Goethes Briefe: GB 2, Nr. Z2
An Unbekannt

〈Frankfurt a. M. , etwa zwischen April und August 1775〉 → 〈Frankfurt a. M.?〉

〈Konzept, Druck〉

〈Zweifelhafter Brief〉



Herzlich bin … Lieber Engel bist du mein Ach warum bin ich nicht immer Sogleich [?] bey       lieber Engel


Ach wie mocht' ich zu deinen Wolcken [? Welten ?] steil [? steigen ?] Wo sie streben und durch einander g[? Schnörkel] Wo sie drängen und durch einander wandern

Das Konzept wurde im Nachlass Goethes unter den „Varia Conservanda“ und „Varia Bildende Kunst“ aufgefunden. Die darin überlieferten Blätter mit eigenhändigen Notizen unterschiedlichsten Inhalts stammen mutmaßlich aus den letzten Frankfurter und den ersten Weimarer Jahren und wurden zuerst von Erich Schmidt unter dem Titel „Späne“ in der Weimarer Ausgabe veröffentlicht (vgl. WA I 38, 419 und 481–501). Das vorliegende Fragment stand den Angaben der Weimarer Ausgabe zufolge auf einem Folioblatt, das nicht mehr vollständig überliefert ist. Schmidt datiert es vage mit „aus der Lili-Zeit?“ (WA I 38, 492). Auf den noch vorhandenen Teilen finden sich Verse, die von den bisherigen Herausgebern „Claudine von Villa Bella“ zugeordnet wurden, sowie zwei Paralipomena zu „Hanswursts Hochzeit“ (vgl. WA I 38, 492, Nr 23; DjG​3 5, 496, Nr 23). Beide Stücke sind etwa 1775 entstanden, und zwar in der Zeit zwischen April und August 1775 (vgl. DjG​3 5, 435 und 437).

Das Fragment wurde zuerst von Ernst Beutler als „Brief an Lili“ (Essays um Goethe. Bd 2. Wiesbaden 1947, S. 93) und 1951 in der Einführung zum 18. Band der Goethe-Gedenkausgabe als „Entwurf“ eines Briefes an ,Lili‘ abgedruckt (vgl. die einleitende Erläuterung).

H: Nicht bekannt.

K: Verbleib unbekannt. – Nach WA I 38, 492 (Späne, Nr 23) auf einem Folioblatt mit egh. Bleistiftnotizen (GSA 25/XXXIV,13,14). Auf diesem Blatt fehlt der untere Teil mit dem mutmaßlichen Fragment eines Briefes; alle anderen unter „Späne“, Nr 23 gedruckten Texte sind überliefert (vgl. auch DjG​3 5 [1973], 389 f., Nr [23]; ohne Brieftext).

E: WA I 38 (1897), 492, Nr 23, Zeile 5–11 (Erich Schmidt).

Textgrundlage: E.

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Der Briefcharakter des vorliegenden Fragments ist fraglich. Erich Schmidt druckt den Text zwischen den beiden Fragmenten, die möglicherweise „Claudine von Villa Bella“ und „Hanswursts Hochzeit“ zuzuordnen sind (vgl. Datierung). Durch die Angabe zur Datierung „aus der Lili-Zeit?“ (WA I 38, 492) ist insgesamt zwar ein Bezug des Blattes zu Anna Elisabeth Schönemann hergestellt, allerdings ohne dass über den Briefcharakter des vorliegenden Textes spekuliert wird. Erst Ernst Beutler stellte in seinem Essay „Lili. Wiederholte Spiegelungen“ eine Vermutung in dieser Richtung an: „In jene Tage 〈Zeit der Frühjahrsmesse 1775〉 ist vermutlich nun auch ein undatiertes Blatt zu setzen, das wohl die Mutter nach der Abreise nach Weimar in seinem 〈Goethes〉 Schreibtische gefunden hat. Es ist der einzige Brief an Lili, der sich erhalten hat, aber dies nur, weil er nicht abgesandt wurde, ja kein Brief, sondern nur ein überseliges Liebesstammeln, fünfmal ansetzend und immer wieder abbrechend, weil Gefühle und dichterische Visionen sich überstürzend jagen.“ (Ernst Beutler: Essays um Goethe. Bd 2. Wiesbaden 1947, S. 93.) In der Einführung zum 18. Band der Goethe-Gedenkausgabe wiederholt Beutler diese Vermutung: „Von den Briefen an Lili ist nur ein stammelnder Entwurf vorhanden.“ (Ernst Beutler: Einführung. In: Johann Wolfgang Goethe: Briefe der Jahre 1764–1786. Zürich 1951, S. 973.) Bei dem sich jeweils anschließenden Abdruck des Fragments handelt es sich, nach der Wiedergabe in der Weimarer Ausgabe zu urteilen, um eine ziemlich weitgehende Bearbeitung des überlieferten Textes durch Ernst Beutler. Ausschlaggebend für dessen Annahme, dass es sich um einen ‚Brief‘ oder einen ‚Briefentwurf‘ handelt, war demnach die wiederholte Anrede Lieber Engel (286,1–2; weiter vgl. die folgende Erläuterung). Weitere Argumente, die den Briefcharakter des Textes belegen, werden nicht angeführt. Die Zuordnung der Adressatin erfolgte offenbar nach der schon in der Weimarer Ausgabe vermuteten Datierung sowie nach dem Inhalt.

Lieber Engel] Als Parallelstelle zieht Ernst Beutler u. a. einen Brief an Johanna Fahlmer aus der Zeit um den 9. April 1775 heran, in dem Goethe mit Bezug auf Lili schreibt: Ja Tante sie war schön wie ein Engel, und ich hatte sie in 4 Tagen nicht gesehn. (183,12–13.) – Allerdings belegen Goethes Briefe aus den Jahren davor, dass er auch andere von ihm bewunderte und geliebte Frauen als ‚Engel‘ ansprach, so schon in der Leipziger Zeit seine Schwester Cornelia und Anna Catharina Schönkopf. Später nannte er Charlotte Buff so. In der Zeit, aus der möglicherweise das vorliegende Fragment stammt, spricht Goethe auch Augusta zu Stolberg wiederholt als ‚Engel‘ an.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr Z 2 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_ZB002_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 286, Nr Z 2 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 570ߝ572, Nr 2 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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