Goethes Briefe: GB 2, Nr. 259
An Johanna Fahlmer

〈Frankfurt a. M. , Ende August? 1775〉 → 〈Frankfurt a. M.〉


Hier Frizzens Arbeit ich möcht nicht gern dass es gedruckt​1 würde, und doch sind so gute Sachen​2 drinn.

Und ich ——

Verworrenheiten

Des

Diego und Juliens

1 Theil.

═══

Spreche immer in tiefer Beklemmung mit mir u. meinem Esel3, weilst eine ganze kleine Welt sich nach mir beschafftigt. Amen

G.

  1. es so gedruckt​ ↑
  2. s​Sachen​ ↑
  3. El​sel​ ↑

Im vorliegenden Brief spielt Goethe auf das Manuskript von Friedrich Heinrich Jacobis Roman „Eduard Allwills Papiere“ an (vgl. zu 210,8). Der Anfang dieses Romans erschien im September-Heft der „Iris“ 1775. Da Jacobi das Motto seines Romans („Wie viel Nebel sind von meinen Augen gefallen 〈…〉“; Iris. 4. Bd. 3. Stück, S. 193) Goethes „Dritter Wallfahrt nach Erwins Grabe im Juli 1775“ (DjG​3 5, 239 f.) entnahm, für deren Übersendung im Manuskript er Goethe in seinem Brief vom 12. August 1775 gedankt hatte (vgl. JB I 2, 24; vgl. auch RA 1, 62, Nr 52), kann als Entstehungszeit des vorliegenden Briefs die zweite Hälfte des August 1775, vermutlich das Ende des Monats, angenommen werden.

H: Privatbesitz, Deutschland. – 1 Bl. 17 × 10,9 cm, Bordüre mit gereihtem Dreiblatt auf drei Balken (vgl. Mick, Nr 4), 1 S. beschr., egh., Tinte; Vs. unten links von Johanna Fahlmers Hd, Tinte: „​Schiks wieder“. (Vermutlich hatte Johanna Fahlmer den Brief an Friedrich Heinrich Jacobi weitergeschickt.)

E: Goethe-Fahlmer (1875), 91 f., Nr 35.

WA IV 2 (1887), 284, Nr 351 (nach E; Korrektur nach H in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 213).

Manuskript von Jacobis Roman „Eduard Allwills Papiere“ (vgl. zu 210,8).

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Frizzens Arbeit] Goethe bezieht sich auf das Manuskript des ersten Teils von Friedrich Heinrich Jacobis Briefroman „Eduard Allwills Papiere“, der von September 1775 an in Fortsetzungen in der Zeitschrift „Iris“ erschien (vgl. 4. Bd. 3. Stück, S. 193–236). In dem Roman, der unter dem unmittelbaren Eindruck der Begegnung mit Goethe begonnen wurde, setzt sich Jacobi in der Titelfigur mit dem Typus des Genies auseinander, dessen subjektivistische Weltanschauung und Moral am Ende des Romans einer kritischen Analyse unterzogen werden. Goethes von Anfang an zurückhaltende, später ablehnende Aufnahme des Romans, die sowohl ästhetische Gründe (das Unreife und Unfertige des Romans; vgl. Brief an Jacobi, 15. Juni 1792 [WA IV 9, 309 f., Nr 2919]) als auch private Motive (Bezug des Allwill auf Goethes Person) gehabt haben wird, kränkte Jacobi und belastete erstmals das freundschaftliche Verhältnis, welches im Sommer 1774 durch die persönliche Begegnung in Elberfeld und Pempelfort geknüpft worden war. Es ist bezeichnend, dass Jacobi Goethes Briefe, die dieser ihm nach Empfang des „Allwill“ schrieb (am 30. August, 11. September, 3. Oktober; vgl. EB 182, EB 203, EB 227), vernichtet hat (vgl. Heinz Nicolai: Goethe und Jacobi. Studien zur Geschichte ihrer Freundschaft. Stuttgart 1965, S. 121). Goethes spöttische Reaktion auf Jacobis nächsten Roman „Woldemar“ führte 1779 dann fast zum Bruch (vgl. Jacobis Brief an Goethe, 15. September 1779; JB I 2, 105–107; vgl. auch RA 1, 74, Nr 99).

Verworrenheiten 〈…〉 1 Theil.] Goethe zitiert Lawrence Sternes Roman „Tristram Shandy“, wo diese Geschichte im 1. Kapitel des 4. Buches angekündigt, aber nie erzählt wird, und spielt zugleich auf seine Beziehung zu Anna Elisabeth Schönemann an.

meinem Esel] Anspielung auf Sternes Roman, wo ebenfalls im 1. Kapitel des 4. Buches Diego mit seinem Maultier spricht, zugleich aber wohl auch Anspielung auf Bileam und seinen Esel im Alten Testament (vgl. 4 Mose 22,28–30).

weilst] Mundartlich für ‚weil‘ (vgl. Frankfurter Wörterbuch 6, 3518).

Amen] Vgl. GB 1 II, zu 212,23.

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 259 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR259_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 210, Nr 259 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 529–530, Nr 259 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

Zurück zum Seitenanfang