Goethes Briefe: GB 2, Nr. 150
An Johann Caspar Lavater

〈Frankfurt a. M., zwischen 24. und 27. September 1774〉 → 〈Zürich〉


Hier ist der Journal. Lieber hätt ich nichts eingerückt. da es aber einmal seyn sollte; so glaub ich den rechten Ton getroffen zu haben. Du magst bedencken welche Würckung deine mir gesendete Nachricht auf das hiesige Publikum würde gemacht haben.

Ich hoffe die Sache soll nun ruhen, und vors künftige bitt ich dich weniger empfindlich zu seyn. So lang du lebst und würckst, wirst du nicht vermeiden, missverstanden zu werden, darauf musst du ein vor alle mal resigniren. Und dann darfst du ia nur auf der Gasse mit einem Freunde heftig reden, die kalten Zuschauer aus den vornehmen Fenstern machen ihre Glossen drüber – geschweige.

G.

Goethe überschickte Nr 153 des „Journals. In Frankfurt am Mayn“ vom 24. September. Am 30. September bedankte sich Lavater dafür (vgl. Goethe-Lavater​3, 41 f.). Der vorliegende Brief wurde demnach zwischen dem 24. September und – bei einer Beförderungsdauer von Frankfurt nach Zürich von etwa vier Tagen (vgl. Datierung zu Nr 67 und 84) – 27. September 1774 geschrieben.

H: UB Leipzig, Slg Hirzel, Sign.: B 46. – 1 Bl. 10,8 × 16,7(–16,9) cm, Bordüre aus gereihtem Dreiblatt auf drei Balken (vgl. Mick, Nr 4), 1 S. beschr., egh., Tinte.

E: Hirzel, Goethe-Bibliothek 1874, 181.

WA IV 2 (1887), 259, Nr 325 (Korrektur der Datierung in den „Berichtigungen“, WA IV 30, 254).

1 Exemplar von Nr 153 des „Journals. In Frankfurt am Mayn“ vom 24. September 1774 (vgl. Datierung und zu 132,1).

Der Brief beantwortet Lavaters Brief von Mitte September 1774 (vgl. RA 1, 57 f., Nr 34; Goethe-Lavater​3, 38–40, Nr 26). – Lavater antwortete am 30. September (vgl. RA 1, 58, Nr 35; Goethe-Lavater​3, 41 f., Nr 28) und am 1. Oktober 1774 (vgl. RA 1, 58 f., Nr 37; Goethe-Lavater​3, 42–44, Nr 29).

der Journal] In seltenen Fällen dem Französischen folgend im Maskulinum gebraucht (vgl. Grimm 4 II, 2338). – Dem Brief lag Lavaters von Goethe überarbeitete Erklärung (vgl. DjG​3 4, 274) gegen die erneute Ankündigung der von ihm nicht autorisierten Schrift „Der von Jo. Caspar Lavater glücklich besiegte Landvogt Felix Grebel“ (Arnheim 1769; ohne Angabe des Herausgebers) in Nr 153 des „Journals. In Frankfurt am Mayn“ vom 24. September 1774 bei, in welcher u. a. Lavaters Brief an Grebel vom 27. August 1762 (S. 1–8) nachgedruckt ist; vgl. weiter die einleitende Erläuterung zu Nr 139. In Lavaters Antwort vom 30. September heißt es: „Wie kann ich, Bruder, genug schreiben und stark genug danken, für die weise, sanfte Nachricht in dem Frankfurter Journal. Ich that, mit meiner Hitze, und Gewaltsamkeit! Trage mich! besere mich, ich will mich besern laßen.“ (Goethe-Lavater​3, 41.)

deine mir gesendete Nachricht] Die Handschrift von Lavaters Erklärung ist nicht überliefert; eine Abschrift befindet sich in der Zentralbibliothek Zürich. Lavater schreibt u. a.: „Wer die Mühe nehmen mag, sich nur Einen Augenblik in meine vatterländische Lage zuversezen, und nur so viel von mir weiß, oder nur so viel mir zutraut, daß ​ich kein eingefleischter Satan bin, wird es unmöglich finden, daß ich der Unmenschlichkeit fähig sey, die rechtschaffnen und in mancher Absicht respektablen Verwandten des unglüklichen, auf die sich diese fehlervolle Scharteke bezieht, zumal da diese niemals die mindeste Feindseligkeit gegen mich geaüsert haben, welches ihnen doch leicht zu vergeben gewesen wäre – durch Publizirung derselben aufs neüe, ohne alle menschliche Absicht, tödtlich zu verwunden.“ (Goethe-Lavater​3, 391.)

weniger empfindlich zu seyn] In Lavaters Brief vom 1. Oktober heißt es hierzu: „Warnungen gegen schnelle Empfindlichkeit hab' ich sehr nöthig, aber gewiß in ​dem Fall, bey deßen Anlaß du die Warnung giebst, affektirte ich in dem Brief an dich, u. der Nachricht, zehnmal mehr, als ich hatte; Eigentlich glaubt' ich, es würde so nicht gedrukt werden, nur die Censur wollt' ich dieß lesen laßen 〈…〉.“ (Goethe-Lavater​3, 42.)

resigniren] „Verzicht thun auf etwas“ (Schweizer 2, 728).

darfst] Hier im Sinn von ‚bedarfst‘, ‚brauchst‘.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 150 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR150_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 132, Nr 150 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 327–328, Nr 150 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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