Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 103
Von Johann Friedrich Krafft

28. Oktober 1779, Ilmenau

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    Hochwohlgebohrener
    Insonders HochzuEhrender Herr Geheime Rath


Ich habe geglaubt es möchte Ihnen nicht unangenehm seyn, die hiesigen Vorfälle eher zu wissen als Sie selbst wie-
der ins Land kämen. Der vorläufige Begriff davon kan Ihnen dann schon im voraus eine Entschliesung fassen lassen.
Sie betreffen, erstlich die Stadt, und dann Petern, und das erste zu mahl, kan fürs hertzogliche Intresse wichtig werden.
Es hat das Ansehn als wenn der unglückliche Bürgerstreit wieder erregt sey, und zwar dadurch. Der Rath und Amtmann
lies den so genanten Ammen Groschen von Denen, die ihn noch nicht bezahlt hatten, einfodern. Ein Schneider, Reichard,
weigerte sich, ihn zu geben, weil die Bürger ein kayserℓ. decret für sich hätten keine neue Abgaben bezahlen
zu dürfen. Er wurde fürs Amt gefodert, und gefragt wo dann dies decret wäre? Der Metzger Heinz solte es haben,
sagte er, dieser kam auch. Der Amtmann war gantz höflich, fragte ob er denn das decret hätte, er möchte es doch
sehen, um sich darnach richten zu können. Dieser sagte, er hätte eine Menge Schrifften zu Haus, er wolte gleich
holen was er hätte, und brachte einen Pack getragen, das aber lauter Abschrifften waren. Auf Erkundigung
wo dann das original wäre ? antwortete er, der Kürschner Schneider hätte es, es wäre wohl verwahrt, und
würde nicht aus den Händen gegeben. Dieser solte gehohlt werden, war aber, da er gehört hatte,
Heinz wäre der Sachen halber vorgefodert, schon selbst vor der Amtsstube, kam hinein und ge-
stand, er hätte das original, gut verwahrt, müste es aber heilig aufheben um nicht Verant-
wortung bey seinen Mitbürgern zu haben. Der Amtmann, der es einmahl weg haben wolte, schickte
inzwischen den Amtscommissair und die Amtsdiener hin, um alle Schrifften, die sich auf die Sache
bezögen, in des Schneiders Haus wegzunehmen. Ein klein Pack hatte der Amtscommißair nicht mit-
genommen, auf Anzeigen des Amtsdiener wurde es aber nachgeholt. Hier war inne, das Decret,
der Salvus conductus und die gantze Correspondentz. Dem Kürschner wurde bange, daß er
es verabfolgen lassen, kam also und foderte vom Amtmann des andern Tags ein recepisse daß das
Amt diese Sachen wieder seinen Willen abholen lassen, um sich bei seinen Mittbürgern zu
rechtfertigen. Dies wurde ihm gegeben. Ich muß dem Amtmann dabey die Gerechtigkeit wiederfahren | 2 |
lassen, daß er alles aus der besten Meynung für den Herschaftlichen Dienst gethan, daß er keinem scharf begeg-
net oder ihnen gedrohet, sondern vielmehr gesagt habe, er wünschte das Andencken des Streits aus ihren
und ihrer Kinder Gedächtniß zu verbannen, es solte keinen was geschehen pp sein gegebenes recepisse
zeigt auch schon daß er nicht wieder Gerechtigkeit verfahren wolte. Ich glaube also, so wie man den
Herschaftlichen Dienst nach den ordinairen Schlendrian nimt, verdient er keinen Verweis von Hofe,
daß er in denen gewöhnlichen Wegen fortgegangen sey. Der Mann konte, wie die Sachen zu ge-
hen pflegen und gewohnt sind, nicht anders handeln. Ob ich aber den bis ietz gewönlichen Weg
für den rechten erkennen kan, ist eine andre Frage. Die Bürger sollen sich beruhigen! – und
doch ist keine ihrer Klagen noch gehoben! 1) Scherf thut keine Rechnung, fodert vielmehr
noch Pension. 2) Hartung begehrt so gar wieder Burgemeister zu werden, und läßt sich die
gezogene deFerte in der Cämmerey Rechnung nichts anfechten 3) Der Steuer Einnehmer führt
seine Einnahme Rechnungen (die Ausgabe ist durch die Commißionen mit so vergeblichen
Kosten, untersucht) schon lange Jahre pro lubitu, ist allen Leuthen schuldig, schreibt ihnen
das nicht ab, was sie wollen abgeschrieben haben, braucht vieleicht die Gelder nach Belieben,
und noch ist die Bürgerschafft nicht in stand, einen Statum, wie ihre Steuer Schulden
eigentlich stehen, zu bekommen, 4) Der Stadtschreiber befiehlt nach Gefallen und
nimt es sehr übel wenn man ihn zu seiner Pflicht anhalten will, publicirt Rescripte
nach seinem Gutdüncken, schlägt unter was er will, läßt consense verfertigen, wie
es ihm gefält, ohne daß der gantze Rath drum weis, da ist noch keine Bier, noch
keine Korn Rechnungen, noch keine Kriegsrechnung, nach so vielen Jahren gethan, und
1000 Sachen die ich zu verschiedenen Zeiten weitläuftig angeführt habe. – Und die Bürger
sollen zufrieden seyn! – wird nicht der Hertzog mit denen Unterthanen immer | 3 |
mit ruinirt? Alle Registraturen sind in Verwirrung. Hie und da fehlen Stücke, kein
Mensch weiß wo sie sind. Hospital Rechnung hat der Stadtschreiber in 5 Jahren nicht abgelegt,
sieht es als was unötiges an, entschuldigt sich mit der Verwirrung seiner Registratur, die
letzteRevision hätte es in Unordnung gebracht! So? – revisionen machen anderwärts Ord-
nung, hier Unordnung – aber die Wahrheit ist, der revidirendeDepartements Rath hat
die Unordnung gelassen wie er sie gefunden, seine diæten genommen und sich um das
Beste des Landes wenig bekümmert, die Herrn nach Gefallen schalten lassen – und das ist eben
so gut als hätte er die Unordnung selbst gemacht. Damit solten die Bürger sich nun beru-
higen! Letzens bekam der Amtman ein Rescript mit Anfragen die Steuer betrefend
auf einen Bericht der für 5 Jahren von hier abgegangen ist. Da keine Concepte da liegen
so kan er die Fragen nicht einmahl beantworten, sondern muß auff den, seit 5 Jahren
in Weimar liegenden Bericht zurückweisen. Wem sollen nun die Hare nicht zu
Berge stehen, wenn er hört daß eine Regierung, in so einer wichtigen Sache als
Steuer Sachen sind, 5 Jahre lang, Berichte unbeantwortet liegen läßt? was
für Verwirrung muß da herschen, da es in allen Stücken so ist! und die Bürger
sollen sich beruhigen! – Viele doppelte Anfragen zeigen daß sie das, was man
ihnen in Weimar sagt, nicht mit gantzen Augen übersehen, sonst würden sie nicht
Sachen zweymahl fragen die schon beantwortet sind. Bey der Amtsregistratur
fehlen ein Haufen Acten, die ietzo der Amtmann von dem gewesenen Amts Actuario
Michaelis in Weimar fodert, und da er sie nicht bekommen kan, an höhern Orthe
die Sache angezeigt hat. Da alles aber schläfrig geht, so ist die Frage was die
Regierung thue, und ob sie den Mann erhalten wird? Deposita sind theils nur | 4 |
zum theil noch da, kurtz ieder rechtschafene fährt vor der,bisher mit Consens der obern
hier getriebenen Wirthschafft, zurück. Doch wieder zum Bürgerstreit.


Die Leuthe, Schneider, Reichard und Heintz, mochten dem Dinge nach gedacht haben, daß ihnen nun
der Salvus conductus genommen sey. Sie kanten die Arth zu verfahren, von ihren Mitbürgern
die durch Soldaten aus denen Betten ins Zuchthaus geführt worden und theils darin ge-
storben sind, indessen die Personen über welche sie klagen und
Untersuchung und Gerechtigkeit verlangen, mit erhobenen Haupt ungestraffthier he-
rum gehen, nach Gefallen mit Bürger Gelder wirthschafften, und noch Pensiones fodern, eine
Sache die die Bürger sehr aufgebracht hat. Von ohngefehr kamen den Tag drauf, wie dies
geschehen war, 2 Husaren von Weimar hieher, kaum erblickteten sie solche, als ihnen
einfiel, (dies mahl wohl mit Unrecht, denn ich glaube nicht daß der ietzige Amtmann es
würde gethan haben) man wolte sie vieleicht, wie ehmahls nun mit Gewalt hohlen,
und sie sich also aus dem Staube machten. Noch mehr hatte zu diesen Verdacht
anlas gegeben, daß der Amtmann dem Schneider bey schwererStrafe untersagt
hatte, seinen Mitbürgern zu sagen, daß er ihm den Salvum Conductum und
das Decret abgenommen hätte. Nun sollendiese Leuthe wieder nach Wetzlar
gegangen seyn, und der Streit kan, wenn ietzo nicht behutsam verfahren
wird, aufs neue so starck wie ie ausbrechen. Solte nun auch der Hertzog denen
Bürgern, die aus Mangel des Geldes oft nicht scharf genug solchen treiben
können, etwas abgewinnen, schadet er sich dann nicht selbst, wenn seine Untertha-
nen verderben? Verdienen, die Leuthe über die die Untersuchung begehrt | 5 |
wird, wohl, daß man, ihrer Familie und aus Partheylichkeit und Gunst halber, das Land auf-
opfere? Haben sie recht, so wird es ia die Untersuchung ausweisen, das Verfahren des
Steuer Einnehmers aber ist ofenbahr unrecht, was thut es, daß er Vetter von Cantzler und
Ekard ist? Ist das Beste des Landes oder diese mehr und von wem lebt der Hertzog?
So mit dem andern. Welchen Ruhm würde sich der Hertzog machen, wenn er, was am
Ende geschehen kan, der Untersuchung einer kayserℓ. Commißion, durch selbst befohlene
neu angestelte ernstliche Untersuchungen aller Unordnungen zuvorkäme? Den
Streit zwischen ihm als Lands Herrn, wegen mancher Geldfoderung in Steuern würden
alsdann die Bürger gern niederschlagen, wenn sie sonst nur Gerechtigkeit gegen
die Personen, die so unrecht haben bekämen und bessre Leuthe angesetzt und künf-
tige Ordnung sähen. Die Folge wird lehren was die 3 oben benanten Personen
in Wetzlar thun werden. Mich deucht aber, ietzo ist der Zeit Punckt entweder
das Land vollends zu verderben, oder zu retten.     Bis ich alles das, was ge-
schehen muß, gethan hätte, hätte ich denen Bürgern den Salvum Conductum
und das Decret ruhig in Besitz gelassen, da sie immer einen neuen wiederbekommen
können. Ich würde aber inzwischen das viele übel, von dem ich so lange und viel schon
geschrieben untersucht und gehoben haben, da es das Beste des Landes selbst er-
fodert, dann würde der ietzige Umstand nicht haben vorfallen können, und die
Bürger hätten mir wohl freywillig die Schrifften ausgeliefert, und die Sache wäre
zu Ende gewesen. Jetzt konte fast der Amtmann (da alles in statum quo geblie- | 6 |
ben war) nicht anders handeln als denen Leuthen, die sich auf ein Decret beriefen,
das ihnen neue Auflagen zu geben untersagte, solches wegnehmen. Mit welcher
äuserster Behutsamkeit die Sache ietzo zu behandeln sey, und dass erzeigende Ge-
rechtigkeit bey denen billigen Klagen und Bestrafung der Ungerechten ohne
Ansehung der Person, das beste Mittel fürs Land und dem Herrn sey, glaube ich
daß die Untersuchung, durch unpartheyische Hände, nicht durch Verwandte, noch
durch den Departements Rath geschehen müße, wenn sie helfen soll, versteht sich
von selbst. Der neue Amtmann scheint mir sonst ein würdiger Mann und brauch-
bar, wenn er nur alles erst in Ordnung findet, da die Unordnungen überall
zu gros sind, als daß er solche allein verbessern könne.


Mit ist der Amtmann auf den Bürgerstreit aufmercksam geworden, weil wegen
der für andre darin vorgeschossenen und nicht erstatteten Kosten, ein gewisser Sander andre verklagt hatte.
Diese Leuthe haben sich inzwischen wieder verglichen, da sie nun den allgemeinen
Feind, wieder aufwachen sehen, und Sander rühmt sich schon wieder 200 Bürger
auf seiner Seite zu haben.


Möchte doch Gott Ew. Hochwohlgebℓ Gehör beyden Lands Fürsten und Nachdruck und Krafft in Worten geben
um diese, so schädliche Sachen, so wie es Gerechtigkeit und das Beste des
Fürstens und Landes erfodert, auszumachen. Welchen Ruhm, festen, wahren,
nicht flitternden Schein-Ruhm würden Sie sich erwerben, und welche inre Zufrieden-
heit! Seegen über unglückliche Bürger wiedergebracht, und die Macht | 7 |
der Ungerechten zerbrochen zu haben! Ich kan mir nichts größeres dencken, als
Friedensstiffter zwischen Herrn und Unterthanen, Ausrotter der Ungerechtigkeit,
und Seegen der Völcker zu seyn! Wie viel fühlt meine Seele bey diesen
Gedancken! – – Ihnen, ehe Sie ins Land kämen, davon Nachricht zu geben,
hielt ich für Pflicht. Zumahl da ich den Brief, allen hier unbemerckt, da
die Riethin noch in Bamberg ist, fortbringen kan. Denn solche
Sachen werde ich von hier, weder mit derPost, noch dem Amts Bothen
schreiben, sondern durch einen besondern Bothen. Daß Dieselben durch
diese Nachrichten ins Land zurück geruffen werden würden, glaube ich
gewiß.


Nun auch noch was von Petern. Wie ich ihn behandle habe ich letzthin weitläuftig
geschrieben. Wenn dies nicht fruchtet, so fruchtet ewig nichts. Letzthin aber kamen der
Wildmeister, und bald drauf in vorbeygehen der Hℓ. Cammerherr selbst zu mir, und
klagten beyde auserordentlich starck über Petern. Der Wildmeister sagte, er könte mir
versichern daß niemals ein Jäger aus ihm werden würde, daß er nichts [sic] das geringste davon
verstünde, noch zu lernen Lust hätte, noch behielte, wann man es ihm sagte, daß er in
allen Sachen wiederspänstig wäre, grob gegen die Pursche und Hausgesind, liederlich
in seinen Sachen und Aufführung, ohngeweckt für 10 Uhr nicht aufstünd (eine Probe gab
er mir davon da er ihn den andern Tag ungeweckt schlaffen lies, und Peter richtig erst
um 10 Uhr aufstund, und sich nach 1/4stunde bey mir sehen ließe) er klagte über seinen | 8 |
Hochmuth, daß er sich drauf verlies er hätte 6000 rℓ, niemand hätte ihn was zu befehlen und
er brauchte nichts zu lernen, daß er mit Gewalt Hℓ. v. Lindau wolte genant seyn, daß
er in den Wirthshäusern abends herumzög und mit iedermann Karten spielte,
so daß er ihm öfters aussperren müßte, daß er seine Sachen heimlich ver-
kauffte und verschenckte und ohne toback nicht leben könte ppp. Der Hℓ. Cammerherr
sagte ein gleiches, wie auch daß er ihn schon selbst hier und da zu abrichten wollen,
aber daß er entweder nicht gekommen oder nicht achtung drauf gegeben hätte,
daß er oft allen Wohlstand aus den Augen setzte, nichts von der Jagd lernte
und nichts lernen würde. Er wolte ihm selbst einmahl aus den Wirthshäusern
hohlen und den Leuthen es untersagen ihn zu beherbergen. Auch lief er oft lie-
derlichen Menschern nach pp. Ich erstaunte und betrübte mich von Hertzen über
dies alles. Manches muß wahr seyn. Seine Unachtsamkeit, Vergeßenheit pp
mercke ich täglich und habe solche öfters berührt. Sein Stoltz ist mir auch sicht-
bahr genug, und ich arbeite immer mit Gründen ihn zu dämpfen. Wer dem iungen
Menschen hat mercken lassen, er hätteVermögen, ist an vielen Unglück das ihm wieder-
fahren kan, Schuld. Solche iunge rohe Leuthe können diese Käntniß nicht brauchen,
misbrauchen sie viel mehr, eben so als wenn man gar zu schöne mit ihnen thut. Er
sagte mir einstmahl selbst. Er hätteso viel Gelddaß er nichtszu lernen
brauchte als was ihm beliebte, er hätte und müße auch noch ein Guth von| 9 |
seinen Vater bekommen, wären doch mehr Leuthe in der Welt, die gute und grose
Dienste hätten und könten noch wohl weniger als er. Alles, Früchte des ihm zu
zeitig beygebrachten Stoltzes. Gegen mich hat er Liebe und nimt sich immer in acht, sich
nichts unanständiges mercken zu lassen, seitdem ich mich gewöhnt, mit ihm über die
Dinge in der Welt pp zu räsoniren. Mir folgt er, und wiederspricht nie, bekent
sich auch, wenn er gefehlt hat, gleich schuldig. Freylich wird sich niemand die Mühe
mit ihm geben, die ich mir, um Ew Hochwohlgebohrn halber, gäbe. An der Arth, wie
er behandelt wird, liegt auch wohl viel. Bey mir hört er zu allem Gründe, ich selbst
gebe ihm die Regel, nichts ohne Grund vorzunehmen, oder zu thun. Gerecht gegen ieden
zu seyn p. Wie die Arth der Behandlung beym Wildmeister sey, weiß ich nicht.
Freylich wohl nicht so, als wenn ich Wildmeister wäre. Oft mag man auch mit
ihm Haseliren und zu familiær seyn, dann auf einmahl ihn anfahren und streng
seyn, dies ist bey ihm wohl der falsche Weg. Was das meiste ist, so scheint er
alles Vertrauen zu seinen Lehrern hier in der Jägerey verlohren zu haben, ich be-
mühe mich es wieder zu erwecken, weis aber nicht ob es mir gelingen wird.


Für das, daß er Jägerey hier lerne, stehe ich nicht, und glaube es kaum. Er müßte
aus aller Connexion hier und in Hände kommen, die ihm von Anfang an, egal, und
seinem Temprament gemäß behandelten, wenn er noch ein würcklicher Jäger
werden solte.

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Wie er den Tag drauf zu mir kam, hielt ich ihm alles vor. Sagte ihm es thäte mir in
Hertzen weh, daß ich so viel schlechtes von ihm hörte, da ich angefangen hätte, seitdem
er seine Fehler selbst einsähe und bekendte vor ihm gute Hofnung zu haben. Ich
zeigte ihm weitläuftig das unschickliche des stoltzes überhaubt, und des seinigen
insbesondere, daß 6000 rℓ kein Capital wären, davon man bey einer schlechten
Wirthschafft leben und zeitlebens müsig gehen könte, daß niemand Leuthe
achtete die grose Stellen und doch keine Verdienste hätten als ihre Untergebene,
daß er noch nicht einmahl unter die gehörte, die ohne Verdienste befördert würden
da seine Gönner zu rechtschafneLeuthe wären und zu viel Gewissen hätten es zu
thun, daß so lange sein Geld währte er Schmeichler aber wann es bald alle,
dann keinen Helfer haben würde, daß nun das Glück und Unglück seines
Lebens in seiner Hand sey, er vorzüglich für viel 1000 Gelegenheit hätte
was zu lernen, und er sonst ein Taugenichts werden und von ieden dafür
erkandt werden müßte. Was das für Ehre wäre. Daß wir nur von
andern Achtung erhielten, wenn wir uns darnach betrügen, nicht durch stoltzes
pochen. Dass man in der Welt gefällig gegen ieden seyn müßte und die
goldene Regel nicht aus den Augen lassen, was du nicht wilst, thue den Leuthen
auch nicht. Kurz ich müßte 24 Bogen schreiben, wenn ich alles das berühren | 11 |
wolte, was und wie ich es ihm sagte. Ich lies keine Falte seines Hertzens unange-
tastet, er schien gerührt, gab sich in vielen schuldig, erkandte daß ich es volkommen
gut mit ihm meynte, in Allen recht hätte, aber daß ihm niemand wie ich behandelte.
Klagte über den Wildmeister und Cammerherrn in manchen Stücken. Falsch wäre
es gewesen wenn ich ihm recht gegeben. Ich wies ihm zur Folgsamkeit, Geduld,
Beharrlichkeit im Guten, Gefälligkeit, wenn auch andre ungefällig wären
und nicht in seinen Pflichten müde zu werden, an, wies ihm an, um das verges-
sene selbst zu fragen, schlechte Geselschafften zu meiden, Kartenspiel zu
lassen, die Meynung zu verlernen, er könne ohne Verdienste als ein
groser Herr von seinen Geldern leben, ein nützliches und nicht unbrauch-
bares Glied der Welt zu werden, und die wahre Ehre kennen zu lernen
in seinen Wald, Holtz, Wild, Flinte, Hunde, Pferde, sich auch in den ge-
ringsten Kleinigkeiten zu bekümmern, sagte daß ich ia nicht müde würde
ihm zu lernen und nie aufführe, so müßte er nie müde werden Gefällig-
keiten andern zu erzeigen, wenn sie es auch nicht gleich erkandten.


Er klagte die Pursche wären darüber böse, daß er ihnnen nicht aufwarten
wolte, das manchmahl ihm was gesagt, dann wieder nichts gesagt
würde, daß er in einen Bett mit iedem neuen Jungen schlafen müßte, dann | 12 |
oft unwülig sey, daß die Pursche ihn anführen, und sein Wildmeister ihn
nicht eben alzeit mit Sanftmuth behandelte ppp. Ich habe ihm alles was
man nur drauf sagen kan, gesagt, und daß er ietzt alles übersehen und
neu lernen müßte, es sey von wem es wolle, Gefälligkeiten aller Hertzen
endlich gewönnen und seine Aufführung ihm Achtung erwerben müßte, wenn
er welche wolte. Was es nun haften wird, wird die Zeit lehren. In meiner
Stube, und so lang ich um ihm bin, kan ich alles mit ihm anfangen.
Was kan ich mehr als ihm überzeugen, ihm selbst gestehen machen, wo
er recht und unrecht, ihn die Mittel zum rechten Weg zu zeigen, von ihm
hören er verstehe sie und wolte ihnen folgen? Gehen andre andre Wege,
so kan ich es nicht hindern. Gut wäre es, wenn man ihm beybringen
könte, er hätte sein vermögen verlohren, wie in dem jeune homme a l'epreuve in
Destouches.


Die Post will fort, ich mus schliessen. Da ich hoffe bald von Ihnen selbst was
zu hören, so will ich, was im Bürger Krieg und mit Petern sonst noch vorgehen
möchte versparen, bis ich von Ihnen Nachricht habe, sonst möchten meine Briefe
Sie verfehlen. Das grose Packet vom 14​tenoctbr. das ich nach Frckfurth geschickt,werden
Sie auch erhalten haben, es sind viele auf den Bürgerstreit zielende Sachen drinnen. Von mir sage
ich ietzo nichts als daß ich bin,


    Ew Hochwohlgeboℓ
   verbundenster Diener,
Krafft.


S: GSA 62/37 Bl. 72-77  D: Voigt, Empörung, 53-55 (T); GIlm, 81 (T)  B: -  A: 1780 Januar 17 (WA IV 4, Nr. 880)  V: Konzept 

Sehr ausführlicher Bericht über Mißstände in Ilmenau und über das Wiederaufleben des dortigen Bürgerstreites (der durch die seinerzeitige landesherrliche Begünstigung des betrügerischen Bürgermeister H. E. Hartung entstanden war und bis zur Klage der Bürger beim Reichskammergericht in Wetzlar geführt hatte) mit nachdrücklicher Parteinahme für die Bürger. Mit welcher äuserster Behutsamkeit die Sache ietzo zu behandeln sey, und daß erzeigende Gerechtigkeit bey deren billigen Klagen und Bestrafung der Ungerechten ohne Ansehung der Person, das beste Mittel fürs Land und den Herrn sey, glaube ich daß die Untersuchung, durch unpartheyische Hände, nicht durch Verwandte, noch durch den DepartementsRath geschehen müße [...]. - Ausführlicher Bericht über P. Im Baumgartens Verhalten und über K.s gute Versuche der Erziehung durch eine gleichbleibende Behandlung. - Das grose Packet vom 14. Octobris das ich nach Franckfurth geschickt, werden Sie auch erhalten haben, es sind viele auf den Bürgerstreit zielende Sachen drinnen.

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        1     Hochwohlgebohrener     Insonders HochzuEhrender Herr Geheime Rath

 Ich habe geglaubt es möchte Ihnen nicht unangenehm seyn, die hiesigen Vorfälle eher zu wissen als Sie selbst wieder ins Land kämen. Der vorläufige Begriff davon kan Ihnen dann schon im voraus eine Entschliesung fassen lassen.  Sie betreffen, erstlich die Stadt, und dann Petern, und das erste zu mahl, kan fürs hertzogliche Intresse wichtig werden.  Es hat das Ansehn als wenn der unglückliche Bürgerstreit wieder erregt sey, und zwar dadurch. Der Rath und Amtmann  lies den so genanten Ammen Groschen von Denen, die ihn noch nicht bezahlt hatten, einfodern. Ein Schneider, Reichard,  weigerte sich, ihn zu geben, weil die Bürger ein kayserℓ. decret für sich hätten keine neue Abgaben bezahlen  zu dürfen. Er wurde fürs Amt gefodert, und gefragt wo dann dies decret wäre? Der Metzger Heinz solte es haben,  sagte er, dieser kam auch. Der Amtmann war gantz höflich, fragte ob er denn das decret hätte, er möchte es doch  sehen, um sich darnach richten zu können. Dieser sagte, er hätte eine Menge Schrifften zu Haus, er wolte gleich  holen was er hätte, und brachte einen Pack getragen, das aber lauter Abschrifften waren. Auf Erkundigung  wo dann das original wäre ? antwortete er, der Kürschner Schneider hätte es, es wäre wohl verwahrt, und  würde nicht aus den Händen gegeben. Dieser solte gehohlt werden, war aber, da er gehört hatte,  Heinz wäre der Sachen halber vorgefodert, schon selbst vor der Amtsstube, kam hinein und gestand, er hätte das original, gut verwahrt, müste es aber heilig aufheben um nicht Verantwortung bey seinen Mitbürgern zu haben. Der Amtmann, der es einmahl weg haben wolte, schickte  inzwischen den Amtscommissair und die Amtsdiener hin, um alle Schrifften, die sich auf die Sache  bezögen, in des Schneiders Haus wegzunehmen. Ein klein Pack hatte der Amtscommißair nicht mitgenommen, auf Anzeigen des Amtsdiener wurde es aber nachgeholt. Hier war inne, das Decret,  der Salvus conductus und die gantze Correspondentz. Dem Kürschner wurde bange, daß er  es verabfolgen lassen, kam also und foderte vom Amtmann des andern Tags ein recepisse daß das  Amt diese Sachen wieder seinen Willen abholen lassen, um sich bei seinen Mittbürgern zu  rechtfertigen. Dies wurde ihm gegeben. Ich muß dem Amtmann dabey die Gerechtigkeit wiederfahren| 2 | lassen, daß er alles aus der besten Meynung für den Herschaftlichen Dienst gethan, daß er keinem scharf begegnet oder ihnen gedrohet, sondern vielmehr gesagt habe, er wünschte das Andencken des Streits aus ihren  und ihrer Kinder Gedächtniß zu verbannen, es solte keinen was geschehen pp sein gegebenes recepisse zeigt auch schon daß er nicht wieder Gerechtigkeit verfahren wolte. Ich glaube also, so wie man den  Herschaftlichen Dienst nach den ordinairen Schlendrian nimt, verdient er keinen Verweis von Hofe,  daß er in denen gewöhnlichen Wegen fortgegangen sey. Der Mann konte, wie die Sachen zu gehen pflegen und gewohnt sind, nicht anders handeln. Ob ich aber den bis ietz gewönlichen Weg für den rechten erkennen kan, ist eine andre Frage. Die Bürger sollen sich beruhigen! – und  doch ist keine ihrer Klagen noch gehoben! 1) Scherf thut keine Rechnung, fodert vielmehr  noch Pension. 2) Hartung begehrt so gar wieder Burgemeister zu werden, und läßt sich die  gezogene deFerte in der Cämmerey Rechnung nichts anfechten 3) Der Steuer Einnehmer führt  seine Einnahme Rechnungen (die Ausgabe ist durch die Commißionen mit so vergeblichen  Kosten, untersucht) schon lange Jahre pro lubitu, ist allen Leuthen schuldig, schreibt ihnen  das nicht ab, was sie wollen abgeschrieben haben, braucht vieleicht die Gelder nach Belieben,  und noch ist die Bürgerschafft nicht in stand, einen Statum, wie ihre Steuer Schulden  eigentlich stehen, zu bekommen, 4) Der Stadtschreiber befiehlt nach Gefallen und  nimt es sehr übel wenn man ihn zu seiner Pflicht anhalten will, publicirt Rescripte nach seinem Gutdüncken, schlägt unter was er will, läßt consense verfertigen, wie  es ihm gefält, ohne daß der gantze Rath drum weis, da ist noch keine Bier, noch  keine Korn Rechnungen, noch keine Kriegsrechnung, nach so vielen Jahren gethan, und  1000 Sachen die ich zu verschiedenen Zeiten weitläuftig angeführt habe. – Und die Bürger  sollen zufrieden seyn! – wird nicht der Hertzog mit denen Unterthanen immer| 3 | mit ruinirt? Alle Registraturen sind in Verwirrung. Hie und da fehlen Stücke, kein  Mensch weiß wo sie sind. Hospital Rechnung hat der Stadtschreiber in 5 Jahren nicht abgelegt,  sieht es als was unötiges an, entschuldigt sich mit der Verwirrung seiner Registratur, die letzteRevision hätte es in Unordnung gebracht! So? – revisionen machen anderwärts Ordnung, hier Unordnung – aber die Wahrheit ist, der revidirendeDepartements Rath hat  die Unordnung gelassen wie er sie gefunden, seine diæten genommen und sich um das  Beste des Landes wenig bekümmert, die Herrn nach Gefallen schalten lassen – und das ist eben  so gut als hätte er die Unordnung selbst gemacht. Damit solten die Bürger sich nun beruhigen! Letzens bekam der Amtman ein Rescript mit Anfragen die Steuer betrefend auf einen Bericht der für 5 Jahren von hier abgegangen ist. Da keine Concepte da liegen  so kan er die Fragen nicht einmahl beantworten, sondern muß auff den, seit 5 Jahren in Weimar liegenden Bericht zurückweisen. Wem sollen nun die Hare nicht zu  Berge stehen, wenn er hört daß eine Regierung, in so einer wichtigen Sache als  Steuer Sachen sind, 5 Jahre lang, Berichte unbeantwortet liegen läßt? was  für Verwirrung muß da herschen, da es in allen Stücken so ist! und die Bürger  sollen sich beruhigen! – Viele doppelte Anfragen zeigen daß sie das, was man  ihnen in Weimar sagt, nicht mit gantzen Augen übersehen, sonst würden sie nicht  Sachen zweymahl fragen die schon beantwortet sind. Bey der Amtsregistratur  fehlen ein Haufen Acten, die ietzo der Amtmann von dem gewesenen Amts Actuario Michaelis in Weimar fodert, und da er sie nicht bekommen kan, an höhern Orthe  die Sache angezeigt hat. Da alles aber schläfrig geht, so ist die Frage was die  Regierung thue, und ob sie den Mann erhalten wird? Deposita sind theils nur| 4 | zum theil noch da, kurtz ieder rechtschafene fährt vor der,bisher mit Consens der obern  hier getriebenen Wirthschafft, zurück. Doch wieder zum Bürgerstreit.

 Die Leuthe, Schneider, Reichard und Heintz, mochten dem Dinge nach gedacht haben, daß ihnen nun  der Salvus conductus genommen sey. Sie kanten die Arth zu verfahren, von ihren Mitbürgern  die durch Soldaten aus denen Betten ins Zuchthaus geführt worden und theils darin gestorben sind, indessen die Personen über welche sie klagen und Untersuchung und Gerechtigkeit verlangen, mit erhobenen Haupt ungestraffthier herum gehen, nach Gefallen mit Bürger Gelder wirthschafften, und noch Pensiones fodern, eine  Sache die die Bürger sehr aufgebracht hat. Von ohngefehr kamen den Tag drauf, wie dies  geschehen war, 2 Husaren von Weimar hieher, kaum erblickteten sie solche, als ihnen  einfiel, (dies mahl wohl mit Unrecht, denn ich glaube nicht daß der ietzige Amtmann es  würde gethan haben) man wolte sie vieleicht, wie ehmahls nun mit Gewalt hohlen,  und sie sich also aus dem Staube machten. Noch mehr hatte zu diesen Verdacht  anlas gegeben, daß der Amtmann dem Schneider bey schwererStrafe untersagt  hatte, seinen Mitbürgern zu sagen, daß er ihm den Salvum Conductum und  das Decret abgenommen hätte. Nun sollendiese Leuthe wieder nach Wetzlar gegangen seyn, und der Streit kan, wenn ietzo nicht behutsam verfahren  wird, aufs neue so starck wie ie ausbrechen. Solte nun auch der Hertzog denen  Bürgern, die aus Mangel des Geldes oft nicht scharf genug solchen treiben  können, etwas abgewinnen, schadet er sich dann nicht selbst, wenn seine Unterthanen verderben? Verdienen, die Leuthe über die die Untersuchung begehrt| 5 | wird, wohl, daß man, ihrer Familie und aus Partheylichkeit und Gunst halber, das Land aufopfere? Haben sie recht, so wird es ia die Untersuchung ausweisen, das Verfahren des  Steuer Einnehmers aber ist ofenbahr unrecht, was thut es, daß er Vetter von Cantzler und  Ekard ist? Ist das Beste des Landes oder diese mehr und von wem lebt der Hertzog?  So mit dem andern. Welchen Ruhm würde sich der Hertzog machen, wenn er, was am  Ende geschehen kan, der Untersuchung einer kayserℓ. Commißion, durch selbst befohlene  neu angestelte ernstliche Untersuchungen aller Unordnungen zuvorkäme? Den  Streit zwischen ihm als Lands Herrn, wegen mancher Geldfoderung in Steuern würden  alsdann die Bürger gern niederschlagen, wenn sie sonst nur Gerechtigkeit gegen  die Personen, die so unrecht haben bekämen und bessre Leuthe angesetzt und künftige Ordnung sähen. Die Folge wird lehren was die 3 oben benanten Personen  in Wetzlar thun werden. Mich deucht aber, ietzo ist der Zeit Punckt entweder  das Land vollends zu verderben, oder zu retten.   Bis ich alles das, was geschehen muß, gethan hätte, hätte ich denen Bürgern den Salvum Conductum und das Decret ruhig in Besitz gelassen, da sie immer einen neuen wiederbekommen  können. Ich würde aber inzwischen das viele übel, von dem ich so lange und viel schon geschrieben untersucht und gehoben haben, da es das Beste des Landes selbst erfodert, dann würde der ietzige Umstand nicht haben vorfallen können, und die  Bürger hätten mir wohl freywillig die Schrifften ausgeliefert, und die Sache wäre  zu Ende gewesen. Jetzt konte fast der Amtmann (da alles in statum quo geblie| 6 |ben war) nicht anders handeln als denen Leuthen, die sich auf ein Decret beriefen,  das ihnen neue Auflagen zu geben untersagte, solches wegnehmen. Mit welcher  äuserster Behutsamkeit die Sache ietzo zu behandeln sey, und dass erzeigende Gerechtigkeit bey denen billigen Klagen und Bestrafung der Ungerechten ohne  Ansehung der Person, das beste Mittel fürs Land und dem Herrn sey, glaube ich  daß die Untersuchung, durch unpartheyische Hände, nicht durch Verwandte, noch  durch den Departements Rath geschehen müße, wenn sie helfen soll, versteht sich  von selbst. Der neue Amtmann scheint mir sonst ein würdiger Mann und brauchbar, wenn er nur alles erst in Ordnung findet, da die Unordnungen überall  zu gros sind, als daß er solche allein verbessern könne.

 Mit ist der Amtmann auf den Bürgerstreit aufmercksam geworden, weil wegen  der für andre darin vorgeschossenen und nicht erstatteten Kosten, ein gewisser Sander andre verklagt hatte.  Diese Leuthe haben sich inzwischen wieder verglichen, da sie nun den allgemeinen  Feind, wieder aufwachen sehen, und Sander rühmt sich schon wieder 200 Bürger  auf seiner Seite zu haben.

 Möchte doch Gott Ew. Hochwohlgebℓ Gehör beyden Lands Fürsten und Nachdruck und Krafft in Worten geben  um diese, so schädliche Sachen, so wie es Gerechtigkeit und das Beste des  Fürstens und Landes erfodert, auszumachen. Welchen Ruhm, festen, wahren,  nicht flitternden Schein-Ruhm würden Sie sich erwerben, und welche inre Zufriedenheit! Seegen über unglückliche Bürger wiedergebracht, und die Macht| 7 | der Ungerechten zerbrochen zu haben! Ich kan mir nichts größeres dencken, als  Friedensstiffter zwischen Herrn und Unterthanen, Ausrotter der Ungerechtigkeit,  und Seegen der Völcker zu seyn! Wie viel fühlt meine Seele bey diesen  Gedancken! – – Ihnen, ehe Sie ins Land kämen, davon Nachricht zu geben,  hielt ich für Pflicht. Zumahl da ich den Brief, allen hier unbemerckt, da  die Riethin noch in Bamberg ist, fortbringen kan. Denn solche  Sachen werde ich von hier, weder mit derPost, noch dem Amts Bothen schreiben, sondern durch einen besondern Bothen. Daß Dieselben durch  diese Nachrichten ins Land zurück geruffen werden würden, glaube ich  gewiß.

 Nun auch noch was von Petern. Wie ich ihn behandle habe ich letzthin weitläuftig  geschrieben. Wenn dies nicht fruchtet, so fruchtet ewig nichts. Letzthin aber kamen der  Wildmeister, und bald drauf in vorbeygehen der Hℓ. Cammerherr selbst zu mir, und  klagten beyde auserordentlich starck über Petern. Der Wildmeister sagte, er könte mir  versichern daß niemals ein Jäger aus ihm werden würde, daß er nichts [sic] das geringste davon  verstünde, noch zu lernen Lust hätte, noch behielte, wann man es ihm sagte, daß er in  allen Sachen wiederspänstig wäre, grob gegen die Pursche und Hausgesind, liederlich  in seinen Sachen und Aufführung, ohngeweckt für 10 Uhr nicht aufstünd (eine Probe gab  er mir davon da er ihn den andern Tag ungeweckt schlaffen lies, und Peter richtig erst  um 10 Uhr aufstund, und sich nach 1/4stunde bey mir sehen ließe) er klagte über seinen| 8 | Hochmuth, daß er sich drauf verlies er hätte 6000 rℓ, niemand hätte ihn was zu befehlen und  er brauchte nichts zu lernen, daß er mit Gewalt Hℓ. v. Lindau wolte genant seyn, daß  er in den Wirthshäusern abends herumzög und mit iedermann Karten spielte,  so daß er ihm öfters aussperren müßte, daß er seine Sachen heimlich verkauffte und verschenckte und ohne toback nicht leben könte ppp. Der Hℓ. Cammerherr  sagte ein gleiches, wie auch daß er ihn schon selbst hier und da zu abrichten wollen,  aber daß er entweder nicht gekommen oder nicht achtung drauf gegeben hätte,  daß er oft allen Wohlstand aus den Augen setzte, nichts von der Jagd lernte und nichts lernen würde. Er wolte ihm selbst einmahl aus den Wirthshäusern  hohlen und den Leuthen es untersagen ihn zu beherbergen. Auch lief er oft liederlichen Menschern nach pp. Ich erstaunte und betrübte mich von Hertzen über  dies alles. Manches muß wahr seyn. Seine Unachtsamkeit, Vergeßenheit pp mercke ich täglich und habe solche öfters berührt. Sein Stoltz ist mir auch sichtbahr genug, und ich arbeite immer mit Gründen ihn zu dämpfen. Wer dem iungen  Menschen hat mercken lassen, er hätteVermögen, ist an vielen Unglück das ihm wiederfahren kan, Schuld. Solche iunge rohe Leuthe können diese Käntniß nicht brauchen,  misbrauchen sie viel mehr, eben so als wenn man gar zu schöne mit ihnen thut. Er  sagte mir einstmahl selbst. Er hätteso viel Gelddaß er nichtszu lernen brauchte als was ihm beliebte, er hätte und müße auch noch ein Guth von| 9 | seinen Vater bekommen, wären doch mehr Leuthe in der Welt, die gute und grose Dienste hätten und könten noch wohl weniger als er. Alles, Früchte des ihm zu  zeitig beygebrachten Stoltzes. Gegen mich hat er Liebe und nimt sich immer in acht, sich  nichts unanständiges mercken zu lassen, seitdem ich mich gewöhnt, mit ihm über die  Dinge in der Welt pp zu räsoniren. Mir folgt er, und wiederspricht nie, bekent  sich auch, wenn er gefehlt hat, gleich schuldig. Freylich wird sich niemand die Mühe  mit ihm geben, die ich mir, um Ew Hochwohlgebohrn halber, gäbe. An der Arth, wie  er behandelt wird, liegt auch wohl viel. Bey mir hört er zu allem Gründe, ich selbst  gebe ihm die Regel, nichts ohne Grund vorzunehmen, oder zu thun. Gerecht gegen ieden  zu seyn p. Wie die Arth der Behandlung beym Wildmeister sey, weiß ich nicht.  Freylich wohl nicht so, als wenn ich Wildmeister wäre. Oft mag man auch mit  ihm Haseliren und zu familiær seyn, dann auf einmahl ihn anfahren und streng  seyn, dies ist bey ihm wohl der falsche Weg. Was das meiste ist, so scheint er  alles Vertrauen zu seinen Lehrern hier in der Jägerey verlohren zu haben, ich bemühe mich es wieder zu erwecken, weis aber nicht ob es mir gelingen wird.

 Für das, daß er Jägerey hier lerne, stehe ich nicht, und glaube es kaum. Er müßte  aus aller Connexion hier und in Hände kommen, die ihm von Anfang an, egal, und  seinem Temprament gemäß behandelten, wenn er noch ein würcklicher Jäger werden solte.

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 Wie er den Tag drauf zu mir kam, hielt ich ihm alles vor. Sagte ihm es thäte mir in  Hertzen weh, daß ich so viel schlechtes von ihm hörte, da ich angefangen hätte, seitdem  er seine Fehler selbst einsähe und bekendte vor ihm gute Hofnung zu haben. Ich  zeigte ihm weitläuftig das unschickliche des stoltzes überhaubt, und des seinigen  insbesondere, daß 6000 rℓ kein Capital wären, davon man bey einer schlechten  Wirthschafft leben und zeitlebens müsig gehen könte, daß niemand Leuthe  achtete die grose Stellen und doch keine Verdienste hätten als ihre Untergebene,  daß er noch nicht einmahl unter die gehörte, die ohne Verdienste befördert würden  da seine Gönner zu rechtschafneLeuthe wären und zu viel Gewissen hätten es zu  thun, daß so lange sein Geld währte er Schmeichler aber wann es bald alle,  dann keinen Helfer haben würde, daß nun das Glück und Unglück seines  Lebens in seiner Hand sey, er vorzüglich für viel 1000 Gelegenheit hätte  was zu lernen, und er sonst ein Taugenichts werden und von ieden dafür  erkandt werden müßte. Was das für Ehre wäre. Daß wir nur von  andern Achtung erhielten, wenn wir uns darnach betrügen, nicht durch stoltzes  pochen. Dass man in der Welt gefällig gegen ieden seyn müßte und die  goldene Regel nicht aus den Augen lassen, was du nicht wilst, thue den Leuthen  auch nicht. Kurz ich müßte 24 Bogen schreiben, wenn ich alles das berühren| 11 | wolte, was und wie ich es ihm sagte. Ich lies keine Falte seines Hertzens unangetastet, er schien gerührt, gab sich in vielen schuldig, erkandte daß ich es volkommen  gut mit ihm meynte, in Allen recht hätte, aber daß ihm niemand wie ich behandelte.  Klagte über den Wildmeister und Cammerherrn in manchen Stücken. Falsch wäre  es gewesen wenn ich ihm recht gegeben. Ich wies ihm zur Folgsamkeit, Geduld,  Beharrlichkeit im Guten, Gefälligkeit, wenn auch andre ungefällig wären  und nicht in seinen Pflichten müde zu werden, an, wies ihm an, um das vergessene selbst zu fragen, schlechte Geselschafften zu meiden, Kartenspiel zu  lassen, die Meynung zu verlernen, er könne ohne Verdienste als ein  groser Herr von seinen Geldern leben, ein nützliches und nicht unbrauchbares Glied der Welt zu werden, und die wahre Ehre kennen zu lernen  in seinen Wald, Holtz, Wild, Flinte, Hunde, Pferde, sich auch in den geringsten Kleinigkeiten zu bekümmern, sagte daß ich ia nicht müde würde  ihm zu lernen und nie aufführe, so müßte er nie müde werden Gefälligkeiten andern zu erzeigen, wenn sie es auch nicht gleich erkandten.

 Er klagte die Pursche wären darüber böse, daß er ihnnen nicht aufwarten  wolte, das manchmahl ihm was gesagt, dann wieder nichts gesagt  würde, daß er in einen Bett mit iedem neuen Jungen schlafen müßte, dann| 12 | oft unwülig sey, daß die Pursche ihn anführen, und sein Wildmeister ihn  nicht eben alzeit mit Sanftmuth behandelte ppp. Ich habe ihm alles was  man nur drauf sagen kan, gesagt, und daß er ietzt alles übersehen und  neu lernen müßte, es sey von wem es wolle, Gefälligkeiten aller Hertzen  endlich gewönnen und seine Aufführung ihm Achtung erwerben müßte, wenn  er welche wolte. Was es nun haften wird, wird die Zeit lehren. In meiner  Stube, und so lang ich um ihm bin, kan ich alles mit ihm anfangen.  Was kan ich mehr als ihm überzeugen, ihm selbst gestehen machen, wo  er recht und unrecht, ihn die Mittel zum rechten Weg zu zeigen, von ihm  hören er verstehe sie und wolte ihnen folgen? Gehen andre andre Wege,  so kan ich es nicht hindern. Gut wäre es, wenn man ihm beybringen könte, er hätte sein vermögen verlohren, wie in dem jeune homme a l'epreuve in  Destouches.

 Die Post will fort, ich mus schliessen. Da ich hoffe bald von Ihnen selbst was  zu hören, so will ich, was im Bürger Krieg und mit Petern sonst noch vorgehen  möchte versparen, bis ich von Ihnen Nachricht habe, sonst möchten meine Briefe  Sie verfehlen. Das grose Packet vom 14​tenoctbr. das ich nach Frckfurth geschickt,werden  Sie auch erhalten haben, es sind viele auf den Bürgerstreit zielende Sachen drinnen. Von mir sage  ich ietzo nichts als daß ich bin,

   Ew Hochwohlgeboℓ   verbundenster Diener, Krafft.

 

 
 

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RA 1, Nr. 103, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0103_00115.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 103.

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