Goethes Briefe: GB 2, Nr. 249
An Jean George und Jeanne Rahel d'Orville

〈Frankfurt a. M. , 30. Juli? 1775. Sonntag?〉 → 〈Offenbach〉


Lieber Hℓ. Dorwille liebe Frau Ich bitt euch nehmts nicht so genau; Ihr kennt nun doch einmal den Affen, Wisst ist nichts gescheuts mit ihm zu schaffen. Laufft da, was kann wohl tollers seyn! Wie Kain in die Welt hinein. Dafür sizt er auch auf dem Sand, Die Stadt1 ist ihm ein ödes Land, Und ist ihm halt die Welt so leer, Als wenn er erst 'nein gekommen wär. Ihm ist so weh, er schauet nicht Des liebsten Buben Angesicht, Hängt nicht dem Mann um Hals u. Leib, Küsst nicht das liebe treue Weib, Spaziert nicht mehr im Frauenschlepp, Und hört ach nicht mehr das Beb! Bepp! Was hilft mir nun das Glockengebrumm, Das Kutschengerassel, und Leut Gesumm! Was thät ich in der Kirche gar? Da ich schon einmal im Himmel war, Ich Hand in Hand mit Engeln sas, Mich in dem Himmels blau vergass, Das aus dem süsen Auge winckt, Drinn Lieb und Treu wie Sternlein blinckt. Was hört ich an des Pfarrers Lehr Die doch nicht halb so kräfftig wär Als wenn ihr Mündlein lieb und mild Mich über Fluch und Unart schilt. /
Was lachst du Sonne daherein​2? Ich bitte dich lass mich allein. Du lächelst​3 ihren Laden an, Der heut mir nicht wird aufgethan. Aha! Du bist so freundlich hier, Blickst durch die Rizzen schlau nach ihr, Und meynst du hättst wohl nie so schön Dadroben einen Engel ruhen sehn.
Der Tag rückt weiter nun heran. Besuch! — Ah was geht der mich an! Ich bilde mir so freundlich ein, Ich säs noch Draus​4 mit euch allein. Der Mann raucht seine Pfeif Toback, Man fuschelt in dem Arbeitssack, Man wickelt Seide, es lässt sich an Als würden Wunderstreich gethan. Ein Medizinisch Dejeuné, Mit Selzer Wasser und Caffee; Nach Fastenbrezeln wohlgeschmiert, Kommt Haas und Wein hereinspaziert. Lili muss ieden Lusten stillen, Das all um ihres Magens willen. Die Kinder kommen angehuppt, Mann w〈i〉rd zur Thüre 'naus geschwuppt! Ist allen so wohl ohn Unterlass​5; Ach lieber Gott, mir auch so was! /
Frau Dorwille wo mag Lili seyn? Ist sie in ihrer Stub allein? — Sie hat die Stirn in ihrer Hand! Was ist ihr in dem Freuden land? Soll das ein böses Kopfweh seyn? Oder ach! ist's etwan andre Pein?
Geh liebes Mufti, ich bitte dich, Klettr' ihr auf den Schoos, küss sie für mich. Scheih Daher, Hanne Buzzi du Küss ihr die Hand, lass ihr nicht Ruh. Mach Ali Bey dich auch an sie, Schmieg dich ihr liebend an das Knie. Und Abu Dahab komm getrollt, Sey freundlich biss sie sagt: Du Go〈l〉d! Dich herzlich auf dem Arme küsst, Und hoffend allen Schmerz vergisst.
Der alte Friedrich kommt und fragt: Was heut den damen wohl behagt? Er soll Kapaun und Wildprett tragen! Lili hast du ihm nichts zu sagen? Schon wart ich auf das alte Gesicht, Ich bin untröstlich kömmt er nicht.
War der Hℓ. Docktor noch nicht da? Sang Andre noch kein Trallall ra? Oho dadraus gehts bunt ia her Als ob der Teufel ledig wär. Eins, zwey, drey! Kling! Klang! Krack! en garde Kling! Rompes! Klang! paies ma quarte. /
So mag es wohl dem Teufel seyn Wenn er in seiner Höll allein Nach Himmels Freuden seufzt u. klagt Dass ihn der Unmuth r'ausgejagt. Doch hab ich weit ein besser Loos, Die Klufft ist lange nicht so gros; Bin euch mit Leib und Seele nah Pliz! Plaz! So bin ich wieder da.

​ Goethe

  1. Welt​Stadt​ ↑
  2. dar​herein​ ↑
  3. läches​lst​ ↑
  4. h​Draus​ ↑
  5. u​Unterlass​ ↑

Das Jahr ergibt sich aus den Erwähnungen Anna Elisabeth (Lili) Schönemanns (vgl. 199,30; 200,5). Der Gedichtbrief kündigt nach einer wahrscheinlich längeren Abwesenheit Goethes einen Besuch in Offenbach an, was auf die Zeit nach der Schweizer Reise verweist (vgl. auch die einleitende Erläuterung zu Nr 223 und zu 199,28). Am 3. August war Goethe zum ersten Mal nach seiner Rückkehr aus der Schweiz wieder in Offenbach, sicher vor allem, um seine Verlobte Lili wiederzusehen, die sich bei ihren Verwandten aufhielt (vgl. zu 203,15–17). In Vorbereitung dieses Besuchs könnte er das vorliegende Gedicht verfasst und anstelle eines Briefes verschickt haben. Die Anspielung auf Glockengebrumm (198,26), Kutschengerassel (198,27) und Kirche (198,28) verweist möglicherweise darauf, dass es an einem Sonntag entstanden ist. Unter Montag, dem 31. Juli 1775, vermerkt das „Ausgabebüchlein“ eine Briefsendung: Fr. D'orville fr. Offenbach (AB, 11). Der Brief könnte einen Tag zuvor geschrieben worden sein. – Dass Goethe den ungewöhnlich langen Gedichtbrief kurz nach einem Besuch bei den d'Orvilles in den ersten Tagen des September geschrieben hat, um sich für einen seiner fluchtartigen Aufbrüche, für den es im Übrigen in diesem konkreten Fall keinen Beleg gibt, zu entschuldigen, ist zwar nicht ganz auszuschließen, aber doch eher unwahrscheinlich. Fischer-Lamberg datiert den Brief auf Sonntag, den 3. September 1775, und nimmt nach dem „Ausgabebüchlein“ an, er sei am 5. September verschickt worden (vgl. AB, 14). Goethe müsste den Brief also zwei Tage liegen gelassen haben, bevor er ihn abschickte, was gleichfalls nicht wahrscheinlich ist (vgl. DjG​3 5, 455, zu Nr 382).

H: Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg, Fonds de Turckheim, boîte 88, f. 651–652. – Doppelblatt ca. 18,8 × 23,3 cm, 3 ⅓ S. beschr., egh., Tinte; Papier einmal längs und einmal quer gefaltet, an den Brüchen eingerissen sowie mit kleinen Löchern im Textbereich, Buchstabenverlust (vgl. 200,2; 200,18). – Faksimiles: Ferdinand Dollinger: Goethe und Lili. Eine unbekannte Epistel des jungen Goethe. In: Revue alsacienne illustrée. Bd 12. Strasbourg 1910. Heft 3, S. 121–124; Goethe & Lili. Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg. 2000, S. 13.

E: Ferdinand Dollinger: Goethe und Lili. Eine unbekannte Epistel des jungen Goethe. In: Revue alsacienne illustrée 12, Heft 3. Straßburg 1910, S. 119 f. (danach gedruckt in: DjG​2 5 [1910], 285–288, Nr 360).

WA IV 50 (1912), 81–85, Nr 3.

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Postsendungen: 31. Juli 1775 (AB, 11; vgl. Datierung).

Mit dem vorliegenden Gedichtbrief entschuldigt sich Goethe bei dem Ehepaar d'Orville für ein längeres Fernbleiben und versucht zugleich an ein schon bestehendes freundschaftliches Verhältnis wieder anzuknüpfen, von dem er verschiedene Einzelheiten in seinem Brief in Erinnerung ruft. Wenngleich Anna Elisabeth Schönemann in der Anrede nicht mit genannt wird, so geht aus dem Inhalt doch hervor, dass der Brief auch an sie gerichtet ist. Offenbar sollte Lili, die Goethe bei ihren Verwandten in Offenbach vermutete, durch das Gedicht auf das bevorstehende Wiedersehen mit dem in die Welt (198,15) gelaufenen Verlobten eingestimmt werden, das am 3. August 1775 im Hause der d'Orvilles stattfand (vgl. Datierung). Dafür spricht auch die Provenienz der Handschrift aus dem Familienarchiv der von Türckheims (vgl. Überlieferung). Demnach ist der Brief in den Besitz Anna Elisabeth Schönemanns gelangt, die 1778 den Straßburger Bankier Bernhard Friedrich von Türckheim heiratete. Zusammen mit anderen persönlichen Dokumenten aus ihrem Nachlass ist er im Familienarchiv der von Türckheims überliefert (vgl. Gérard Littler: Le fonds de Turckheim à la Bibliothèque Nationale et Universitaire de Strasbourg. In: Goethe & Lili. Strasbourg 2000, S. 14 f.). Im Unterschied dazu verblieben die beiden anderen überlieferten Billetts an Rahel d'Orville im Besitz der d'Orvillschen Nachkommen. 1962 konnte ein Billett vom Goethe-Museum Düsseldorf erworben werden (vgl. Überlieferung zu Nr 223), der Verbleib des zweiten (Nr 260), von dem aber ein Faksimile existiert, ist ungeklärt. Die Gleichartigkeit der Ergänzung von fremder Hand unter dem Text von Nr 223 und 260 wie auch der gemeinsame Erstdruck von 1879 lassen annehmen, dass sie zunächst zusammen aufbewahrt wurden (vgl. Überlieferung zu Nr 223 und 260).

den Affen] Die Tiermetaphorik mit Bezug auf die eigene Person begegnet mehrfach in den Briefen dieser Zeit (vgl. 192,9–10; 193,9; 203,27–28); vgl. auch das Gedicht „Lilis Park“ (DjG​3 5, 28–32).

gescheuts] Gescheut: ältere Nebenform zu ,gescheit‘; von Goethe besonders in der voritalienischen Zeit gebraucht; hier: sinnvoll, vernünftig (vgl. GWb 4, 17 f.).

Wie Kain in die Welt hinein.] Anspielung auf den Fluch Gottes, mit dem er Kain nach dem Mord an seinem Bruder Abel bestrafte: „〈…〉 unstät und flüchtig solt du sein auf Erden.“ (1 Mose 4,12; Luther-Bibel 1768 AT, 15.) Im Brief an Kestner vom 12. Juni 1773 (Nr 42) hatte Goethe von sich behauptet: Von mir sagen die Leute der Fluch Cains läge auf mir. (32,19–20.) – Die scherzhaft launige Bitte um Vergebung und Nachsicht könnte darauf zu beziehen sein, dass sich Goethe ohne förmlichen Abschied in die Welt hinein also wahrscheinlich auf eine größere Reise, begeben hatte (vgl. Datierung).

sizt er auch auf dem Sand] Sprichwörtlich im Sinne von: auf dem Trockenen sitzen, das Nachsehen haben.

Die Stadt] Frankfurt.

Des liebsten Buben] Gemeint sein könnte der zweijährige Jacob Philipp, damals neben den drei Töchtern der einzige Sohn der d'Orvilles.

dem Mann] Jean George d'Orville.

das liebe treue Weib] Jeanne Rahel d'Orville, damals 24 Jahre alt.

im Frauenschlepp] Hier bildlich: im Gefolge der Frau(en) mitziehen, ihr oder ihnen ergeben nachfolgen. – Spekulativ erscheint der in den Kommentaren zu dieser Stelle bisher gegebene Hinweis auf eine Anekdote, der zufolge Goethe in Offenbach in einer „Mondnacht 〈…〉 in weiße Lacken gehüllt und so auf hohen Stelzen in dem Städtchen herumschreitend“ die Leute erschreckt habe (BG 1, 329; vgl. Heraeus, 45 f.; ebenso in: DjG​3 5, 455, zu Nr 382).

Beb! Bepp!] Scherzhaft lautmalerisch für Kinderplappern (vgl. GWb 2, 134).

das Glockengebrumm, Das Kutschengerassel] Möglicherweise eine Anspielung auf das sonntägliche Kirchengeläut und die Kutschfahrten der reformierten Gemeinden Frankfurts. Sie mussten bis 1787 ihre Gottesdienste außerhalb der lutherischen Reichsstadt abhalten und fuhren daher in das nahe gelegene Dorf Bockenheim. – Lavater berichtet in seinem Tagebuch vom 26. Juni 1774, einem Sonntag: „¼ nach 7 ward ich von Herrn Passavant Vater u. Sohn in ihrer Kutsche nach Bockenheim abgeholt. Goethe mit 〈…〉. Wol 50 bis 60 Kutschen u. viele Fußgänger dahin. Orgelgesang. erhebende Predigt von Hrn. Hilgenbach 〈…〉. Nach der Predigt besahen wir die französische Kirche.“ (Goethe-Lavater​3, 287.)

Da ich schon 〈…〉 Sternlein blinckt.] Wahrscheinlich als Anspielung auf die gemeinsam mit Anna Elisabeth Schönemann verbrachten glücklichen Offenbacher Tage zu verstehen.

Ich bitte 〈…〉 allein.] Mit diesen Worten weist Faust Mephisto aus Margarethes Zimmer (vgl. Faust. Frühe Fassung; DjG​3 5, 302, Vers 538).

Laden] Fensterladen.

Der Mann raucht 〈…〉 Seide] Eine ähnlich liebenswürdige Schilderung des d'Orvillschen Ehepaares muss auch Goethes nicht überlieferte dramatische Gelegenheitsdichtung ​Sie kommt nicht! (AA DuW 1, 576) enthalten haben, deren Inhalt Goethe im 17. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ wiedergiebt: Der Schauplatz ist Dorvill[e]s Haus und Garten in Offenbach; die Handlung eröffnet sich durch die Domestiquen, wobey jedes genau seine Rolle spielt und die Anstalten zum Fest vollkommen deutlich werden. Die Kinder mischen sich drein nach dem Leben gebildet, dann der Herr, die Frau mit eigenthümlichen Thätigkeiten und Einwirkungen; dann kommt, indem alles sich in einer gewissen hastigen Geschäftigkeit durcheinander treibt, der unermüdliche Nachbar Componist Hans Andrä, er setzt sich an den Flügel und ruft alles zusammen, sein eben fertig gewordenes Festlied anzuhören und durchzuprobiren. Das ganze Haus zieht er heran, aber alles macht sich wieder fort, dringenden Geschäften nachzugehen, eins wird vom andern abgerufen, eins bedarf des andern und die Dazwischenkunft des Gärtners macht aufmerksam auf die Garten- und Wasserscenen; Kränze, Banderollen mit Inschriften zierlichster Art, nichts ist vergessen. (Ebd., 577)

fuschelt] Fuscheln: Frankfurter Mundart; hier: wühlen, mit den Fingern herumsuchen.

Medizinisch Dejeuné] Von franz. déjeuner, auch: dégeuné; hier wohl scherzhaft für ein ‚gesundes‘ zweites Frühstück, ein Gabelfrühstück.

Selzer Wasser] Mineralwasser aus dem Selzer-Brunnen in Karben am Taunusrand in der Nähe Frankfurts. Die Existenz des Brunnens ist bereits seit dem 14. Jahrhundert belegt. 1716 ging er in den Besitz der Burg Friedberg über. Etwa seit dieser Zeit wurde das Selzer Mineralwasser in der Umgebung Frankfurts vertrieben.

Fastenbrezeln] Ein für den süddeutschen Raum typisches Fastengebäck. In der Fastenzeit des Jahres 1775 hatte sich Goethe wiederholt in Offenbach aufgehalten. Goethe scheint hier also an seine Besuche aus dem Frühjahr 1775 zu erinnern, was gleichfalls darauf verweist, dass das Gedicht vor Beginn der Wiederaufnahme des freundschaftlichen Verkehrs mit den d'Orvilles im August/September geschrieben wurde, also wahrscheinlich kurz nach der Schweizer Reise (vgl. Datierung).

Lusten] Mundartlich für ‚Lust‘; in der Wetterau am längsten gebräuchlich (vgl. Grimm 6, 1329).

Kinder] Die d'Orvilles hatten zu dieser Zeit vier Kinder, drei Mädchen und einen Jungen (vgl. zu 200,11–17).

angehuppt] Huppen; frankfurterisch für ‚hüpfen‘, ‚springen‘.

Mann] Hier offenbar ein Hundename.

w〈i〉rd] Buchstabenverlust durch Beschädigung.

geschwuppt] Schwuppsen: sich rasch bewegen, schlagen, stoßen (vgl. Grimm 9, 2765).

wo mag Lili seyn?] Goethe vermutet Anna Elisabeth (Lili) Schönemann bei ihren Verwandten in Offenbach und bittet Rahel d'Orville um Vermittlung bei der Wiederanknüpfung des Verhältnisses.

andre Pein] Hier wahrscheinlich: Seelenpein, Kummer.

Geh liebes Mufti 〈…〉 getrollt] Die Aufforderungen ergehen offenbar an die Kinder der d'Orvilles. Mit dem zuerst genannten Mufti ist wahrscheinlich das jüngste Kind, der damals zweijährige Jacob Philipp, gemeint. Die folgenden der Zeitgeschichte entlehnten Namen könnten auf die drei Töchter der Familie zu beziehen sein, die sechsjährige Jeanne Renée Susanne, die knapp fünfjährige Jeanne Madeleine und die dreijährige Susanne Elisabeth (vgl. Heraeus, 42 f.). – Ali Bey war zu Beginn der 1770er Jahre der in Europa bekannteste ägyptische Fürst. Er hatte sich mit den Russen verbündet und sich mit dem gleichfalls rebellischen Scheich Daher gegen die Türken erhoben. 1771 zum Großsultan von Ägypten ausgerufen, wurde er 1773 von seinem General und Günstling Abu Dahab (Abu al-Dhahab) verraten und ermordet. – Über den russisch-türkischen Krieg und die ägyptische Erhebung wurde damals in den Zeitungen ausführlich berichtet, so u. a. im „Wandsbecker Bothen“ (vgl. Prolog, 1. Januar 1773), wo im Juli 1773 auch Claudius' Gedicht „Klage um Ali Bey“ erschienen war, wiederabgedruckt im Göttinger „Musenalmanach MDCCLXXV“ (Göttingen 〈1774〉, S. 10 f.).

Scheih] Scheich; wahrscheinlich analoge Bildung zu ‚Schah‘: ‚Schach‘.

Hanne Buzzi] Scherzname; ‚Buzzi‘: möglicherweise Diminutiv zu ‚Butze‘, ‚Butzemann‘, einer vermummten Schreckgestalt in Kinder-Liedern; ‚Hanne Buzzi‘: wahrscheinlich eine der im Frankfurterischen üblichen Zusammenziehungen wie ‚Hannebambel‘, ‚Hannelappes‘ (vgl. A. Askenasy: Die Frankfurter Mundart und ihre Literatur. Frankfurt a. M. 1904, S. 67, 23, 144). – Gemeint sein könnte eines der beiden älteren Mädchen, die den Vornamen Jeanne (Johanna) trugen (vgl. zu 200,11–17).

Go〈l〉d!] Buchstabenverlust durch Beschädigung. – ‚Gold‘: Kosename; später von Goethe fast ausschließlich als Anrede für Charlotte von Stein verwendet (vgl. GWb 4, 364 f.); in Frankfurt als liebevolle Anrede für Kinder gebräuchlich (vgl. Heraeus, 46).

Der alte Friedrich] Wahrscheinlich ein Diener der d'Orvilles; Näheres nicht ermittelt.

War der Hℓ. Docktor 〈…〉 da?] Der Kontext legt nahe, dass wahrscheinlich Goethe selbst gemeint ist, nach dessen Verbleib sich Lili beim Diener Friedrich erkundigen sollte. – Heraeus verweist statt dessen auf den Hausarzt der Familie, möglicherweise Dr. Andreas Amburger, seit 1771 Hofapotheker in Offenbach und mit den d'Orvilles befreundet (vgl. Heraeus, 42). Morris vermutet in der Person den Pfarrer der deutsch-reformierten Kirche Ludwig Ewald (vgl. DjG​2 6, 493, zu Nr 360), der aber damals keinen Doktortitel besaß und von Goethe wahrscheinlich eher Pfaffe (183,8) oder wie im 17. Buch von „Dichtung und Wahrheit“ Pfarrer (AA DuW 1, 573) genannt worden wäre.

Andre] Goethes Freund, der Komponist und Musikverleger Johann André.

dadraus gehts bunt ia her] Anspielung auf Fechtübungen, von denen einzelne im Folgenden genannt werden.

der Teufel ledig] Ledig: hier: los, frei; sprichwörtlich: Der Teufel ist los! Dahinter steht der alte Volksglaube, dass der Teufel gebunden in der Hölle liege, was auf die apokalyptische Prophezeiung des Neuen Testaments zurückgeht: „Und wenn tausend Jahr vollendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefängnis.“(Offenbarung 20, 7; Luther-Bibel 1768 NT, 555.)

en garde 〈…〉 ma quarte.] Ausdrücke aus der Fechtersprache. – Franz. en garde: ausgelegt, auch figürlich: aufgepasst; franz. rompes: zurückgewichen; franz. paies ma quarte: pariert meine Quart.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 249 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR249_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 198–201, Nr 249 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 504–509, Nr 249 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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