Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 94
Von Karl Ludwig August von Scholley

6. April 1779, Malsfeld in Hessen

| 1 |


   Wohlgebohrner Herr
   HochzuEhrender Herr Geheimde-­Conferentz-­Rath!


Euer Wohlgebohren können sich versichert halten, daß Dero HochzuEh-
rende letztere Zuschrifft nicht würde abgewartet haben, wenn
nicht überhäuffte Geschäffte und fast stetige Abwesenheit mich biß
her behindert hätten, die versprochene Nachricht eher schuldigst zu
geben. Ich schmeichle mir, daß diese Entschuldigungen gültig seyn
werden, und habe die Ehre hierdurch zu melden, wie die Schuld,
daß der letzte Wille des seelℓ: Hℓ: Lieutenants von Lindau noch
nicht vollstreckt ist, nicht so wohl an mir, als vielmehr an dHℓ:
Baron von Salis liege.


Schon im Februar verwichenen Jahrs habe demselben geschrie-
ben, wie die Frau und Fräulein Schwestern des seelℓ: Lindau
aus Großmuth und zärtlicher Liebe für ihren eintzigen Bruder
sich entschlossen hätten, seine den Rechten nach sonst ungültige
letzte Willens Verordnung zu erfüllen: folgender Gestalt;
1) Daß das Legat von 2000. rℓ. für Peter im Baumgarten in der
Maase ausgezahlt werde, daß die Zweyjährige Pension à 40. Louis neufs von | 2 |
1777 und 1778 für selbigen, darvon abgezogen, und auf dHℓ: Baron
von Salis eingesandte Rechnung bezahlt würde.


2) Daß solche, wohin derselbe verordnete, übermacht werden sollten.
Weil aber durch beregten Abzug die Rechnung für Peter im Baum-
garten so wenig, als durch die dreyjährige Pension von 42. Louis neufs
für Andreas Führer, dessen Rechnung völlig getilgt würden; so woll-
ten Sie


3) nicht nur gemeldete 42. L. n. zahlen, sondern auch noch 16 3/4. Louis
neufs zuschiessen, damit Hℓ: Baron von Salis in allem vollkommen
zufrieden gestellt würde. Sie erbäten sich dargegen die Rech-
nungen zu quittiren, allen fernern Ansprüchen aus angeführter
letzter Willens-­Meinung in bester Form Rechtens zu entsagen,
und über die Auszahlung des Legats für Peter im Baumgarten,
da derselbe unmündig, entweder von dessen Eltern, oder wofern
selbe nicht mehr am Leben von dessen Vormündern, unter gleich-
mässiger Entsagung für eine Quittung, die zu Recht beständig,
zu sorgen.


DHℓ: Baron von Salis hat so fort dieß angenommen, und auch
das nöthige wegen seiner eigenen Forderungen eingesandt; we-
gen des Legats für Peter im Baumgarten aber sich auf nichts | 3 |
eingelaßen, sondern solches lediglich an Euer Wohlgebohren verwiesen.
Aus was für Ursachen auf meine Erlasse; daß so wenig in dem ein
als andern eine Auszahlung erfolgen würde, wenn nicht vorher die
Quittung wegen des Legats für Peter im Baumgarten, solcher Ge-
stalt wie sie verlangt worden, eingegangen wäre: keine weitere
Antwort noch Nachricht erhalten habe, will nicht untersuchen. Ich
habe wenigstes geglaubt, daß dHℓ: Baron von Salis dergleichen
alle besorgte, weil er von dem seelℓ: Lindau zum Executore sei-
nes letzten Willens gesetzt worden.


Euer Wohlgebohren bekannte richtige Einsichten sind mir Bürge
daß Dieselben nicht mißbilligen werden, bey Auszahlung solcher
grossen Summen alle nur mögliche Sicherheit zu gebrauchen: ich bin
vielmehr überzeugt, daß Sie diese Vorsicht mit zu den Pflichten ei-
nes Vormunds zehlen.


Übrigens aber betheure, daß so bald nur meine Pflegbefohlene von
dieser Seite freygestellt sind, die Auszahlung ungesäumt erfolgen,
und mir es zu einem der angenehmsten Vergnügen gereichen soll
dieses Geschäffte mit Euer Wohlgebohren völlig zu berichtigen, und
auch hierdurch die vorzüglichste Hochachtung zu bethätigen, wormit
mich unterzeichne


   Euer Wohlgebohren

   gehorsamster Diener

    CLA von Scholley



   Dem Herrn
Geheimden Conferentz-­Rath Goethe
   nach
   Weimar

S: GSA 30/82,2 Bl. 10-11  D: Ernst 1941 106 (T)  B: 1779 März 29 (vgl. 4, 380)  A: 1779 April 26 (WA IV 4, Nr. 809); an W. von Beaulieu-Marconnay, 1779 April 26 (WA IV 4, Nr. 810); an U. von Salis-Marschlins, 1779 April 26 (WA IV 4, Nr. 811) 

S. versichert, daß er G.s letztere Zuschrifft nicht würde abgewartet haben, wenn nicht überhäuffte Geschäffte ihn an der versprochenen Nachricht gehindert hätten (vgl. RA 1, Nr. 92). Daß der letzte Wille H. J. von Lindaus noch nicht vollstreckt sei, liege nicht an ihm, sondern an U. von Salis-Marschlins. Als Beweis dafür wiederholt S. den hauptsächlichen Inhalt seines Briefes an Salis-Marschlins vom 21. Februar 1778 (RA 1, Nr. 81) und berichtet; Salis-Marschlins habe daraufhin das nöthige wegen seiner eigenen Forderungen eingesandt, wegen des Legats für P. Im Baumgarten aber an G. vewiesen. Seitdem warte S. auf die Quittung wegen des Legats, die die Vorbedingung für die Auszahlung sei.

| 1 |

 Wohlgebohrner Herr  HochzuEhrender Herr Geheimde-­Conferentz-­Rath!

 Euer Wohlgebohren können sich versichert halten, daß Dero HochzuEhrende letztere Zuschrifft nicht würde abgewartet haben, wenn nicht überhäuffte Geschäffte und fast stetige Abwesenheit mich biß her behindert hätten, die versprochene Nachricht eher schuldigst zu geben. Ich schmeichle mir, daß diese Entschuldigungen gültig seyn werden, und habe die Ehre hierdurch zu melden, wie die Schuld, daß der letzte Wille des seelℓ: Hℓ: Lieutenants von Lindau noch nicht vollstreckt ist, nicht so wohl an mir, als vielmehr an dHℓ: Baron von Salis liege.

 Schon im Februar verwichenen Jahrs habe demselben geschrieben, wie die Frau und Fräulein Schwestern des seelℓ: Lindau aus Großmuth und zärtlicher Liebe für ihren eintzigen Bruder sich entschlossen hätten, seine den Rechten nach sonst ungültige letzte Willens Verordnung zu erfüllen: folgender Gestalt; 1) Daß das Legat von 2000. rℓ. für Peter im Baumgarten in der Maase ausgezahlt werde, daß die Zweyjährige Pension à 40. Louis neufs von| 2 | 1777 und 1778 für selbigen, darvon abgezogen, und auf dHℓ: Baron von Salis eingesandte Rechnung bezahlt würde.

 2) Daß solche, wohin derselbe verordnete, übermacht werden sollten. Weil aber durch beregten Abzug die Rechnung für Peter im Baumgarten so wenig, als durch die dreyjährige Pension von 42. Louis neufs für Andreas Führer, dessen Rechnung völlig getilgt würden; so wollten Sie

 3) nicht nur gemeldete 42. L. n. zahlen, sondern auch noch 16 3/4. Louis neufs zuschiessen, damit Hℓ: Baron von Salis in allem vollkommen zufrieden gestellt würde. Sie erbäten sich dargegen die Rechnungen zu quittiren, allen fernern Ansprüchen aus angeführter letzter Willens-­Meinung in bester Form Rechtens zu entsagen, und über die Auszahlung des Legats für Peter im Baumgarten, da derselbe unmündig, entweder von dessen Eltern, oder wofern selbe nicht mehr am Leben von dessen Vormündern, unter gleichmässiger Entsagung für eine Quittung, die zu Recht beständig, zu sorgen.

 DHℓ: Baron von Salis hat so fort dieß angenommen, und auch das nöthige wegen seiner eigenen Forderungen eingesandt; wegen des Legats für Peter im Baumgarten aber sich auf nichts| 3 | eingelaßen, sondern solches lediglich an Euer Wohlgebohren verwiesen. Aus was für Ursachen auf meine Erlasse; daß so wenig in dem ein als andern eine Auszahlung erfolgen würde, wenn nicht vorher die Quittung wegen des Legats für Peter im Baumgarten, solcher Gestalt wie sie verlangt worden, eingegangen wäre: keine weitere Antwort noch Nachricht erhalten habe, will nicht untersuchen. Ich habe wenigstes geglaubt, daß dHℓ: Baron von Salis dergleichen alle besorgte, weil er von dem seelℓ: Lindau zum Executore seines letzten Willens gesetzt worden.

 Euer Wohlgebohren bekannte richtige Einsichten sind mir Bürge daß Dieselben nicht mißbilligen werden, bey Auszahlung solcher grossen Summen alle nur mögliche Sicherheit zu gebrauchen: ich bin vielmehr überzeugt, daß Sie diese Vorsicht mit zu den Pflichten eines Vormunds zehlen.

 Übrigens aber betheure, daß so bald nur meine Pflegbefohlene von dieser Seite freygestellt sind, die Auszahlung ungesäumt erfolgen, und mir es zu einem der angenehmsten Vergnügen gereichen soll dieses Geschäffte mit Euer Wohlgebohren völlig zu berichtigen, und auch hierdurch die vorzüglichste Hochachtung zu bethätigen, wormit mich unterzeichne

 Euer Wohlgebohren  gehorsamster Diener   CLA von Scholley


   Dem Herrn
Geheimden Conferentz-­Rath Goethe
   nach
   Weimar

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 94, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0094_00105.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 94.

Zurück zum Seitenanfang