Goethes Briefe: GB 2, Nr. 177
An Johann Heinrich Merck

〈Frankfurt a. M. , zweite Hälfte Dezember 1774?〉 → 〈Darmstadt〉


Hier schick ich dir ein theures Pfand Das ich mit eigner hoher Hand Mit Zirckel rein und Lineal Gefertigt dir zur Zeichen Schaal. Und auch zu festem Krafft und Grund In einer guten Zeichen Stund. Nimm's lieber Alter auf dein Knie Und dencke mein wenns um dich schwebt Wie es in Sympatien hie Um mein verschwirbelt Hirngen lebt. Geb Gott dir Lieb zu deinem Pantoffel Ehr iede krüpliche Kartoffel Erkenne iedes Dings Gestalt Sein Leid und Freud Ruh und Gewalt Und fühle wie die ganze Welt Der grose Himmel​1 zusammen hält. dann du ein Zeichner, Colorist, Haltungs und Ausdrucks Meister Bist. /

Denck und Trostsprüchlein.
's gschiht wohl dass man an einem Tag Weder Gott noch Menschen lieben mag Dringt nichts dir nach dem Herzen ein Sollts in der Kunst wohl anders seyn Drum hetz dich nicht zur schlimmen Zeit denn Füll und Krafft sind nimmer weit. Hast in der schlappen Stund geruht Ist dir die gute doppelt gut.
  1. h​Himmel​ ↑

Es ist anzunehmen, dass die Zeichenmappe, auf deren Innenseiten der vorliegende Gedichtbrief niedergeschrieben wurde (vgl. Überlieferung), ein Geschenk Goethes für Merck zum Weihnachtsfest 1774 war. Die Zeichnungen (161,15), auf deren Zusendung Goethe in Brief Nr 190 antwortete, der auf die zweite Hälfte Januar 1775 datiert werden kann, überschickte Merck vielleicht als Dank.

Dass Merck Adressat des Gedichtbriefes ist, geht aus dessen Inhalt hervor, ebenso aus der Provenienz der Zeichenmappe sowie aus der Notiz von fremder Hd in H (vgl. Überlieferung).

H: Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Nachlass Merck, Sign.: AE 2264. – Die Verse Hier schick 〈…〉 Meister Bist. (154,1–18) befinden sich auf der Innenseite des vorderen Deckels einer wahrscheinlich von Goethe gefertigten Zeichenmappe aus grauer Pappe (46 × 65 cm); darunter Notiz von fremder Hd: „Geschrieben von Göthe, und Merk zugeeignet.“ Auf der Innenseite des hinteren Deckels steht das Gedicht „Denck und Trostsprüchlein“; beide Eintragungen egh., Tinte. – Mappe außen bezogen mit ockerfarbenem, schwarz gesprenkeltem Papier, mit braunem Lederrücken in den Einband übergehend (ca 7,5 cm), an den drei Seitenrändern in der Mitte jeweils Reste von blauen Seidenbändern, Innenseiten mit weißem Papier bezogen.

E​1: 〈Louis Sébastien Mercier:〉 Neuer Versuch über die Schauspielkunst. Aus dem Französischen 〈von Heinrich Leopold Wagner〉. Mit einem Anhang aus Goethes Brieftasche. Leipzig 1776, S. 502 (Teildruck: „Denck und Trostsprüchlein“, und zwar unter dem Titel „Guter Rath auf ein Reisbret auch wohl Schreibtisch etc.“).

E​2: 〈Anonymus:〉 Die Göthefeier auf dem Herrgottsberg. In: Main-Zeitung. Organ der deutschen Fortschrittspartei in Hessen. 6. Jg. Nr 206 vom 2. September 1871.

WA I 4 (1891), 195 (Gedichtbrief an Merck); WA I 2 (1888), 189 („Denck und Trostsprüchlein“ unter dem Titel „Guter Rath“).

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

Zeichen Schaal] Gemeint ist die Zeichenmappe.

zu festem Krafft und Grund] Als (Zeichen-)Unterlage.

verschwirbelt] Schwirbeln: „sich im kreise drehen, 〈…〉 taumeln, drehend im kopf werden“ (Grimm 9, 2715).

Denck und Trostsprüchlein.] Goethe nahm das Gedicht unter dem Titel „Guter Rath“ in seine bei Göschen erschienene „Schriften“ auf (Bd 8. Leipzig 1790, S. 258).

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 177 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR177_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 154, Nr 177 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 384–385, Nr 177 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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