Goethes Briefe: GB 2, Nr. 53
An Elisabeth Jacobi

〈Frankfurt a. M. , kurz vor dem 13. September 1773〉 → 〈Frankfurt a. M.〉


Ich kann Ihnen das Mährgen nicht schaffen, und habe nichts, als das ding da das Sie vieleicht ​1 nicht interessirt. Unterdessen guckt man in einen Schöneraritätenkasten wenn man keine Oper haben kann.

geben Sies ​2 der la Roche und leben Sie recht herzlich wohl. So kurz ich Sie auch gesehn habe ist mir's doch immer ein so ganz lieber Eindruck Ihrer Gegenwart und dass Sie mich noch ein bissgen mögen.

G.

  1. vil​eleicht​ ↑
  2. s​Sies​ ↑

Goethe überschickt Elisabeth Jacobi eine Beilage (vgl. zu 40,6–7) und bittet sie, diese Sophie La Roche zu übergeben (vgl. 40,9). Demnach beabsichtigte die Adressatin, Sophie La Roche zu besuchen. Elisabeth Jacobi hielt sich seit dem 19. August 1773 in Frankfurt auf; am 13. September trat sie in Begleitung von Charlotte Jacobi und Johanna Fahlmer die Rückreise nach Düsseldorf an (vgl. ihren Brief an Heinrich Arnold Kopstadt vom 11. September 1773; JB II 1, 195) und machte in Ehrenbreitstein Station. Dort wollte Friedrich Heinrich Jacobi die Damen erwarten (vgl. seinen Brief an Sophie La Roche vom 30. August 1773; JB I 1, 211). Der vorliegende Brief wurde kurz vor Elisabeth Jacobis Abreise aus Frankfurt nach Ehrenbreitstein geschrieben.

H: GSA Weimar, Sign.: 51/II,12,1, Bl. 1. – 1 Bl. 11,5 × 19,2 cm, ½ S. beschr., egh., Tinte.

E: Goethe-Jacobi (1846), 3, Nr 1.

WA IV 2 (1887), 118 f., Nr 179 (Korrektur der Datierung in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 208).

Manuskript (vgl. zu 40,6–7), vielleicht eine Abschrift des „Fastnachtsspiels 〈…〉 vom Pater Brey“.

Der Brief beantwortet eine mündliche oder eine nicht überlieferte schriftliche Anfrage Elisabeth Jacobis (vgl. 40,6). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt.

Helene Elisabeth (Betty) Jacobi geb. von Clermont (1743–1784) war die Tochter des wohlhabenden Aachener Tuchfabrikanten Esaias Clermont und dessen Frau Helene Margarethe geb. von Huyssen; die Familie wurde 1751 in den Adelsstand (von Clermont) erhoben. Elisabeth war seit dem 26. Juli 1764 mit Friedrich Heinrich Jacobi verheiratet.

Goethe lernte Elisabeth Jacobi kennen, als diese sich vom 19. August bis 13. September 1773 in Frankfurt aufhielt, um die Familie Fahlmer zu besuchen (vgl. zu den Daten die Erläuterungen zu Friedrich Heinrich Jacobis Brief an Sophie La Roche vom 30. August 1773; JB II 1, 194 f.). Goethe berichtet über die Begegnung in seinem Brief an Johann Christian und Charlotte Kestner vom 15. September 1773 (Nr 54 [vgl. 42,6–7]). In „Dichtung und Wahrheit“ erinnert sich Goethe an die große Heiterkeit der Gattinn von Fritz Jacobi und fügt hinzu: Die letztgedachte war geeignet, mich völlig einzunehmen: ohne eine Spur von Sentimentalität richtig fühlend, sich munter ausdrückend, eine herrliche Niederländerinn, die, ohne Ausdruck von Sinnlichkeit, durch ihr tüchtiges Wesen an die Rubensischen Frauen erinnerte. (AA DuW 1, 512 [14. Buch].) Was ihren ‚munteren Ausdruck‘ angeht, so geben Elisabeth Jacobis Antwortbriefe, die im Anschluss an die Erläuterungen zu Nr 65, 73 und 130 mitgeteilt werden, davon einen Eindruck.

Die kurze Korrespondenz umfasst zehn Briefe Goethes; sie wurden im Wesentlichen in der Zeit bis zu Goethes Besuch in Düsseldorf und Pempelfort im Juli 1774 geschrieben. Der einzige überlieferte Brief aus späterer Zeit stammt vom 6. Februar 1775 (Nr 192). In seinen Briefen nennt Goethe Elisabeth Jacobi ‚Mama‘ oder ‚Mamachen‘; diesen Namen verwendete die Angesprochene auch selbst für sich (vgl. ihren Brief an Goethe vom 6. November 1773, abgedruckt im Anschluss an die Erläuterungen zu Nr 65). Von Elisabeth Jacobi sind außer den genannten drei keine weiteren Briefe an Goethe überliefert.

das Mährgen] Nicht ermittelt.

das ding da] Max Jacobi bezieht diese Stelle (im Erstdruck des vorliegenden Briefes) auf Goethes Gedicht „Wandrers Sturmlied“ (vgl. Goethe-Jacobi, 3–7); einen Beleg dafür gibt es nicht. Goethe schickte das Gedicht erst am 31. August 1774 an Friedrich Heinrich Jacobi (vgl. Nr 143). In DjG​3 3, 423 wird auf das „Jahrmarktsfest zu Plundersweilern“ verwiesen, worauf der Begriff Schöneraritätenkasten (40,8) hindeute. Ein Manuskript dieses (im Herbst 1774 veröffentlichten) Stücks erhielt Elisabeth Jacobi jedoch erst im November 1773, denn am 6. November schreibt Friedrich Heinrich Jacobi an Wieland: „Indem ich dieses schreibe, kommt ein Paket von Göthe an Betty an 〈vgl. Nr 65〉. Ich wollte, ich könnte Ihnen eine allerliebste Schnurre mittheilen, die dieser wunderbare Kopf ausgeheckt hat; sie heißt der Jahrmarkt zu Plundersweiler.“ (JB I 1, 219.) Vielleicht übersandte Goethe mit dem vorliegenden Brief eine Abschrift des im Frühjahr 1773 entstandenen „Fastnachtsspiels 〈…〉 vom Pater Brey“; das Bild vom Raritätenkasten könnte auch auf diese Posse bezogen werden. Dass Elisabeth Jacobi ein Manuskript von „Pater Brey“ besaß, geht aus ihrem Brief an Goethe vom 9. Dezember 1773 hervor (abgedruckt im Anschluss an die Erläuterungen zu Nr 73).

Schöneraritätenkasten] Guck- oder Schaukasten, meist auf Jahrmärkten vorgeführt (vgl. GB 1 II, zu 203,9–10).

der la Roche] Sophie La Roche.

Ihrer Gegenwart] Vgl. die einleitende Erläuterung.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 53 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR053_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 40, Nr 53 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 106–107, Nr 53 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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