Goethes Briefe: GB 2, Nr. 90
An Sophie La Roche

〈Frankfurt a. M. , 21. Januar 1774. Freitag〉 → 〈Frankfurt a. M.〉

〈Abschrift〉


Ich bin im Stande Ihnen ein grosses Schauspiel zu geben wenn Sie mir den Morgenden Nachmittag schenken wollen, ich bitte um eine Sylbe Antwort; heut Abend seh ich Sie im Conecrt, doch ob Sie können? mögte ich gleich wissen, und dann soll morgen nach Tische um ein Uhr die Kutsche vor ihrer Thür stehen meine Mutter wird dabey sein und wir wollen die Bübgen mitnehmen Grüßen Sie die liebe Max    G.

Mit dem grossen Schauspiel (70,17) ist vermutlich der im Brief an Elisabeth Jacobi vom 1. Februar 1774 (Nr 92) erwähnte Schlittschuhlauf, der Pantomimische Tanz (72,11), gemeint, der nach Goethes Angabe in diesem Brief Vor 10 Tagen ohngefähr (72,10) stattgefunden hatte, also etwa am Samstag oder Sonntag, dem 22. oder 23. Januar. Der vorliegende Brief, der am Tag vor diesem Ereignis geschrieben wurde, stammt von Freitag, dem 21. Januar 1774. Für dieses Datum spricht die Mitteilung: heut Abend seh ich Sie im Conecrt (70,19). Denn im Winter 1773/74 wurden in Frankfurt vom 7. Januar an regelmäßig freitags Konzerte gegeben (vgl. zu 70,19). Das grosse Schauspiel fand demnach am Samstag, dem 22. Januar, statt.

H: Verbleib unbekannt.

h​1: The Pierpont Morgan Library, New York, Misc. Heineman, H Goethe-Bettina, MSS 1. – Abschrift von Bettina Brentano vom 2. oder 3. Juni 1806 (= h​a; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47).

h​2: The Pierpont Morgan Library, New York, Misc. Heineman, H Goethe-Bettina, MSS 1. – Abschrift von Bettine Brentano (= h​b; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47).

h​3: FDH/FGM Frankfurt a. M., Sign.: 10721–10732. – Abschrift von Johann Friedrich (Fritz) Schlosser (= h​c; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47).

h​4: GSA Weimar, Sign.: 29/294,III. – Abschrift von fremder Hd (= h​d; vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47).

E: Frese (1877), 147, Nr 11 (nach h​3).

WA IV 2 (1887), 140, Nr 200 (nach Goethe-La Roche, 25 [dort vermutlich nach einer nicht überlieferten Abschrift von h​3]).

Textgrundlage: h​1. – Vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47.

70,17 geben] geben, h​270,18 Morgenden] morgenden h​270,19 seh] Seh h​270,19 Conecrt,] Consert. h​270,19 doch] Doch h​270,19 können?] können; h​270,21 ihrer] Ihrer h​270,21 sein] seyn h​270,22 mitnehmen] mit nehmen. Absatz h​270,22 G.] G: Unterschrift in der Mitte unter dem Text h​2

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Nach der Hochzeit ihrer Tochter Maximiliane mit dem Frankfurter Kaufmann Peter Anton Brentano am 9. Januar hatte Sophie La Roche die Eheleute nach Frankfurt begleitet, wo sie seit dem 15. Januar wohnten (vgl. zu 71,9). Am 31. Januar trat Sophie La Roche die Rückreise nach Ehrenbreitstein an (vgl. 71,21–22).

ein grosses Schauspiel] Gemeint ist Goethes Schlittschuhlauf, den er in Nr 92 als Pantomimischen Tanz (72,11) bezeichnet. Noch im 16. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ erinnert sich Goethe an ein Schauspiel, bei dem er im roten Pelzmantel seiner Mutter übers Eis fuhr (vgl. AA DuW 1, 560); es ist auch beschrieben in einem Brief Bettine Brentanos an Goethe vom 28. November 1810 (vgl. Bettinas Leben und Briefwechsel mit Goethe 〈…〉 hrsg. von Fritz Bergemann. Leipzig 1927, S. 330 f.). In poetischer Darstellung findet sich das Ereignis in Sophie La Roches Roman „Rosaliens Briefe“ (77. Brief, in: Bd 2, Altenburg 1780, S. 231–233; vgl. auch BG 1, 243 f.). Nach Nr 92 war ein groser Wiesenplan (72,8) Schauplatz des Eislaufs: die Rödelheimer Wiesen an der Nidda vor der Stadt.

Conecrt] Versehentlich für ,Concert‘. – In den „Avertissements“ der „Ordentlichen wochentlichen Franckfurter Frag- und Anzeigungs-Nachrichten“ Nr 107 vom 24. Dezember 1773 heißt es: „Die Herren Abonirten des Winter-Concerts, werden hiedurch benachrichtiget, daß wegen denen Feyertägen das erste Concert Montags den 27ten dieses, das zweyte den 3ten und das dritte den 7ten künftigen Monats Januarii, die folgende aber jedesmal des Freytags im rothen Hauß, sollen gehalten werden. Der Anfang ist ohnfehlbar um halb 6. Uhr.“

die Bübgen] Gemeint sind wohl Sophie La Roches Söhne Karl und Franz, die ihre Mutter nach Frankfurt begleitet hatten; sie werden auch in Nr 91 erwähnt. Fischer-Lamberg dagegen vermutet, dass es sich um die jüngsten Kinder Brentanos aus erster Ehe (vgl. zu 71,19) handelte (vgl. DjG​3 4,322).

Max] Maximiliane Brentano geb. La Roche.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 90 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR090_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 70, Nr 90 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 190–191, Nr 90 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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