Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 63
Von Johann Kaspar Lavater an Goethe, Christoph Martin Wieland und Jakob Michael Reinhold Lenz

27. April 1776, Zürich

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   Ich kehre mein Viertelstündchen, u: bis
es herunter gesandet hat, schreib' ich Eüch,
lieben Drey, was mir einfällt.


   Wieland.


Den herzigen Brief vom 15. Apr. empfan-
gen! Dank!


Freüde – über die Wiedergenesung der
Kranken! Werthes sagte mir, was du
in solchen Fällen leidest.
Ich bin Erstaunen gesund; aber mein
stilles Weibchen hat viele, viele Leibes-
beschwerden.


   Goethe.


Komm' ich dann auch zu keiner Stunde, wo
ich dir wieder einmal mein gedrük- | 2 |
tes Herz leeren kann! o Goethe – nur
noch ein Paar Stunden neben dir aufm
obern Lindengraben – oder aufm Bett'
im Saale!


   Lenz.


Du hast nun die Briefe vom nochleben-
den Lindau?
Sey ruhig des Bildes wegen. Werthes
ist nicht mehr in Lausanne.


   Wieland.


Aus Mißverstand ist Pirkheimer auf ein
klein Täfelgen radirt worden. Ich be-
halte das vor mich, und laß einen an-
dern machen.


   Goethe.


In Baden und Weiningen hab ich wie-
der einmal satt von dir gesprochen.
Goethe und Lavater sind der Text des | 3 |
leztern Thema Publikums für die liebe
Studiosi.


   Wieland.


Ich bin, Gott weiß, aüßerlich der glük-
lichste Mensch. Was meine Seele innwen
dig zerreißt – weiß nur Gott.


   Lenz.


Ich habe noch nichts von deinen neü-
ern Dingen gesehen. Ach! mein Lieber!
wärst du bey mir!


   Goethe.


In 8.Tagen hoff' ich Schloßern zusehen;
verspreche mir viel von ihm.


   GoetheWieland u: Lenz.


Wollt' Eüch gern meinen Abraham sen-
den, wenn's nicht mehr kostete, als im
Buchladen. Verzeiht.


   Adieu – Ihr guten Lieben!

| 4 |


Laßt uns würken, weils Tag ist! Es
kommt die Nacht, da niemand würken
kann. Amen.

   


   =


Der Wielandin Kuß für mein Weib-
chen hab ich noch in Petto – wollen erst
eine Menge andre einziehen. Hab aber schon
ein Lächeln zum voraus durch die An-
kündigung erhohlt.


   Wieland.


Kayser wünscht seine Poesieen in Merkur
gedrukt.


   Urtheile.


Briefwechseldreyer akademischer Freün-
de. (Ulm bey Wohler) ––– fließend; doch
etwas mattfließend; Bisweilen süßlicht,
und etwas fade. Übrigens voll Guther-
zigkeit und für Studenten eine treffℓ. | 5 |
Lektüre. Sehr selten Geniespuren, desto
mehr nüzliche Erinnerungen. Über die vie-
len Urtheile über lebende Personen –
urtheilen wir nicht, nur kann hierüber
allen Jünglingen in öffentlichen Schrif-
ten die überlegteste Behutsamkeit –
nicht genug angerathen werden.


   =


Ephemeriden der Menschheit oder Bibl.
der Sittenlehre und Politik. Erstes Stük
76. Basel. Wirthschaft, Sitten, Freyheit
– der Gegenstand dieser Monatschrift. –
Dieß Stük enthält viel Merkwürdi-
ges. Das Beßte – der Brief von Schlos-
ser an Iselin über die Philantropieen.


   =


Auf den Mist mit, wenn's nicht ge-
fällt.


S: Zentralbibliothek Zürich  D: GL Nr. 47  B: 1776 April 10 (vgl. 3, 316)  A: -  V: Abschrift 

An Wieland: Dank für den Brief vom 15. April; zu Wielands Genesung und L.s Befinden. - W. Pirkheimers Bildnis werde für den "Merkur" noch einmal radiert. - Kayser wünscht seine Poesieen in Merkur gedrukt. An Lenz: Du hast nun die Briefe vom nochlebenden H. J. von Lindau? - F. A. C. Werthes sei nicht mehr in Lausanne.- Frage nach Lenz' neueren Werken. An G.: Sehnsucht nach Gedankenaustausch. In Baden und Weiningen werde von G. und L. gesprochen. In 8. Tagen hoffe er J. G. Schlosser zu sehen. An alle: Wollt' Euch gern meinen Abraham senden [...]. An alle oder an Wieland: Urteile über J. M. Millers "Briefwechsel dreier akademischer Freunde" (Ulm 1776) und das 1. Stück 1776 von I. Iselins Monatsschrift "Ephemeriden der Menschheit".

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  Ich kehre mein Viertelstündchen, u: bis es herunter gesandet hat, schreib' ich Eüch, lieben Drey, was mir einfällt.

  Wieland.

 Den herzigen Brief vom 15. Apr. empfangen! Dank!

 Freüde – über die Wiedergenesung der Kranken! Werthes sagte mir, was du in solchen Fällen leidest. Ich bin Erstaunen gesund; aber mein stilles Weibchen hat viele, viele Leibesbeschwerden.

  Goethe.

 Komm' ich dann auch zu keiner Stunde, wo ich dir wieder einmal mein gedrük| 2 |tes Herz leeren kann! o Goethe – nur noch ein Paar Stunden neben dir aufm obern Lindengraben – oder aufm Bett' im Saale!

  Lenz.

 Du hast nun die Briefe vom nochlebenden Lindau? Sey ruhig des Bildes wegen. Werthes ist nicht mehr in Lausanne.

  Wieland.

 Aus Mißverstand ist Pirkheimer auf ein klein Täfelgen radirt worden. Ich behalte das vor mich, und laß einen andern machen.

  Goethe.

 In Baden und Weiningen hab ich wieder einmal satt von dir gesprochen. Goethe und Lavater sind der Text des| 3 | leztern Thema Publikums für die liebe Studiosi.

  Wieland.

 Ich bin, Gott weiß, aüßerlich der glüklichste Mensch. Was meine Seele innwen dig zerreißt – weiß nur Gott.

  Lenz.

 Ich habe noch nichts von deinen neüern Dingen gesehen. Ach! mein Lieber! wärst du bey mir!

  Goethe.

 In 8.Tagen hoff' ich Schloßern zusehen; verspreche mir viel von ihm.

  GoetheWieland u: Lenz.

 Wollt' Eüch gern meinen Abraham senden, wenn's nicht mehr kostete, als im Buchladen. Verzeiht.

  Adieu – Ihr guten Lieben!

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 Laßt uns würken, weils Tag ist! Es kommt die Nacht, da niemand würken kann. Amen.

   

  =

 Der Wielandin Kuß für mein Weibchen hab ich noch in Petto – wollen erst eine Menge andre einziehen. Hab aber schon ein Lächeln zum voraus durch die Ankündigung erhohlt.

  Wieland.

 Kayser wünscht seine Poesieen in Merkur gedrukt.

  Urtheile.

 Briefwechseldreyer akademischer Freünde. (Ulm bey Wohler) ––– fließend; doch etwas mattfließend; Bisweilen süßlicht, und etwas fade. Übrigens voll Gutherzigkeit und für Studenten eine treffℓ.| 5 | Lektüre. Sehr selten Geniespuren, desto mehr nüzliche Erinnerungen. Über die vielen Urtheile über lebende Personen – urtheilen wir nicht, nur kann hierüber allen Jünglingen in öffentlichen Schriften die überlegteste Behutsamkeit – nicht genug angerathen werden.

  =

 Ephemeriden der Menschheit oder Bibl. der Sittenlehre und Politik. Erstes Stük 76. Basel. Wirthschaft, Sitten, Freyheit – der Gegenstand dieser Monatschrift. – Dieß Stük enthält viel Merkwürdiges. Das Beßte – der Brief von Schlosser an Iselin über die Philantropieen.

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 Auf den Mist mit, wenn's nicht gefällt.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 63, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0063_00068.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 63.

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