteht nichts, beyde aber, sind gegen den Caplan Männer von
grosen Einsichten, schliesen Sie nun, was das für ein schlechter Mann sey

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Mich wundert daß Hℓ. p Herder nicht einmahl den geistℓ. Schaftstall aus-
fegt und ieden Geheimenrath pro lubitu [?] blos weil sie Informatores bey
ihm gewesen sind, solche Leuthe die iung sind und [?] nichts verstehen, auf-
dringen läßt, Seine Anzugs Predigt war erbärmlich, so wie sie ein Schul-
knabe machen würde. Da in Ansehung der Erziehung der Jugend, so
viel an guten Geistℓ. hängt, so kan ich den Hertzog dies Fach zu ver-
bessern nicht genug empfehlen.


Noch was vom hiesigen Amtmann. Der Mann scheint mir, ie mehr ich ihm
untersuche, einer der wenigen rechtschafenen Leuthe und guten und brauchbaren
Diener des Hertzogs zu seyn. Da seine Rechtschaffenheit und grades Wesen,
ihm Feinde gemacht hat, und machen wird, denn nur Amtleuthe die schlecht
dencken, können hier in Ruhe leben, so empfehle ich ihm, um so mehr dem
kräftigen Schutz und der Vorsprache bey Gelegenheit heimlicher Feinde,
Ew Hochwohlgebℓ. Da ich an dem Mann gemerckt habe, daß er furcht-
sam wird, weil er zu viel schlechtes hier findet, und es nicht bessern
kan, ohne Personen die der Cantzler ihm als rechtschaffen empfiehlt,
und ohne Günstlinge Anderer z. E. des Hℓ. Cammerherrn pp. wie den
Stadt Secretair, anzugreiffen. Am Ende leidet dann der Hertzogℓ. Nutzen
und das Land bleibt im Argen. Er braucht also Herzoglichen | 19 |
Schutz, Gnade und Ermunterung. Rechtschaffen ist er gewiß, wenn er nur
frey handeln darf, aber seine Wiederstände sind ihm allein zu mächtig.
Eine höhere Stütze muß dazu kommen, und dies möge doch, im Nahmen der
Rechtschaffenheit bitte ich, Ew Hochwohlgebℓ. seyn. An Verläumdern kan
es hier redlichen Leuthen nicht fehlen, da so wenige der Letztern hier sind.
Eins muß ich noch sagen. Ich habe von Untersuchungen, von wichtigen
Untersuchungen gesprochen. Aber um Gotteswillen müssen solche nicht
ietzo, nicht durch die gegenwärtige Räthe geschehen. Sie fallen sonst schlecht
aus, alles wird richtig befunden werden, wenn es noch so unrichtig, und wohl
so ist, das anderwärts Vestungs Bau drauf stünde. Wo könen oder werden
Räthe, oder Cantzler Unordnungen rügen, oder als solche ergeben, die
sie selbst theils verursacht, theils gebilligt, theils durchs Nachsehn,
fortlauffen lassen? Vor allen Dingen sehe der Hertzog, einen
oder besser 2 geschickte, redliche, unerschrockene, nichts von Menschen
furcht wissende Räthe, die sich weder an den ietzigen Cantzler, noch
Minister, noch Regierung kehren, in seine Dienste zu ziehen, und
trage dann denen, so wie ich ihnen Anleitung geben will, die Unter-
suchung auf. Dann wird er erstaunen, wie er bis her hintergangen
worden. So lange dies nicht ist, mag alles bleiben, denn es hilfft nichts,
und ist vergebens. Auch, schon als durchgesehen angegebene Rechnungen | 20 |
und Sachen müssen noch ein mahl von denenselbenrevidirt werden. Dann
wird sich finden, was für ein Unterschied, zwischen Durchsicht und Durchsicht ist.
Minister die niemand vor sich lassen, Menschenfeinde, die blos nach Eigen-
sinn handeln, Cantzler die noch immer dencken auf dem Catheder zu stehen,
stoltz sind, in nichts unrecht haben wollen, zum Grundsatz haben, sic volo
sic iubeo, stat pro ratione voluntas, zu viele Vettern haben, die
sie schützen, in Dienste einschieben, so wenig sie taugen, denen es nur um
sich, nicht um das wahre Beste ihres Landes und Fürsten zu thun ist. Præsi-
denten die ihre Informatores mit Diensten belohnen, wenn sie gleich solche
nicht verdienen, grimmige, eigennützige, menschenfeindliche, keine Gründe
hörende, Räthe, die schlecht und faul und langsam arbeiten, dabey
furchtsame Schmeichler sind, alles dem grossen allmächtigen Manne
zu Gefallen bestätigen, wan es noch so falsch ist, hingegegen die
billigsten Sachen verwerfen, ohne zu wissen warum, diese alle sind nicht des
Hertzogs Sache, wenn das Land besser werden soll. Es wird Arbeit,
Dencken, ia Strenge kosten, den vielen Unrath auszufegen, aber
es muß seyn, wenn das Land nicht verderben soll, und die Devise
des Hertzogs solte seyn aut nunc aut nunquam – die wenigen
Länder, die nach schlechten Regierungen, gute bekommen, und so | 21 |
wieder blühend werden, wenn man Anders nicht zu spät ihnen zur Hülffe
gekommen ist, fangen mit Verbesserungen der Cassen, und Untersuchung
der Pensionen an. Unter schlechten Verwaltungen werden gemeiniglich
von letztern mehr ausgetheilet als es das Land und der Herr tragen kan
Billig und Pflicht des Herrn für sich und sein Land ist, solches unter-
suchen zu lassen, und was nicht kan gerechtfertiget werden einzuziehen.
Besser einen begangenen Fehler verbessert, als ihm, wieder ein-
mahl geschehen, fortlaufen lassen. So in grosen, so in kleinen. Auch
hier muß die Cämmerey Caße erst wieder gefült werden, durch Unter-
suchungen gefült werden, ehe man was draus nimt. Dann halte sich
der Hertzog einen Mann, ohne Caracter, und ohne Anstellung in einem
Collegio, blos zum Bereisen des Landes, zum aufmercken, wo es
fehle, wie ihm könne geholffen werden, und ob alles recht geschehe.
Er laße ohne sein Vorwissen, und Prüfung nichts von keinem Collegio
oder Minister geschehen, sehe mit eigenen Augen, glaube keinen
Verläumdungen sondern prüfe selbst, laße sich aber auch nicht
Wolcken für die Augen machen. So kan, so muß es beßer werden.
Der neu erregte Bürger Streit, kan viel aufdecken, wenn nur recht
untersucht wird. Doch noch ein mahl, durch neue Räthe, nicht durch die ietzigen.

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Der Amtmann hier hätte dann ein gutes Werck durch diesen Schritt gethan,
ob ich gleich solchen wenn er mich gefragt freylich nicht gebilligt haben würde, den
er aber im Dienst Eyfer und der Unschuld seines Hertzens getahn hat. Welcher
Mann ist gantz von Schwachheit frey. Genug er ist würcklich ein ehrlicher Mann.
Ich lobe, Sie wissen es, nicht ohne Grund und zu leicht, nur braucht er mächtigen
Schutz gegen die vielen Cabalen hier und in Weimar.


Auch müssen die Arbeiten der Regierung und Collegiorum gantz eine andere
Gestalt und Ordnung als ietzo gewinnen. Ietzo ist es dort gewöhnlich, nach
6 Jahren auf eine Anfrage zu antworten, wen die Sache fast vergessen
oder zu Grund gegangen ist. Deswegen muß ich noch anführen, wie die Acten
und Registratur bey hiesigem Amt in der äusersten Unordnung sey,
auch die Bauern sich alle Commissionen verbitten, da sie mit einem
guten Amtmann allein besser und ohne Kosten auskommen können.


    Nach 1000 Fragen und Fragen, findet, wie es heißt die Cammer
Bedencklichkeit Riethen, hier unter die erste Classe der Kaufleuthe
zu setzen. Da die erste Claße, bis ietzo nur eine Chimere ist,
weil hier vor der Hand gar keine Classen sind so habe ich ihm gerathen,
diese, wieder meinen Willen erregte Sache, von einen seiner unüber-
   23
legt handelnden Freunde (blos zu Ew Hochwohlgebℓ. gesagt, dem Hautmann
v. Castrop) in Weimar, zur Unzeit erregte Sache gantz vor der Hand liegen zu lassen Er ist ein
nützlicher Bürger des Hertzogs und wird es noch mehr werden, packt man
ihm über einzelne Sachen an, so wird er ia sich wehren können, und
dann traue ich, wenn die Sache gerecht ist, auf des Hertzogs Gerechtig-
keit und Derselben Vorsprache. Den Titel als Hof Factor aber
hoffe ich, soll er, nach des Hertzogs Wiederkunfft von dessen Gnade
erhalten.


Mit Petern steht es so weit noch gantz gut. Der Hℓ. Cammerherr behandelt
ihm ietzo gantz artig. Nur sein Wild Meister gefält mir nicht, und
dort ist immer Streit unter denen Purschen. Da er durch authoritæt
des Hℓ. v. Staff beygelegt werden muß, so fürchte ich, da die Bitter-
keit in dem Hertzen bleibt, Peter werde dort nichts lernen. Ich habe
Rieths, um ihm von schlechten Gesellschafften abzuziehen, gebeten,
daß sie ihm, so offt er will, abends den Zutrit erlauben. Lernt
er da nichts, denn dort kan ich nicht den docenten machen, so lernt
und sieht er doch auch nichts Böses. Ich wünschte recht sehr, Sie ließen ihm nach Dero
Zurückkunfft Selbst auf einige Tage zu sich kommen.
Ich habe viel, doch lange nicht alles geschrieben, was ich auf dem Hertzen
habe. Halten Sie es meinen Eyfer für die Gerechtigkeit, für | 24 |
den Hertzog und für Sie, zu guth. Mündlich würde ich mehr sagen,
doch möchte ich Ihnen allein sprechen. Von mir selbst sage ich nichts.
Schon in meinen ersten Brief habe ich meine Laage, wie sie schon
für 10 Wochen war, geschildert, Dieselben werden leicht selbst ein-
sehen, wie sie in Ansehung meiner privat Umstände nach so
einer langen Abwesenheit seyn kan.


Ich hoffe endlich ein mahl bald wieder von Ihnen Nachricht zu erhalten
und bin mit der vorzüglichsten, und was mehr ist, aufrichtigsten
    Hochachtung



    Ew Hochwohlgebℓ

    verpflichtester Diener

    Krafft.


S: GSA 62/37 Bl. 80-91  D: Voigt, Empörung 58-61 (T)  B: -  A?: 1780 Januar 17 (WA IV 4, Nr. 880)  V: Konzept 

Da G. ihm aufgetragen habe, mit Freymüthigkeit und Wahrheitsliebe zu berichten, tue er es in dem Glauben, daß der Herzog gros dencke und wiße daß das Wohl des Landes das Wohl des Fürstens sei. Werden nicht träge Fürsten mit Schrecken aus ihrem Schlummer aufwachen, wenn die Folgen der verkehrten Regierung zu spät sie aus dem Schlaff wecken [...] ? Bericht über das juristisch-prozessual verfehlte Auftreten der Ilmenauer Viertelsmeister J. A. Merckel und J. G. Bucklitsch mit dem Bürgerdokument (vgl. RA 1, Nr. 104) in Wetzlar bei dem herzoglichen Prokurator C. J. von Zwierlein und dem Bürgeradvokaten K. G. Seuter und über die unberechtigte Aufbürdung der Advokaten- und Reisekosten auf die städtische Kämmereikasse durch Kanzler A. L. F. Schmid. - Ausführlicher und durch Einzelheiten belegter Bericht über die finanzielle Mißwirtschaft in der Stadt. Auch sei der neu eingesetzte Kaplan ein schlechter Mann. K. wundere sich, daß Herder nicht einmahl den geistlichen Schafstall ausfegt. Dagegen sei Amtmann H. A. Ackermann von großer Rechtschaffenheit, brauche aber den herzoglichen Schutz, um allen Kabalen widerstehen zu können. Vor allen Dingen sehe der Hertzog, einen oder besser 2 geschickte, redliche, unerschrockene [...] Räthe [...] in seine Dienste zu ziehen, und trage dann denen, so wie ich ihnen Anleitung geben will, die Untersuchung auf. / Auch müßten die Arbeiten der Regierung und Collegiorum gantz eine andere Gestalt und Ordnung als ietzo gewinnen. - K. hoffe, daß J. M. Rieth den Titel Hoffaktor nach der Rückkehr des Herzogs erhalte. - P. Im Baumgarten solle bei Rieths verkehren, Streit unter den Burschen um ihn müsse A. W. F. von Staff beilegen; G. möge Peter auf einige Tage zu sich nach Weimar kommen lassen. - K. habe lange nicht alles geschrieben, was er auf dem Hertzen habe. / Mündlich würde ich mehr sagen, doch möchte ich Ihnen allein sprechen.

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    Hochwohlgebohrener   Insonders hochzuEhrender Herr Geheime Rath

 Ich dachte nicht mehr zu schreiben, aber, da Dero Abwesenheit sich noch wieder Vermuthen, verlängert, da ich doch gerne wolte daß Dieselbe wahre Wissenschafft von allen hier vorgefallenen hätten ehe Sie ins Land zurückkämen, da Sie Selbst mir aufgetragen haben, mit meiner Freymüthigkeit und Wahrheitsliebe, (einer im Weimarischen unbekandter Sache) alles was ich bemercke Ihnen zu berichten, so habe ich diesen Brief, welches nunmehr der 4te ist, dem Sie in Franckfurth vorfinden werden, noch abgehen zu laßen rathsam gefunden, da ich weiß daß er durch diesen Weg Ihnen sicher zu Händen komt, und die Vorfallenheiten es erfodern.

 Mein gantzes Herz blutet, wenn es den, wann nicht die Regierung ganz umgeschmoltzen wird, so gewißen und nahen Ruin des Landes, wahrnimt. Wie gerne wolte ich schweigen, wie gerne dem Hertzog und Ihnen, so traurige Anblicke ersparen, wenn es nur die Sache litte, und wenn es nicht unverantwortliche Saum| 2 |seeligkeit und Undanckbarkeit für genoßene Wohlthaten, von mir wäre, zu schweigen, und wenn es nicht der Pflicht eines redlichen Mannes ganz wiederstritte. Freylich wird die reife und große Verbeßrung die auf die Rettung des Landes zu wenden ist, Mühe kosten, freylich bleiben große Herrn nach dem gewönlichen Schlag, gerne im Schlummer des Müsiganges und Vergnügens lieber liegen, und wollen nicht mit traurigen Erzählungen, die Ihnen die Mühe kosten, würcksam zu werden, selbst nachzudenken, Verdruß, Sorge und Arbeit erfodern, unterhalten seyn. Ich habe aber zu dem Herzog das Zutrauen, daß er nicht unter die starcke Zahl schlechter Fürsten gehöre, sondern edel, gros dencke, wiße dass das Wohl des Landes das Wohl des Fürstens, deßen Wiederherstellung, seine eigene Rettung, und Arbeit in solchen Fall, die beste und kostbarste Pflicht eines guten Regenten sey. Ie mehr zu thun ie schwerer die Verbeßrung ist, ie mehr Ehre für den Herrn der sie unternimt, und ie mehr Ruhm nach der Arbeit, dann künftig. Soll ein Krancker umkommen, der wenn auch seine Kranckheit gefährlich ist, zu retten wäre, wenn man eyfrige Hand an die Kur legte? Werden nicht träge Fürsten mit Schrecken aus ihrem Schlummer aufwachen, wenn die Folgen der verkehrten Regierung zu späte sie aus dem Schlaff wecken,aus dem, Schmeichler und furchtsame, sie nicht wecken wolten? werden Sie, weil sie nicht Lust haben sich deswegen darum zu bekümmern, da Ihnen dies Mühe verursacht, deswegen| 3 | die natürliche Folgen der Begebenheiten, die aus schlechter Regierung, untauglichen Räthen entsteht, aufhalten? und wird die Zeit sich an ihrer Lust kehren? O wie eyfrig wünsche ich, ich, der ich mich gantz einem Herrn aufopfern wolte, dem Sie zugethan sind, und von dem ich deswegen alles Gute dencke, o wie eyfrig wünsche ich, daß der Hertzog endlich einmahl, da es warlich hohe Zeit ist, die Decke von den Augen wegnehmen, würcken wolte, ohne Ansehn der Person würcken wolte, da er zumahl an Deroselben so einen guten Führer hat! Etwas davon, wie er würcken solte, zu Ende des Briefes, ietzt zu hier vorgefallnen Umständen.

  Daß der Bürger Streit hier, wieder, und wie er rege worden, was dabey vorgefallen, wie der Cantzler und p. Hetzer heraus gekommen und die Bürgerschaft, zu einer so genanten unterschriebenen Lossagung (doch nicht sie, denn die Bürger wolten schon ohnunterschrieben fortgehn, sondern vielmehr der rechtschafne Amtmann, von dem unten mehreres) bewogen, darauf nach Weimar, ohne für diese Comission Geld zu nehmen, zurückgekehrt, 2 viertelMeisters, Merckel und Buklitsch mit dem Dinge nach Wetzlar abgefertigt worden, dies finden Sie alles schon in meinen letzten Briefen. Wunderlich und nicht den ordentlichen Regeln eines Proceßes gemäß, kam mir die gantze Sache gleich anfangs für. Die Bürger unterschrieben etwas, das, weil keine ordentliche Punctation dabey, eigentlich kein Vergleich heissen kan, sie sagten sich los ohne zu erklären daß sie zufrieden gestelt waren, die Versprechungen| 4 | der Hülffe waren nur mündlich, und allgemeineHofcomplimente, man wolte ihnen, damit sie ofenbahr merckten, ihre Hauptbeschwerden würden liegen bleiben, weissmanchen die Rechnungen die doch noch nichtberührt sind, wären abgethan, man schickte dies Ding an den hertzogℓ. procurator von Zwirlein in Wetzlar und lies es mit 3 grossen InnungsSiegeln versiegeln. Alles Folgen grosser Unerfahrenheit und Mangel der Einsicht des Cantzlers, der doch so stoltz auf seine Einsichten ist, und niemand verzeiht der ihm tadeln will. Er dachte vermuthlich, iedes Gericht procedirte so befehlshaberisch, wie er, in seiner Regierung, und wolte eben nicht mehr Gründe als seinen Willen haben, also Der Verfolg ist dieser die 4telsMeister kamen nun, zum Zwirlein nach Wetzlar, und brachten das versiegelte so genante Bürger document und ein Schreiben vom Cantzler. Dieser, der wenig nach fremden Cantzlern fragt, schimpfte tüchtig, und hies die hertzogℓ. Räte dum uℓ. d. gℓ. schickte sie endlich, wie natürlich, zu ihrem Bürger advocaten dem Doctor Seuter. Der nahm es zwar an, sagte aber, versiegelt was zu übergeben wäre wieder die Form des CammerGerichts, und dann, müßten sie erst ihm seine Kosten bezahlen, ehe er es übergäbe, zudem wäre schon ein scharfes rescript wegen des immer fortgehenden Processes, nach Weimar fertig, das nur auf die Unterschrifft des abwesenden GerichtsPräsidenten wartete. Die Leuthe ließen es also dort liegen, und kamen mit der tröstlichen Nachricht wieder hieher. Der hiesige Amtmann, gewohnt für dem stoltzen Cantzler zu zittern, traute sich nicht| 5 | die Schimpfwörter des Zwierleins zu protocolliren, und schickte also mit Recht, die Abgesandten gleich selbst nach Weimar fort, um mündlichen rapport zu machen. Nun komt wieder ein Hauptstreich der Ungerechtigkeit. Die Unkosten des Bürgers advocaten müßen billig bezahlt werden, aber von wem? –

 Gewannen die Bürger den Proceß, so müßte der Hertzog die Kosten gantz allein tragen, und sie gewennen ihn sicher, da sie ofenbahr recht haben. Sie ließen sich zum Lossagen durch nichtsbedeutende Versprechungen einschläfern, solte die hiesige Regierung nicht froh sein, mit der Bezahlung der wenigen Kosten durchzukommen, und hätte dies nicht die Liebe der Bürger gewonnen? was wollen etℓ. 70 rℓ für den Hertzog sagen, der vielen, unverdienter weise iährlich zu 1800 rℓ pension mit seinem äusersten Schaden giebt, ia sogar Cammer Güter schenckt, die eigentlich gar nicht dürfen veräusert werden? Ist es nicht eine Hauptklage der Bürgerschafft dass ihre Cämmerey so zu Grunde gerichtet wird? Steht eine Sylbe in der Lossagung daß die Bürger die Kosten bezahlen wolten? weislich wurde dies bei dieser gantz wieder alle Form abgefaßte Lossagung, übergangen, weil die Bürger nie würden darein gewilligt haben. Was thut nun die Regierung oder der Cantzler? denn der ist der Allmächtige dem alles fürchtet. Er schickt die 4tel Meisters mit einem Rescript an den hiesigen Amtmann zurück, und giebt ihm auf, die 63 rℓ advocaten Kosten, und| 6 | das reise Geld der Bürger sans façon aus der hiesigen Cämmerey ohne die Bürger zu fragen zu nehmen, und gleich dem advocaten in Wetzlar zuzuschicken. Bey dem rescript lag noch ein privat Schreiben Zwirleins an Hetzer, darinnen er ihm sagt.   "Die Deputirten von Ilmenau wären bei ihm gewesen, er hätte sie   wie natürlich, an ihrenadvocaten gewiesen. Dem hätten sie das versiegelte   Schreiben übergeben. Es wäre wider Cammer Gewohnheit, Sachen  verschlossen anzunehmen, der advocat müßte billig vorher bezahlt seyn   ehe er sich lossagte. Der Form nach müßten sie einen, im Nothfall auch   nur von Viertels Meistern im Nahmen und Mitwissen der Bürgerschafft   unterschriebenen Brief, an den Bürger advocaten schicken und ihm   die Ankündigung und Bitte der Bestätigung des Vergleichs, gemein-  schaftlich mit dem Hertzogℓ. procurator zu bewürcken, auftragen. Dann   wäre die zugesiegelte Schrifft gar nicht nöthig, es sey denn daß   darinnen special Vollmacht zum Vergleich, und der Vergleich selbst   läge, in welchem Fall er bäthe solche aufbrechen zu dürfen.  Cassationen der vorhergehenden Decrete wäre bei dem Cammer  Gericht nicht Mode, sondern nur der vorgelegteVergleich, würde  sub aquila, wie man es nente, oder mit dem Kayserℓ. Siegel be  stätigt. Die Kosten deswegen beym Cammer Gericht würde er wohl   auslegen müssen, da die Deputierten erklärten der Herzog wolte| 7 | die weitern Kosten übernähmen." Soweit ohngefehr Zwirlein, dessen Brief ich zu sehen Mittel gefunden habe. Wie sehr leuchtet hier nun die Unwissenheit des Cantzlers und seine Übereilung bey der gantzen Sache hervor?

 1) Müßte, wenn die Sache wie sich es gehört, solte ausgemacht werden Puncte für Punckte ein Vergleich aufgesetzt und darinnen gesagt werden, was beyde Theile, ieder seiner Seits thun wolte, verspräche, oder nachgäbe.

 2) müßte allerdings erwehnt werden, wer die bisherigen advocaten Kosten der Bürger, und woher, bezahlen solte. Ein wesentlicher Punckt.

 3) müßten natürlich die Bürger dieses ihren und nicht den Advocaten des Hertzogs bringen.

 4) müßte der Cantzler entweder selbst so viel, als gewesener Profeßor, (welches man noch immer an ihm merckt) vom Reichs Proceß verstehen oder doch von andern erkundigen und nicht wieder dessen Norm, verschlossen was hinzuschicken noch um die Cassation der vorhergehenden edicte anzuhalten, wissen, daß zur Bestätigung eines Vergleichs, ein vorgelegter Vergleich gehöre. So war alles Hultripulter.

 Der dargebrachte Vergleich würde dann vom Camer Gericht bestätigt, und untersiegelt, was sollen sie ietzt dort untersiegeln! Den Wisch worauf die Bürger Namen stehen? Erfülte die Regierung darnach nicht ihre versprochene Puncte, so blieb den Bürgern ihr regress immer vor sich offen, da der Vergleich nur in spem Fortunæ| 8 | justiticæ geschlossen war und anders nicht bestätiget werden konte. Blos auf Gnade und Ungnade, sich dem Cantzler zu übergeben, waren die Bürger gewiß weder willens noch hatten es Ursache, da sie zumahl die schlechte Gerechtigkeit aus der Erfahrung kennen, die sie derwℓ erhalten haben. Über das Versehen, die Bürger an den hertzogℓprocurator zu weisen, Cassationen zu bitten, und versiegelte Schreiben zu schicken, schimpfte schon Zwirlein die Weimarischen Räthe, dumm ppp (schlechte Ehre für den Hertzog!) was wird er nicht sagen, wenn er das Schreiben aufbricht darinnen, weder einen ordentlichenVergleich noch specialVollmacht findet, wie er ietzt voraus setzt, da er sich nicht vorstellen kan, daß Leuthe so gar ohne Kopf handeln? Es fangen auch schon hiesige Bürger unter der Hand an zu sagen, das unterschriebene Ding, wäre so viel als nichts, da es nicht nach der ordentlichen Form eines Vergleichs gemacht, das wesentlichste dabey vergessen worden, und die weimarischen Versprechungen nur mündlich wären, sie auch wohl sähen daß sie nicht Lust hätten, was zu erfüllen. Wird das Cammer Gericht nicht etwa durch besondere Wege gewonnen, so kan auch die Sache vernünftiger Weise, so nicht aus gehen. Hierzu komt noch, daß ietzt eine That, auf ordre des Cantzlers geschehen, welche, wenn die Bürgerschafft hier, oder das Cammer Gericht dort sich versöhnte, die ganze Sache nichtig macht. Nehmlich, daß, wie ich schon oben angeführt habe, der Cantzler ohne Mitwissen der Bürgerschafft Sans| 9 | Facon, 63 rℓ. etℓ Groschen Advocaten Gebühren und 11 Laubtaler ud 14 Batzen aus der hiesigen so verschuldeten Cämmerey nehmen und nach Wetzlar schicken lassen. (Dazu muß solche gewiß wieder zu andern Ausgaben, die deswegen nicht geschehen können, ein Capital borgen, denn sie ist gar zu in schlechten Umständen und die Diæten Kosten unützer Commissionen haben dazu reichlich geholffen. Hätte ieder unütze Comißair, der sich, ohne was zu thun als Ungerechtigkeiten zu bestätigen, oder wenigstens nicht zu hindern, hier aufgehalten, etwas weniges von seinen empfangenen Sünden Diaeten hergegeben, so wären die Proces Kosten bald bezahlt worden) Ausser dem haben die 4telsMeister ein Schreiben, ohne Zuziehung und Mitwissen der Bürgerschafft ausfertigen müssen, darinnen sie ihrenAdvocaten ersuchen, mit Zwirlein gemeinschafftliche Sache zu machen, den Vergleich bestätigen zu lassen. (Was für einen Vergleich?) Dabey sagen, sie hätten mit Wissen der Bürgerschafft Mittel gefunden, ihm seine Kosten hier mit zu schicken. Dies ist ia ofenbahre Lüge und wenn es das Cammer Gericht oder die Bürgerschafft erfährt, so ist die gantze Sache als illegal aufgehoben. Die Bürger wissen kein Wort, von der zurückgebrachten Antwort der Viertelmeister, sie wissen kein Wort von ihrem Brief und haben nicht in ihr neu Schreiben eingewilligt, sie wissen kein Wort und haben nicht eingewilligt, die Kosten aus der Cämmerey zu bezahlen, wie die viertels Meister, die dadurch als Schlechte Leuthe| 10 | an der Bürgerschafft handeln, in ihrem Schreiben doch sagen. Warum sagen sie, wir haben Mittel gefunden, warum nicht gerade, wir bezahlen es aus der Cämmerey? Sie trauen sich es nehmlich nicht gerade zu sagen Will der Cantzler sagen, es ist natürlich daß die Bürgerschafft ihre Kosten bezahle, sie hat durch ihre Unterschrifft in alles gewilligt, warum trug er dann der Bürgerschafft diese Sache, von der ein Kind begreifen mußte das sie folgte, wann der Advocat den Proces auf heben solte, nicht vor? warum lies er es ihr nicht ietzt vortragen! wer giebt ihm ein Recht über Bürger Cämmerey pro lubitu zu disponiren, da inzwischen sein Hℓ. Vetter der hiesige Steuer Einnehmer, ungestrafft unter seinen Augen die Bürger betrügt? Haben dann die vorigen Proces Kosten die Bürger auch aus der Cammerey bezahlt? würden sie und werden sie beym Fortgang es thun? warum dann diese? wußte er denn den Willen der Bürger darinnen? Zeigte er ihnen nicht dadurch aufs neue, was für schöne Gerechtigkeit sie von ihm zu erwarten haben? Gesetzt auch, er fände Mittel dies alles in Wetzlar zu verfügen daß es gut ausfiel, wie doch noch ungewiß ist, und wenn das Cammer Gericht gut denckt, kaum geschehen wird, gesetzt er hat nun die Bürgerschafft, seiner Meinung nach von allem Schutz entblöst, da er Mittel gefunden die 2 Viertels| 11 | Meister, die noch etwas zum Besten der Bürger sprachen, in schlechte Kerle und Verräther zu verwandeln, denn Verräther sind sie, da sie ohne Wissen der Bürgerschafft solche Briefe schreiben, als wenn es mit der Bürgerschafft Wissen geschehen, und das Geld bezahlt, so gar aus der Cämmerey bezahlt wäre, und wer einmahl schlecht und Verräther wird, ist es in mehrern Sachen. Die 2 andern Viertels Meister, Schnaus und Fleischhacker sind erbärmliche Creaturen die theils unter dem banquerout stehen, theils nicht lesen und schreiben, vielweniger dencken können, und sagen willig zu allem ia. Gesetzt also, er hätte seiner Meynung nach nun gewonnen, und könte nun nach Gefallen wirthschafften, so kan doch der Hertzog seine Unterthanen nicht so dem Wolff preiß geben, so muß Er selbst, die Schaafe, die keine, oder doch untreue Hirten haben, vertreten, aus der Räuber Hände retten. Denn, wie oft habe ich den wahren Satz gesagt, geht das Land zu Grund, so geht der Fürst mit. Daß aber es bey ietziger Regierung zu Grund gehen müße, kan ein Kind begreifen. Ich will also von dem was mit dem Bürger Streit bisher vorgefallen hier soweit schließen, da ich alles gesagt habe, was bisher darinnen geschehen, das Geld fortgeschickt ist, die Zeit das übrige lehren muß und ich die Instruction, die der Cantzler von Weimar aus, Zwirlein gegeben hat, nicht weiß, ohngeachtet ich die Sache so gewiß eben nicht geendigt glaube, und auch noch anführen muß, wie die 3 gleich anfangs ausgetretenen Bürger, Reichard, Schneider und Heintze noch immer in Weimar| 12 | sind, und ihre heimℓ. Correspondentz hier unterhalten, ob ich gleich nicht weiß, ob sie den Vorfall mit den aus der Cämmerey bezahlten Proces Kosten werden zu wissen bekommen, auf diese 3 Bürger wenn sie die Sachen, sowie sie vorgegangen sind, erfahren, durch eine Schrifft alles geschehene als illegal geschehen, aufheben können, sicher auch wieder mehr Anhänger hier finden werden, da die Ungerechtigkeiten mit denen Rechnungen zu laut und offenbahr und starck sind.

 Ich will nur noch auf das kürtzlich kommen, was hier zur Rettung von Verderben schlechterdings geschehen muß, und wobey dem Hertzog gar keine Wahl übrig bleibt.

 Erst hiesige Sachen. Daß die Stadt sehr herunter gekommen, und zu dem sehr verschuldet ist, ist ofenbahr. Daß schlechte Verwaltungen dazu vieles beytragen können, und beygetragen haben, ist eben so klar. Daß in keinem vernünftig regierten und ordentlichen Staat, Rechnungen länger als 1/2 Jahr undurchsucht bleiben, genau geführt, über alles geführt, und keinem nichts nachgesehen auch untüchtige und untreue Rechnungsführer bestrafft, abgesetzt werden müssen, wenn sie erst den gethanen Schaden ersetzt haben, ist eine Grund Regel. Daß keine Regierung darinnen nachsehen muß, weil ein Vetter, Günstling oder anderer Client, der schlechter Rechnungsführer ist, ist richtig. Daß Stadt und Kirchen Gelder müssen berechnet und nicht pro lubitu empfangen und ausgegeben werden ist iedem Kind bekandt. ppp. Wie steht es nun hier? Der Burgemeister Scherf administrirte das Brau Wesen, eine| 13 | Hauptrevenüe der stadt, die ietzt beym verpachten bey 1200 rℓ iährlich einbringt; kauft schlecht Getreide, verschenckt und läßt Bier brauen, das man endlich um 3 dℓ verkaufen muß, und hat bis ietzt noch keine Rechnung davon gethan, sagt er hätte es vergeßen, bekomt noch auf Vorschrifft des vorigen Amtmans Douceur für seine Korn aufsicht in der Theuerung und für, bey denen Armen doch nicht gehabte Mühe. Er und Gruner kaufen zu den theuren Zeiten Korn theurer als der Marckpreis ist, ein, borgen ein Capital dazu im Nahmen der Stadt, verwalten die Sache nach Belieben, es bleibt Getreyde übrig, der Hℓ. Departements Rath Hezer komt immer auf theure Commissionen heraus, das übrige Getreyde bleibt ruhig mit der Rechnung liegen, nach langen Jahren, da die Mäuse schon es halb aufgefressen haben, wird es endlich ietzo verkaufft, kurtz vorher sind dem neuen Amtmann angegeben, es wären noch 280 Maas, wie er es selbst messen läßt ist es in der sehr kurtzen Zeit, Gott weiß wodurch,geschmoltzen, daß nur 250 Maaß da und ietzt verkaufft sind. Das Maas ohngefehr 2 1/2 rℓ. Dies Geld hat er auf ausdrücklichen Befehl des Cantzlers dem Steuer Einnehmer (der es zu seinem Burgemeister Schnaus gebraucht haben wird) geben müssen. Von dem gantzen Korn Kauff ist aber nach so langen Jahren noch weder Rechnung gethan worden, noch wird in Ernst dran gedacht. Die Gelder werden sicherlich dem Steuer Einnehmer aus mehr als einer Ursach gelassen werden. Die Cämmerey Rechnungen sind seit 15 Jahren & mit Vorwissen Hetzers als Departements Rath, der viele Rechnungen davon so lange in Händen gehabt hat, nicht geschehen. Letzteres wurde mit dem Bergcomißair angefangen,| 14 | aber auch dessen Hauptabschlus, woran eben immer alles liegt, ist auch nicht geschehen, und wieder liegen blieben, Gott weis wie lange. An die andern wird gar nicht gedacht. Die Kirchen Rechnung hat der Stadt Secretair seyd 5 Jahren nicht abgelegt, und lacht nur dazu wenn der neue Amtmann ihn dazu anhalten will. Der Superintentend, der in Sachen die seinen Profit betreffen, sonst ein sehr gros Maul hat, hat ruhig dazu geschwiegen. Dieser Stadt Secretair, der sich durch seine Frau, auf denen Hℓ. v. Staff verläßt, sieht die Stadt als sein Eigenthum an, entscheidet nach Gefallen zu Haus Partheyen, legt eingelaufene Rescripte nach Belieben dem Stadtrath vor oder unterdrückt sie, fertiget consense zum Geld borgen für die Bürgerschafft aus, ohne den gantzen Rath darum zu fragen, kurtz handelt als Oberherr, und nimt es übel wenn man ihm nicht so handeln lässt. Sein Archiv ist in der grösten Unordnung, Hℓ. Departements Rath Hetzer weiß es und leidet es. Eben dieser Stadt Secretair hat die Kriegsrechnung zu thun. Die Bürger wissen, daß mancher Stand und Herr seinen Durchzug bezahlt hat, sie wissen daß viel Utensilia und allerley Getreyde und Magazin Sachen übrig geblieben sind, und doch weiß niemand wo dies alles hinkommen ist, niemand woher er das seinige das man ihm schuldig ist, bekommen kan, niemand hat noch bis ietzo einen strich von der so lange Jahre vorbeyseyenden Kriegsrechnung gesehen, und es ist auch nicht daran zu dencken. (Ich mögte incidenter wohl wissen, woher der Stadt Secretair die 1500 rℓ hergenommen, die er in die| 15 | (Er sagt, zur Zeit des Krieges hätte er immer freye Tafel auf seine Kosten halten müssen. Die untersuchten Rechnungen   würden weisen, daß es auf der Bürger Kosten gewesen.[)] Steuer Caße gelegt hat, in schlechtem Geld, und nachher in gutem wieder heraus genommen? dies nur in parenthesi). Die Bar Rechnungen sind erbärmlich und in schlechten stand. Steuer revisionen wie sie seyn sollen, sind in undencklichen Jahren nicht geschehen. Ietzo wird zum Schein, schon seit 1/2 Jahr eine Untersuchung der SteuerBücher gethan, damit man sagen kan der Steuer Einnehmer sey richtig. Es ist aber so viel als nichts. Ich habe schon in einem besondern Brief gesagt, wie dies eigentlich geschehen muß, wann es recht seyn soll. Wo kan der Steuer Einnehmer, der Gott und aller Welt schuldig ist, richtige Steuer Bücher führen, da viele ihre Schulden anrechnen, und letzthin nur ein einziger Metzger ihm 80 rℓ so abzog, und doch hat dieser Steuer Einnehmer oft nicht 1 gℓ den er sein nennen kan. Wo soll er dies ersetzen? Aber, ich bin dabey hinter eine Sache gekommen, die wohl ihm seine große Freunde müssen angegeben haben, um dem Schein nach, ihm gegen dem Hertzog als einen ehrlichen Mann zu rühmen, als ob dessen Rechnungen richtig wären Nehmlich der Steuer Einnehmer bestehttaliter qualiter mit denen Steuer Resten, weil er alles in die Korn Rechnung schmeisst und geschmissen, auch wohl die neu eingenommenenGelderdazu gebraucht hat. Hier liegt die List. Korn Rech| 16 |nungen werden ihm nicht abgenommen, oder es nimt sie ihm iemand der sich vor dem Cantzler fürcht, ab, und wischt mit den Fleder Wisch denn So poßirt ein Mann für einen ehrlichen Mann, der überall davon geiagt würde, und so macht man den Hertzog blauen Dunst vor. 200 rℓ Deposit Gelder soll er auch zum beständigen gleichen Aufweisen haben, und ich wette er hat nicht einen Heller liegen. Dieser Hℓ. Vetter des Cantzlers und des Hofraths Eckardt wird von beyden gestützt und von ieden, auch den ietzigen Amtmann, als ein ehrlicherMannangepriesen und empfohlen. Es heißt hier Similis simili gaudet. das Land muß mit seinem Ruin die Vettern des Hℓ. Cantzlers füttern. Ich und kein ehrlicher Mann wird den Ruf haben wollen, den der Hofrath Eckardt in Coburg hinterlassen hat. Das ist nun so eine kurtze Beschreibung der hiesigen Laage wozu noch komt daß auch die Bürger von dem Pachter in Pörlitz, dem auch der Hℓ. v. Staff, non sine causa, stützt, in ihren Hüthungen sehr geschmälert, Pensionen auf ihre Cämmerey Cassen, an Leuthe dies es nicht verdienen, oder sonst Gnaden die ihnen zur Last fallen, und Commißionen die in die 100te laufen und nichts helfen, gegeben werden. So sieht es hier aus, wo kan so ein Land bestehen? es geht auch sichtlich zu Grunde und doch habe ich noch lange nicht alles gesagt. Dies müßte mündlich geschehen, vors schreiben ist es zu weitläuftig. Nunmehro da auch die 2 viertel Meister, die doch noch etwas sonst sprachen, vom Cantzler| 17 | gewonnen scheinen, er ihnen auch wohl seinen Vetter Steuer Einnehmer und ietzigen Burgemeister empfohlen hat, welcher auch verschiedene schlechte Bürger auf seiner Seite hat, mus die Stadt gantz zu Grunde gehen, wenn Gott sie nicht besonders schützt, oder der Hertzog Selbst als Vater, der verlassenen Unterthanen, wieder ihre mächtigen Feinde sich annmimt. Nun ist hier keinem mehr, weder Rathsherrn noch 4​tel Meister zu trauen, weil sie noch gerade Alle an einen Strang ziehen, so wie auch einst Hartung gesagt hat, ich bin nur der kleinste Schelm gewesen, drückt man mich, so müssen alle fort. Ehrliche Bürger, ohne Bedienungen giebt es noch hier und da Alle Mittel dem Land helffen zu wollen, sind vergebens wenn nicht erst Gerechtigkeit aus geübt wird. Erst muß ich die Wunde rein ausbeitzen und dann erst setzt sich gesund Fleisch. Ich hätte viel, viel hiervon noch zu sagen, wünschte aber Ew Hochwohlgeboℓ. mündlich deswegen zu sprechen.

 Des geistlichen Stands muß ich ebenfals noch einmahl, wie schon in einem vorhergehenden Brief erwähnen. Gestern wurde der neue Caplan eingeführt, aber o heu! was ist das für ein Mann! Es ist eben nicht hübsch von Hℓ. von Lyncker daß er seine Informatoren, wann sie nichts taugen, zum Prediger denen Städten aufdringt. Füttre er sie doch allein. Der Superintend ist als Geistlicher betrachtet, nicht weit her, der gantz und gar überflüssige Früh Prediger, eher zu iedem andern Hirten als zum Geistℓ. geschickt, unwissend, und versteht nichts, beyde aber, sind gegen den Caplan Männer von grosen Einsichten, schliesen Sie nun, was das für ein schlechter Mann sey

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 Mich wundert daß Hℓ. p Herder nicht einmahl den geistℓ. Schaftstall ausfegt und ieden Geheimenrath pro lubitu [?] blos weil sie Informatores bey ihm gewesen sind, solche Leuthe die iung sind und [?] nichts verstehen, aufdringen läßt, Seine Anzugs Predigt war erbärmlich, so wie sie ein Schulknabe machen würde. Da in Ansehung der Erziehung der Jugend, so viel an guten Geistℓ. hängt, so kan ich den Hertzog dies Fach zu verbessern nicht genug empfehlen.

 Noch was vom hiesigen Amtmann. Der Mann scheint mir, ie mehr ich ihm untersuche, einer der wenigen rechtschafenen Leuthe und guten und brauchbaren Diener des Hertzogs zu seyn. Da seine Rechtschaffenheit und grades Wesen, ihm Feinde gemacht hat, und machen wird, denn nur Amtleuthe die schlecht dencken, können hier in Ruhe leben, so empfehle ich ihm, um so mehr dem kräftigen Schutz und der Vorsprache bey Gelegenheit heimlicher Feinde, Ew Hochwohlgebℓ. Da ich an dem Mann gemerckt habe, daß er furchtsam wird, weil er zu viel schlechtes hier findet, und es nicht bessern kan, ohne Personen die der Cantzler ihm als rechtschaffen empfiehlt, und ohne Günstlinge Anderer z. E. des Hℓ. Cammerherrn pp. wie den Stadt Secretair, anzugreiffen. Am Ende leidet dann der Hertzogℓ. Nutzen und das Land bleibt im Argen. Er braucht also Herzoglichen| 19 | Schutz, Gnade und Ermunterung. Rechtschaffen ist er gewiß, wenn er nur frey handeln darf, aber seine Wiederstände sind ihm allein zu mächtig. Eine höhere Stütze muß dazu kommen, und dies möge doch, im Nahmen der Rechtschaffenheit bitte ich, Ew Hochwohlgebℓ. seyn. An Verläumdern kan es hier redlichen Leuthen nicht fehlen, da so wenige der Letztern hier sind. Eins muß ich noch sagen. Ich habe von Untersuchungen, von wichtigen Untersuchungen gesprochen. Aber um Gotteswillen müssen solche nicht ietzo, nicht durch die gegenwärtige Räthe geschehen. Sie fallen sonst schlecht aus, alles wird richtig befunden werden, wenn es noch so unrichtig, und wohl so ist, das anderwärts Vestungs Bau drauf stünde. Wo könen oder werden Räthe, oder Cantzler Unordnungen rügen, oder als solche ergeben, die sie selbst theils verursacht, theils gebilligt, theils durchs Nachsehn, fortlauffen lassen? Vor allen Dingen sehe der Hertzog, einen oder besser 2 geschickte, redliche, unerschrockene, nichts von Menschen furcht wissende Räthe, die sich weder an den ietzigen Cantzler, noch Minister, noch Regierung kehren, in seine Dienste zu ziehen, und trage dann denen, so wie ich ihnen Anleitung geben will, die Untersuchung auf. Dann wird er erstaunen, wie er bis her hintergangen worden. So lange dies nicht ist, mag alles bleiben, denn es hilfft nichts, und ist vergebens. Auch, schon als durchgesehen angegebene Rechnungen| 20 | und Sachen müssen noch ein mahl von denenselbenrevidirt werden. Dann wird sich finden, was für ein Unterschied, zwischen Durchsicht und Durchsicht ist. Minister die niemand vor sich lassen, Menschenfeinde, die blos nach Eigensinn handeln, Cantzler die noch immer dencken auf dem Catheder zu stehen, stoltz sind, in nichts unrecht haben wollen, zum Grundsatz haben, sic volo sic iubeo, stat pro ratione voluntas, zu viele Vettern haben, die sie schützen, in Dienste einschieben, so wenig sie taugen, denen es nur um sich, nicht um das wahre Beste ihres Landes und Fürsten zu thun ist. Præsidenten die ihre Informatores mit Diensten belohnen, wenn sie gleich solche nicht verdienen, grimmige, eigennützige, menschenfeindliche, keine Gründe hörende, Räthe, die schlecht und faul und langsam arbeiten, dabey furchtsame Schmeichler sind, alles dem grossen allmächtigen Manne zu Gefallen bestätigen, wan es noch so falsch ist, hingegegen die billigsten Sachen verwerfen, ohne zu wissen warum, diese alle sind nicht des Hertzogs Sache, wenn das Land besser werden soll. Es wird Arbeit, Dencken, ia Strenge kosten, den vielen Unrath auszufegen, aber es muß seyn, wenn das Land nicht verderben soll, und die Devise des Hertzogs solte seyn aut nunc aut nunquam – die wenigen Länder, die nach schlechten Regierungen, gute bekommen, und so| 21 | wieder blühend werden, wenn man Anders nicht zu spät ihnen zur Hülffe gekommen ist, fangen mit Verbesserungen der Cassen, und Untersuchung der Pensionen an. Unter schlechten Verwaltungen werden gemeiniglich von letztern mehr ausgetheilet als es das Land und der Herr tragen kan Billig und Pflicht des Herrn für sich und sein Land ist, solches untersuchen zu lassen, und was nicht kan gerechtfertiget werden einzuziehen. Besser einen begangenen Fehler verbessert, als ihm, wieder einmahl geschehen, fortlaufen lassen. So in grosen, so in kleinen. Auch hier muß die Cämmerey Caße erst wieder gefült werden, durch Untersuchungen gefült werden, ehe man was draus nimt. Dann halte sich der Hertzog einen Mann, ohne Caracter, und ohne Anstellung in einem Collegio, blos zum Bereisen des Landes, zum aufmercken, wo es fehle, wie ihm könne geholffen werden, und ob alles recht geschehe. Er laße ohne sein Vorwissen, und Prüfung nichts von keinem Collegio oder Minister geschehen, sehe mit eigenen Augen, glaube keinen Verläumdungen sondern prüfe selbst, laße sich aber auch nicht Wolcken für die Augen machen. So kan, so muß es beßer werden. Der neu erregte Bürger Streit, kan viel aufdecken, wenn nur recht untersucht wird. Doch noch ein mahl, durch neue Räthe, nicht durch die ietzigen.

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 Der Amtmann hier hätte dann ein gutes Werck durch diesen Schritt gethan, ob ich gleich solchen wenn er mich gefragt freylich nicht gebilligt haben würde, den er aber im Dienst Eyfer und der Unschuld seines Hertzens getahn hat. Welcher Mann ist gantz von Schwachheit frey. Genug er ist würcklich ein ehrlicher Mann. Ich lobe, Sie wissen es, nicht ohne Grund und zu leicht, nur braucht er mächtigen Schutz gegen die vielen Cabalen hier und in Weimar.

 Auch müssen die Arbeiten der Regierung und Collegiorum gantz eine andere Gestalt und Ordnung als ietzo gewinnen. Ietzo ist es dort gewöhnlich, nach 6 Jahren auf eine Anfrage zu antworten, wen die Sache fast vergessen oder zu Grund gegangen ist. Deswegen muß ich noch anführen, wie die Acten und Registratur bey hiesigem Amt in der äusersten Unordnung sey, auch die Bauern sich alle Commissionen verbitten, da sie mit einem guten Amtmann allein besser und ohne Kosten auskommen können.

   Nach 1000 Fragen und Fragen, findet, wie es heißt die Cammer Bedencklichkeit Riethen, hier unter die erste Classe der Kaufleuthe zu setzen. Da die erste Claße, bis ietzo nur eine Chimere ist, weil hier vor der Hand gar keine Classen sind so habe ich ihm gerathen, diese, wieder meinen Willen erregte Sache, von einen seiner unüber 23 legt handelnden Freunde (blos zu Ew Hochwohlgebℓ. gesagt, dem Hautmann v. Castrop) in Weimar, zur Unzeit erregte Sache gantz vor der Hand liegen zu lassen Er ist ein nützlicher Bürger des Hertzogs und wird es noch mehr werden, packt man ihm über einzelne Sachen an, so wird er ia sich wehren können, und dann traue ich, wenn die Sache gerecht ist, auf des Hertzogs Gerechtigkeit und Derselben Vorsprache. Den Titel als Hof Factor aber hoffe ich, soll er, nach des Hertzogs Wiederkunfft von dessen Gnade erhalten.

 Mit Petern steht es so weit noch gantz gut. Der Hℓ. Cammerherr behandelt ihm ietzo gantz artig. Nur sein Wild Meister gefält mir nicht, und dort ist immer Streit unter denen Purschen. Da er durch authoritæt des Hℓ. v. Staff beygelegt werden muß, so fürchte ich, da die Bitterkeit in dem Hertzen bleibt, Peter werde dort nichts lernen. Ich habe Rieths, um ihm von schlechten Gesellschafften abzuziehen, gebeten, daß sie ihm, so offt er will, abends den Zutrit erlauben. Lernt er da nichts, denn dort kan ich nicht den docenten machen, so lernt und sieht er doch auch nichts Böses. Ich wünschte recht sehr, Sie ließen ihm nach Dero Zurückkunfft Selbst auf einige Tage zu sich kommen. Ich habe viel, doch lange nicht alles geschrieben, was ich auf dem Hertzen habe. Halten Sie es meinen Eyfer für die Gerechtigkeit, für| 24 | den Hertzog und für Sie, zu guth. Mündlich würde ich mehr sagen, doch möchte ich Ihnen allein sprechen. Von mir selbst sage ich nichts. Schon in meinen ersten Brief habe ich meine Laage, wie sie schon für 10 Wochen war, geschildert, Dieselben werden leicht selbst einsehen, wie sie in Ansehung meiner privat Umstände nach so einer langen Abwesenheit seyn kan.

 Ich hoffe endlich ein mahl bald wieder von Ihnen Nachricht zu erhalten und bin mit der vorzüglichsten, und was mehr ist, aufrichtigsten   Hochachtung


  Ew Hochwohlgebℓ   verpflichtester Diener   Krafft.

 

 
 

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RA 1, Nr. 105, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0105_00117.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 105.

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