Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 95
Von Karl Ludwig August von Scholley

24. Juli 1779, Malsfeld in Hessen

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   Wohlgebohrner Herr,
   HochzuEhrender Herr Geheimde Conferentz-­Rath!


Euer Wohlgebohren habe in meinem letztern, wenn mich nicht
irre, zu melden die Ehre gehabt, daß gleich nach dessen Ablaß in
Dienst-­Verrichtungen nacher Marburg und Wetter verreisen
muste. Der dortige Aufenthalt hat sich verschiedener Ge-
schäffte halben in die Länge gezogen, und kaum war von dort
zurück, als auf Kauffungen reisen muste. Wie von da zu-
rück kam, fande meinen eintzigen Sohn an den Röthen sehr
kranck. Er war kaum ausser Gefahr, so legten sich an die-
ser bösen Kranckheit meine beyde Töchter und endlich
meine Frau. Die Unruhe und Sorgen, die auf mir lagen,
machten mich gantz unfähig Dero indeßen eingelauffene Hoch-
geEhrteste Schreiben schuldig zu beantworten. Euer Wohl-
gebohren ersuche daher um die Gewogenheit den bißherigen
Verzug geneigtest zu entschuldigen: und ich hoffe auch um | 2 |
so eher gütige Verzeyhung, da nun im Stand bin eine Antwort nach
Dero Wünschen zu geben. Meine Pflegbefohlene haben wegen
der endlichen Berichtigung des Vermächtnisses ihres seelℓ: Bruders
theils schrifftlich, theils mündlich nochmals mit mir communicirt.
Der Entschluß bleibt ein für allemal der großmüthige, daß
selbiges in Erfüllung gesetzt werden soll. Zu Abkürtzung alles
fernern Aufenthalts will Euer Wohlgebohren den Aufsatz
einer so bündigen Quittung, als möglich, lediglich überlaßen,
und darbey anheim stellen; ob nicht erfoderlich sey, daß Peter
im Baumgarten solche mit unterschreibe? Dasjenige, was Euer
Wohlgebohren schon bißher an demselben gethan, ist ein so über-
zeugender Beweiß an Dero edlen Denckungs-­Art gegen das
Andencken eines verstorbenen Freundes, daß es höchst beleidi-
gend wäre, wenn man den gethanen Vorschlag der Bevormun-
dung dem ungeachtet verlangen wollte. Ich schmeichle mir | 3 |
aber auch, daß Euer Wohlgebohren von mir glauben, wie unter dem,
was bißher geschehen und die Auszahlung verzögert hat, ich weiter
nichts, als meiner Pflegbefohlenen und meine eigene vollkomne
Sicherheit gesucht habe. Sie erlauben daher, daß nicht berge, wie
mich das zugesandte Gutachten nicht überführt hat. Die Richtigkeit
der darin angeführten Sätze will zwar nicht bestreitten; ob sel-
bige aber in casu substrato bey einem Dicasterio überall durch-
gehen würden? daran zweiffle. Indeßen ist es mir sehr angenehm,
daß es aller dieser Weitläufftigkeiten nicht bedarff, sondern es
nun von Euer Wohlgebohren abhängt zu befehlen, wenn, wie und
wohin die Gelder übermacht werden sollen. Es soll mir dieß
eine vorzügliche Angelegenheit seyn, und auch die besondere
Hochachtung zu bezeigen, wormit mich lebenslang zu bekennen
die Ehre habe


   Euer Wohlgebohren

   gehorsamsten Diener

    CLA von Scholley


S: GSA 30/82,2 Bl. 20-21  D: WAIV 4, 347 (R)  B: 1779 April 26 (WA IV 4, Nr. 809); 1779 Juni 2 (vgl. 4, 380); 1779 Juni 9 (vgl. 4, 347); an W. von Beaulieu-Marconnay, 1779 April 26 (WA IV 4, Nr. 810)  A: 1779 August 30 (vgl. 4, 381) 

Entschuldigungen für S.s verspätete Antwort auf G.s indessen eingelauffene [...] Schreiben. Da seine Pflegebefohlenen (W. von Beaulieu-Marconnay, K. von Lindau und M. U. F. von Düring) bei ihrem Entschluß blieben, das Testament ihres Bruders H. J. von Lindau zu erfüllen, und obwohl ihn das von G. zugesandte juristische Gutachten nicht überzeugt habe, erwarte er nunmehr von G. eine Quittung und einen Befehl, wenn, wie und wohin die Gelder für P. Im Baumgarten übermacht werden sollen.

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 Wohlgebohrner Herr,  HochzuEhrender Herr Geheimde Conferentz-­Rath!

 Euer Wohlgebohren habe in meinem letztern, wenn mich nicht irre, zu melden die Ehre gehabt, daß gleich nach dessen Ablaß in Dienst-­Verrichtungen nacher Marburg und Wetter verreisen muste. Der dortige Aufenthalt hat sich verschiedener Geschäffte halben in die Länge gezogen, und kaum war von dort zurück, als auf Kauffungen reisen muste. Wie von da zurück kam, fande meinen eintzigen Sohn an den Röthen sehr kranck. Er war kaum ausser Gefahr, so legten sich an dieser bösen Kranckheit meine beyde Töchter und endlich meine Frau. Die Unruhe und Sorgen, die auf mir lagen, machten mich gantz unfähig Dero indeßen eingelauffene HochgeEhrteste Schreiben schuldig zu beantworten. Euer Wohlgebohren ersuche daher um die Gewogenheit den bißherigen Verzug geneigtest zu entschuldigen: und ich hoffe auch um| 2 | so eher gütige Verzeyhung, da nun im Stand bin eine Antwort nach Dero Wünschen zu geben. Meine Pflegbefohlene haben wegen der endlichen Berichtigung des Vermächtnisses ihres seelℓ: Bruders theils schrifftlich, theils mündlich nochmals mit mir communicirt. Der Entschluß bleibt ein für allemal der großmüthige, daß selbiges in Erfüllung gesetzt werden soll. Zu Abkürtzung alles fernern Aufenthalts will Euer Wohlgebohren den Aufsatz einer so bündigen Quittung, als möglich, lediglich überlaßen, und darbey anheim stellen; ob nicht erfoderlich sey, daß Peter im Baumgarten solche mit unterschreibe? Dasjenige, was Euer Wohlgebohren schon bißher an demselben gethan, ist ein so überzeugender Beweiß an Dero edlen Denckungs-­Art gegen das Andencken eines verstorbenen Freundes, daß es höchst beleidigend wäre, wenn man den gethanen Vorschlag der Bevormundung dem ungeachtet verlangen wollte. Ich schmeichle mir| 3 | aber auch, daß Euer Wohlgebohren von mir glauben, wie unter dem, was bißher geschehen und die Auszahlung verzögert hat, ich weiter nichts, als meiner Pflegbefohlenen und meine eigene vollkomne Sicherheit gesucht habe. Sie erlauben daher, daß nicht berge, wie mich das zugesandte Gutachten nicht überführt hat. Die Richtigkeit der darin angeführten Sätze will zwar nicht bestreitten; ob selbige aber in casu substrato bey einem Dicasterio überall durchgehen würden? daran zweiffle. Indeßen ist es mir sehr angenehm, daß es aller dieser Weitläufftigkeiten nicht bedarff, sondern es nun von Euer Wohlgebohren abhängt zu befehlen, wenn, wie und wohin die Gelder übermacht werden sollen. Es soll mir dieß eine vorzügliche Angelegenheit seyn, und auch die besondere Hochachtung zu bezeigen, wormit mich lebenslang zu bekennen die Ehre habe

 Euer Wohlgebohren  gehorsamsten Diener   CLA von Scholley

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 95, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0095_00107.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 95.

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