Goethes Briefe: GB 2, Nr. 228
An Johanna Fahlmer

〈Frankfurt a. M. , etwa zwischen 9. und 14. April 1775〉 → 〈Frankfurt a. M.〉

〈Druck〉


Ein gut Wort findt eine gute Stadt. Bin doch gleich nach Haus gangen, habe ​Claudinen aufgegraben. Das zur Nachricht, anbey die Ode. Wie gefall ich Ihnen auf dün[n]en Prophetenstelzen, Fürsten und Herren ihre Pflicht einredend?

G.

Goethe erwähnt die Wiederaufnahme seiner Arbeit an der ersten Fassung von „Claudine von Villa Bella“ (vgl. 185,5), die er vermutlich im Januar 1774 begonnen hatte (vgl. EGW 2, 199 f.). Am 14. April 1775 schreibt er an Carl Ludwig von Knebel, er habe ein Schauspiel bald fertig (185,16); damit dürfte „Claudine“ gemeint sein, denn die „Stella“ hatte er bereits im März an Friedrich Heinrich Jacobi geschickt (vgl. zu 183,16). Die Weiterarbeit an „Claudine“ wird also Anfang April in Gang gekommen sein. Bei der Datierung des vorliegenden Billetts wird davon ausgegangen, dass es nach der Auseinandersetzung um die Verfasserschaft der Satire „Prometheus, Deukalion und seine Recensenten“ geschrieben wurde, also nach Goethes Erklärung vom 9. April (vgl. zu 180,1). Darauf könnte jedenfalls die Bibelanspielung zu Beginn hindeuten (vgl. zu 185,4). Zugleich wird vorausgesetzt, dass das Billett aus der Zeit vor dem 14. April stammt, weil das Schauspiel zu diesem Zeitpunkt schon fast fertig war.

H: Verbleib unbekannt; 1912 im Besitz von Louis Koch, Frankfurt a. M. (vgl. DjG​2 6, 260, zu Nr 137). – „Gerändertes Oktavblatt“ (WA IV 2, 332).

E: Goethe-Fahlmer (1875), 78, Nr 27.

D: DjG​2 5 (1911), 25, Nr 337 (nach H).

WA IV 2 (1887), 254, Nr 319 (nach E; Textkorrekturen nach H in den „Lesarten“, vgl. WA IV 2, 332, außerdem in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 212).

Textgrundlage: D. – Für E wurde H nicht autopsiert (vgl. Goethe-Fahlmer, 17 und 78).

Ein Gedicht (vgl. die erste Erläuterung zu 185,6).

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Ein gut Wort findt eine gute Stadt.] Vielleicht in freier Anspielung auf Sprüche 15,23 im Alten Testament: „Es ist einem eine Freude, wo man ihm richtig antwortet, und ein Wort zu seiner Zeit ist sehr lieblich.“ (Luther-Bibel 1768 AT, 1199.) Der Bezug ist unklar. Möglicherweise wird auf „Claudine von Villa Bella“ angespielt: Das Stück ist Goethes ‚Antwort‘ auf den Streit um die Verfasserfrage von „Prometheus, Deukalion und seine Recensenten“ (vgl. Datierung). – Stadt: „Es ist mit Statt und Stätte ein und eben dasselbe Wort 〈…〉.“ (Adelung 4, 268.)

Ode] Um welches Gedicht es sich handelt, ist nicht sicher ermittelt. Bisher wurden die Gedichte „Grenzen der Menschheit“, „Das Göttliche“ und „Königlich Gebet“ in Erwägung gezogen (vgl. DjG​3 5, 420). Dabei käme mit Blick auf den Schlusssatz des vorliegenden Billetts am ehesten das letztgenannte in Frage, welches allerdings keine ‚Ode‘ ist (vgl. den Text in: WA I 2, 86).

dün[n]en Prophetenstelzen] Wohl mit selbstironischem Bezug auf die Diktion in der überschickten Ode.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 228 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR228_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 185, Nr 228 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 469–470, Nr 228 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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