Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 101
Von Friedrich Müller (genannt Maler Müller)

16. Oktober 1779, Rom

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Müller der im August nach Italien gieng,
erhielt durch mich den grösten Theil der Pen-
sion fürs erste Jahr im September, mit dem
Versprechen, daß jährlich fortgefahren
werden solte, und er also seine Einrichtung
darnach machen könne.


Er erwartete also vergangenen Septem-
ber die versprochene Summe zum zwey-
tenmal, da aber in meiner Abwesenheit Nie-
mand war, der das Geld einsamlete und be-
sorgt hätte, so gerieth Müller dadurch in
große Verlegenheit.


Er schrieb einen Brief von Rom den
16. vergangenen Octobris, den ich bey
meiner Rückkunft antraf.


Er klagt, daß mann zu Manheim übel
mit ihm umgehe und seine einzige Hofnung
auf die Beyhülfe von Weimar setze.


Ich zeichne einige Stellen des Briefs | 2 |
aus:


"Ich habe ein Stück für Sie fertig, was
es ist, will ich Ihnen jetzo gleich sagen,
hernach können wir weiter fortreden.
Dieß Stück ist aus der Epistel Judä genom-
men, stellt den Streit des ErzEngel
Michaelis mit Satan über den Leichnam
Mosis vor, ein Subject das Raphael oder
ein Michel Angelo hätte mahlen sollen
– Kurz ich habs gemacht, und wie ich's
gemacht, werden Sie bald sehen, wenn
ich's künftiges Frühjähr durch meinen
Freund Mechau nach Weimar werde
überbringen lassen – Wers einmahl
gesehen kommt immer und siehts
wieder, und ob ich gleich nur ein Jahr
hier bin, hat mirs doch so viel zu wege
bracht, daß mein Wort immer unter
denen die zwölf und funfzehn Jahre
schon hier studiren, gilt –


Wie wollen Sie's denn künftig
mit meiner Pension einrichten, daß
ich sie hier zu gewißen Zeiten ziehen
und darnach meine Maasregeln in An-
sehung der Ausgaben zu meinem Stu-
dio nehmen kann – Seyn Sie versichert,
ich werde Ihnen als ein ehrlicher Mann
immer so viel Arbeit dagegen
liefern, daß Sie gewiß nicht zu
kurz dabey kommen sollen – Das erste
Jahr konnt ich nicht sogleich wie ich
wolte, bis mann Rom kennen
lernt, alle Gallerien, Villen, Mo-
numenten p bis mann sich zum ar-
beiten eingericht, eine Werckstelle
gefunden (wie ich denn bis dato
noch keine eigene habe, und immer | 3 |
noch zu Gast arbeiten muß, das im
Grunde sehr verdrüßlich ist) alles
das nimmt Zeit hinweg, und denn wird
auch die erste Arbeit nicht gleich so, daß
mann sie einem brafen Mann zuschicken
mag. Auf künfftiges Frühjahr hoff'
ich werden Sie mit mir zufrieden
seyn.


Dencken Sie also darauf mein lieber
Göthe, wie Sie's mit meiner Pen-
sion einrichten wollen – Der Win-
ter bricht jetzt heran, da verdoppeln
sich viele Ausgaben, ich muß mir
eine eigene Werckstätte anschaffen, sollt
ich mir's auch am Maul abspahren –
Wir Deutsche müßen unsere eigene Aca-
demie hier unterhalten p Glauben
Sie daß zu dem Gemälde das ich Ihnen
überschicken werde die Studien allein
an Modellen, Gipse, Mahlereyen die
ich copirte, und für die Erlaubniß be-
zahlen müßen, mich über dreysig
Zechineen belaufen – Das ist so wahr
Gott lebt die Wahrheit."


S: GSA 29/411,I Bl. 4-5  D: Maler Müller Nr. 86  B: -  A: an K. A. Herzog von Sachsen-Weimar und andere, 1780 Januar 19 (WA IV 4, Nr. 883); an C. F. Schwan, 1780 Februar 18 (WA IV 4, Nr. 891) 

Da man in Mannheim übel mit ihm umgehe, setze M. seine Hoffnung auf Weimar (vgl. RA 1, Nr. 85). - M. beschreibt das Bild, das er für G. fertiggestellt habe und das Raphael oder ein Michel Angelo hätte malen sollen, erkundigt sich nach dem Zahlungsmodus der ihm zugesagten Pension und versichert, er werde als ein ehrlicher Mann immer so viel Arbeit dagegen liefern, daß G. gewiß nicht zu kurz dabey kommen solle. Hinweis auf seine bisherigen und noch bevorstehenden notwendigen Ausgaben.

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 Müller der im August nach Italien gieng, erhielt durch mich den grösten Theil der Pension fürs erste Jahr im September, mit dem Versprechen, daß jährlich fortgefahren werden solte, und er also seine Einrichtung darnach machen könne.

 Er erwartete also vergangenen September die versprochene Summe zum zweytenmal, da aber in meiner Abwesenheit Niemand war, der das Geld einsamlete und besorgt hätte, so gerieth Müller dadurch in große Verlegenheit.

 Er schrieb einen Brief von Rom den 16. vergangenen Octobris, den ich bey meiner Rückkunft antraf.

 Er klagt, daß mann zu Manheim übel mit ihm umgehe und seine einzige Hofnung auf die Beyhülfe von Weimar setze.

 Ich zeichne einige Stellen des Briefs| 2 | aus:

 "Ich habe ein Stück für Sie fertig, was es ist, will ich Ihnen jetzo gleich sagen, hernach können wir weiter fortreden. Dieß Stück ist aus der Epistel Judä genommen, stellt den Streit des ErzEngel Michaelis mit Satan über den Leichnam Mosis vor, ein Subject das Raphael oder ein Michel Angelo hätte mahlen sollen – Kurz ich habs gemacht, und wie ich's gemacht, werden Sie bald sehen, wenn ich's künftiges Frühjähr durch meinen Freund Mechau nach Weimar werde überbringen lassen – Wers einmahl gesehen kommt immer und siehts wieder, und ob ich gleich nur ein Jahr hier bin, hat mirs doch so viel zu wege bracht, daß mein Wort immer unter denen die zwölf und funfzehn Jahre schon hier studiren, gilt –

 Wie wollen Sie's denn künftig mit meiner Pension einrichten, daß ich sie hier zu gewißen Zeiten ziehen und darnach meine Maasregeln in Ansehung der Ausgaben zu meinem Studio nehmen kann – Seyn Sie versichert, ich werde Ihnen als ein ehrlicher Mann immer so viel Arbeit dagegen liefern, daß Sie gewiß nicht zu kurz dabey kommen sollen – Das erste Jahr konnt ich nicht sogleich wie ich wolte, bis mann Rom kennen lernt, alle Gallerien, Villen, Monumenten p bis mann sich zum arbeiten eingericht, eine Werckstelle gefunden (wie ich denn bis dato noch keine eigene habe, und immer| 3 | noch zu Gast arbeiten muß, das im Grunde sehr verdrüßlich ist) alles das nimmt Zeit hinweg, und denn wird auch die erste Arbeit nicht gleich so, daß mann sie einem brafen Mann zuschicken mag. Auf künfftiges Frühjahr hoff' ich werden Sie mit mir zufrieden seyn.

 Dencken Sie also darauf mein lieber Göthe, wie Sie's mit meiner Pension einrichten wollen – Der Winter bricht jetzt heran, da verdoppeln sich viele Ausgaben, ich muß mir eine eigene Werckstätte anschaffen, sollt ich mir's auch am Maul abspahren – Wir Deutsche müßen unsere eigene Academie hier unterhalten p Glauben Sie daß zu dem Gemälde das ich Ihnen überschicken werde die Studien allein an Modellen, Gipse, Mahlereyen die ich copirte, und für die Erlaubniß bezahlen müßen, mich über dreysig Zechineen belaufen – Das ist so wahr Gott lebt die Wahrheit."

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 101, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0101_00113.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 101.

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