Briefe an Goethe: RA 1, Nr. 49
Von Friedrich Heinrich Jacobi

14. Juni 1775, Köln

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Er wird gewiß kommen der Tag, wo
du wieder da seyn wirst; wo Berg und
Fluß und Mond und Sonne mich drauf
ansehen werden, daß ich dich wieder
habe.


   Just wie vergangen Jahr im Juli stieg
gestern Abend bey Sonnen Untergang
der Mond herauf; breitete, just
wie damals seinen schimmernden
Schatten über den Rhein. Nachts
um 11 Uhr stand er hoch, gerade über
dem Hause, seitwärts, auch wie da-
mals; warf keinen Schimmer
über den Rhein mehr; nirgend
Schatten, alles eine, gleiche Däm-
merung – – –


Es ist doch das Beste am Mensch-­seyn, | 2 |
daß uns das genoßene Gute nicht
untergehet; daß es sich anbauet in
und um uns, sich fortpflanzet, ver
mehrt, und wir so immer mächtiger
werden zu noch größerem Genuß.


   Ich bin hiehin, mit Georgen, Sophie
Laroche entgegen gereiset. Wir
erwarten sie gleich nach Mittag,
und hoffen gegen Abend mit ihr zu
Düßeldorff zu seyn. Wieder ein-
mal ein herrlicher Tag; desto
herrlicher, da sein Maß
nicht das gewöhnliche von wenigen
kurzen Stunden, da es ein Tag Gött-
lichen Wunders ist, länger als
Alkmenens Nacht. –


S: GSA 51/II,2 St. 11  D: JacobiI 2, Nr. 403  B: 1775 Mai 11 (vgl. 3, 313)  A: 1775 Juli 27 (vgl. 3, 313)  V: Konzept 

Erinnerung an G.s vorjährigen Besuch und Hoffnung auf ein Wiedersehen. - J. sei mit seinem Bruder Johann Georg M. S. von La Roche nach Köln entgegengereist; am Abend wolle man mit ihr in Düsseldorf sein.

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 Er wird gewiß kommen der Tag, wo du wieder da seyn wirst; wo Berg und Fluß und Mond und Sonne mich drauf ansehen werden, daß ich dich wieder habe.

  Just wie vergangen Jahr im Juli stieg gestern Abend bey Sonnen Untergang der Mond herauf; breitete, just wie damals seinen schimmernden Schatten über den Rhein. Nachts um 11 Uhr stand er hoch, gerade über dem Hause, seitwärts, auch wie damals; warf keinen Schimmer über den Rhein mehr; nirgend Schatten, alles eine, gleiche Dämmerung – – –

 Es ist doch das Beste am Mensch-­seyn,| 2 | daß uns das genoßene Gute nicht untergehet; daß es sich anbauet in und um uns, sich fortpflanzet, ver mehrt, und wir so immer mächtiger werden zu noch größerem Genuß.

  Ich bin hiehin, mit Georgen, Sophie Laroche entgegen gereiset. Wir erwarten sie gleich nach Mittag, und hoffen gegen Abend mit ihr zu Düßeldorff zu seyn. Wieder einmal ein herrlicher Tag; desto herrlicher, da sein Maß nicht das gewöhnliche von wenigen kurzen Stunden, da es ein Tag Göttlichen Wunders ist, länger als Alkmenens Nacht. –

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
RA 1, Nr. 49, in: https://goethe-biographica.de/id/RA01_0049_00052.

Druck des Regests: RA 1, Nr. 49.

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