Goethes Briefe: GB 2, Nr. 204
An Johanna Fahlmer

〈Frankfurt a. M. , 6. März 1775. Montag〉 → 〈Frankfurt a. M.〉


Hier sind die ersten Bogen der Stella. wenn es Sie unterhält, so schreiben Sie sie ab, Frizzen wird dies Stück von ihrer Hand gewiss zehnmal lieber.

Zu promeniren ist heut nichts, doch komm ich ein wenig und lese die Folge. Gestern bin ich mit den Runckels ums Thor gangen, Lili ist uns mit ihrer Mutter in einer Kutsche begegnet, ich war sehr dumm u. toll. Und habe mit der Crisgel u. Ries von sechs bis acht L'hombre gespielt. Ade. liebe Tante

G.

Das Billett knüpft unmittelbar an Nr 203 an. Daher ist der Empfangsvermerk (vgl. Überlieferung) auf den 6. März 1775 zu beziehen. Da das Billett nur innerhalb Frankfurts zu befördern war, ist anzunehmen, dass es auch am selben Tag geschrieben worden ist.

H: Privatbesitz, Deutschland. – 1 Bl. 16,8 × 10,6 cm, Bordüre aus gereihten Krönchen (vgl. Mick, Nr 1–3), 1 S. beschr., egh., Tinte; S. 1 oben Mitte Empfangsvermerk, Tinte: „Montag Morgen“.

E: Goethe-Fahlmer (1875), 70, Nr 21.

WA IV 2 (1887), 239 f., Nr 299 (nach E).

Manuskript der „Stella“ (vgl. 168,18).

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

die ersten Bogen] Gemeint sind Bogen des Manuskripts; vgl. zu 168,11.

schreiben Sie sie ab] Die unvollständige Abschrift ging an Friedrich Heinrich Jacobi (vgl. zu 177,2).

Frizzen] Friedrich Heinrich Jacobi.

zehnmal lieber] Anspielung auf die besondere Beziehung zwischen Jacobi und Johanna Fahlmer; vgl. zu 169,13.

Zu promeniren ist heut nichts] Vermutlich regnete es wie in den Tagen darauf (vgl. 170,21). Goethe hatte Johanna Fahlmer einen gemeinsamen Spaziergang mit seiner Mutter vorgeschlagen (vgl. Nr 203).

lese die Folge] Goethe las aus seiner „Stella“ vor.

Runckels] Elisabeth (Lisette) Catharina Runckel und ihre Familie (vgl. GB 1 II, zweite Erläuterung zu 15,1). Die Gesellschaft von Goethes Jugendfreundin könnte der Grund gewesen sein, warum er sich bei der Begegnung mit Elisabeth (Lili) Schönemann dumm u. toll betrug.

Mutter] Susanna Elisabeth Schönemann geb. d'Orville.

Crisgel] Nach dem Handschriftenbefund könnte es Crisgel oder Crespel heißen. Der Bezug lässt sich nicht eindeutig klären. Vielleicht war Crisgel ein Kosename für Franciska Crespel; sie gehörte zu Goethes und Cornelias Freundeskreis und war seit 1774 mit dem Frankfurter Uhrenhändler Peter Friedrich Jacquet verheiratet, was gegen die Lesung ‚Crespel‘ spricht. Vom Handschriftenbefund her weniger wahrscheinlich, wenngleich nicht vollkommen auszuschließen, sind folgende frühere Lesungen: Urlichs liest Loisgen und vermutet, es handle sich um Cornelias Freundin Antoinette Louise Gerock (vgl. E); Morris entziffert Loisgel und hält auch die Lesungen Luisgel, Luisgen, Loisgen und Crespel für möglich (vgl. DjG​2 6, 432, zu Nr 315); Fischer-Lamberg druckt ebenfalls Loisgel und bezieht dies auf Lisette Runckel (vgl. DjG​3 5, 12 und 415), in deren Elternhaus Goethe bis 1775 verkehrte.

Ries] Johann Jacob Riese, Goethes Schul- und Jugendfreund (vgl. GB 1 II, einleitende Erläuterung zu Nr 7).

L'hombre] Im 18. Jahrhundert verbreitetes, ursprünglich aus Spanien kommendes Kartenspiel mit 40 Blatt.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 204 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR204_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 168–169, Nr 204 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 426–427, Nr 204 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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