Goethes Briefe: GB 2, Nr. 248
An Sophie La Roche

〈Frankfurt a. M. 〉, 26. und 27. Juli 1775. Mittwoch und Donnerstag → 〈Ehrenbreitstein bei Koblenz〉


Liebe Mama, ich bin wieder da1 seit einigen Tagen, habe Herdern in Darmstadt angetroffen, und bin mit ihm und seinem Weibgen herüber. Sie kommen bald, und wenn Sie auch nicht kämen, müsst ich doch verspaaren biss auf mündlich, was unterweegs an Abentheuern bestanden worden. In Speyer fand ich Hℓ. v. Hohenfeld nicht. Mir ist's wohl dass ich ein Land kenne wie die Schweiz ist, nun geh mir's wie's wolle, hab ich doch immer da einen Zufluchtsort. Die Max mit ihrem lieben Jungen hab ich gesehen, mit meiner Mutter hatte sie viel Verkehr in meiner Abwesenheit. Wies nun gehn wird, weis Gott. Brentano ist nicht eifersüchtig, sagt ​er. Hat sich Crespel als ein treuer Ritter bezeugt? Lassen Sie sich's nicht ausfallen noch zu uns zu kommen. dℓ. 26.



G.

  1. ×​da​ ↑

Der Handschriftenbefund zeigt, dass das Datum dℓ. 26. (198,6) nachträglich, und zwar zur selben Zeit wie die Nachschrift vom 27. Jul. (198,8), hinzugefügt wurde.

H: GSA Weimar, Sign.: 29/294,I, Bl. 26. – 1 Bl. 11,8 × 18,8 cm, ¾ S. beschr., egh., Tinte, sorgfältig geschrieben.

E​1: Katalog der Goethe-Ausstellung 1861. Berlin 1861, S. 29, Nr 119 (Teildruck: 197,25–198,1 Mir ist's wohl 〈…〉 Zufluchtsort.).

E​2: Frese (1877), 164, Nr 35.

WA IV 2 (1887), 269, Nr 339.

Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Sophie La Roche antwortete mit einem nicht überlieferten Brief, auf den sich Nr 252 bezieht.

Postsendungen: 27. Juli 1775 (AB, 10).

ich bin wieder da] Am 22. Juli war Goethe von seiner Schweizer Reise zurückgekehrt (vgl. Johann Heinrich Mercks Brief an Ludwig Julius Friedrich Höpfner, Ende Juli 1775 [Merck, Briefwechsel 1, 577 sowie die zweite Erläuterung zu 191,1).

habe Herdern in Darmstadt angetroffen] Goethe war mit Herder, der mit seiner Frau Caroline seine Schwägerin Friederike von Hesse besucht hatte, am 21. Juli zusammengetroffen. Die unerwartete Begegnung war die erste seit Herders Hochzeit im Mai 1773.

Sie kommen bald] Von einer Begegnung Sophie La Roches mit Goethe in Frankfurt im Sommer 1775 ist nichts bekannt.

verspaaren] Bis auf eine andere Zeit aufsparen, verschieben (vgl. Adelung 4, 1143).

Hohenfeld] Christoph Philipp Willibald von Hohenfeld, Freund der Familie La Roche, war Domherr zu Worms, Bamberg und Speyer.

Die Max] Sophie La Roches Tochter Maximiliane Brentano.

Jungen] Maximilianes viereinhalb Monate alter Sohn Georg.

Brentano ist nicht eifersüchtig] Vgl. zu 95,3.

Crespel] Johann Bernhard Crespel; er war Sophie La Roches Vertrauter und Mittelsmann bei Geschäften und Besorgungen in Frankfurt. Welchen Auftrag er als treuer Ritter (198,4) auszuführen hatte, ist nicht bekannt. Sophie La Roche bediente sich seiner in unterschiedlichster Weise: für ihre Neigung, Ehen zu stiften, ebenso wie für ihre Vorliebe für bestimmte Lebensmittel: „Lieber Sohn – thun Sie mir den Gefallen – u schiken mir mit dem ersten nächsten Postwagen 2 Schwarten Maagen – und 6 – große Eichsfelder, oder Göttinger würst – nebst dem büchlein antoinette – ein mährlein auß der andren Welt – aber von diesem all – sag dem Brentano nichts 〈…〉.“ (Brief vom 9. September 1776; in: Wilhelm Hertz: Bernhard Crespel. Goethes Jugendfreund. Nach ungedruckten Briefen und Urkunden aus dem Frankfurter Goethekreise. München und Leipzig 1914, S. 150.)

sich's nicht ausfallen] Sich etwas ausfallen lassen: „einen Vorsatz aus dem Sinn verlieren“ (GWb 1, 1139).

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 248 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR248_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 197–198, Nr 248 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 503–504, Nr 248 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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