Goethes Briefe: GB 2, Nr. 147
An Sophie La Roche

〈Frankfurt a. M. 〉, 19. September 〈1774〉. Montag → 〈Ehrenbreitstein bei Koblenz〉

Donnerstag früh geht ein Exemplar Werther an Sie ab. Wenn Sie und die Ihrigen es gelesen schicken Sie's weiter an Friz, ich hab nur drey Exemplare und muss also diese zirkuliren lassen.

Hℓ. v. Groschlag ist hier, ich habe mich ihm dargestellt, da er mich sehr freundlich aufnahm, seiner Gemahlin präsentirte, offen mit mir über manche Gegenstände sprach, von Ihnen viel, mir einen Empfel an Sie auftrug und mich wiederhohlend nach Dieburg einlud, wohin ich denn auch einen schönen Herbsttag zu gehn dencke. Und so wär ich denn wieder auf soviel mehr Ihr Schudner, wenn nicht Sohn durchs blose Sohn seyn so viel schuldig würde, dass er mit nichts als mit seiner ganzen Existenz abzahlen kann.

Sie kriegen nun Ihre liebe Max wieder, eine Weile, erquicken Sie das Herz mit aller mütterlichen Liebe. Adieu. Und melden Sie mir gleich was Herr v. Hohenfeld vom Werther sagt. Und auch Ihr Gefühl übern zweiten Teil.

G.

  1. 18​9ten​ ↑

Das fehlende Jahr findet sich in h​a (vgl. Vorbemerkung in der Überlieferung zu Nr 47); es ergibt sich auch aus dem Inhalt des Briefes, u. a. aus dem Erscheinungsjahr des „Werther“ in Verbindung mit der Angabe des Wochentags: Der 19. September fiel 1774 auf einen Montag (130,17).

H: GSA Weimar, Sign.: 29/294,I, Bl. 13. – 1 Bl. 18,1 × 24,8 cm, ¾ S. beschr., egh., Tinte, sorgfältig geschrieben; obere rechte Ecke abgerissen, Buchstabenverlust (vgl. 130,17).

E: Frese (1877), 153, Nr 21.

WA IV 2 (1887), 197 f., Nr 251.

Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Vermutlich ist Sophie La Roches Brief vom 17. Oktober 1774 (abgedruckt im Anschluss an die Erläuterungen zu Nr 154; vgl. RA 1, 59, Nr 38) die Antwort auf den vorliegenden Brief.

Sep〈   〉] Textverlust durch Beschädigung.

Donnerstag] 22. September 1774.

ein Exemplar Werther] Die Leiden des jungen Werthers. Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung. 1774. – Es handelt sich um ein Vorausexemplar des anonym erschienenen Romans, der erst zur Leipziger Herbstmesse ausgeliefert wurde, die am Sonntag nach Michaelis, 1774 also am 2. Oktober, begann.

Friz] Friedrich (Fritz) Heinrich Jacobi.

nur drey Exemplare] Ein weiteres dieser Vorausexemplare schickte Goethe an Charlotte Kestner (vgl. Datierung zu Nr 148).

Groschlag] Sophie La Roche hatte Goethes Bekanntschaft mit dem kurmainzischen Kanzler durch ein Empfehlungsschreiben vermittelt (vgl. zu 113,22–23; zu 116,23).

seiner Gemahlin] Sophie Helene von Groschlag geb. Gräfin Stadion.

einen Empfel] Der Empfehl: im Oberdeutschen für ,die Empfehlung‘ gebraucht (vgl. Adelung 1, 1798).

Dieburg] Dieburg an der Bergstraße, etwa 45 km südöstlich von Frankfurt; dort lagen die Besitzungen Groschlags.

einen schönen Herbsttag] Erst 1779 besuchte Goethe Groschlag; auf der Rückreise von der zweiten Schweizerreise verbrachte er den Silvesterabend 1779 auf dem Gut Groschlags, u. a. mit Herzog Carl August.

Schudner] Versehentlich für ‚Schuldner‘. – Vgl. die zweite Erläuterung zu 113,19.

Max] Sophie La Roches Tochter Maximiliane Brentano; Goethe hatte ihr Kommen bereits in Nr 140 angekündigt (vgl. 116,17–20).

Hohenfeld] Christoph Philipp Willibald von Hohenfeld, Freund und Kollege Georg Michael Anton La Roches.

Ihr Gefühl übern zweiten Teil] Demnach hätte Sophie La Roche den 1. Teil des „Werther“ bereits im Manuskript gekannt; vgl. zu 86,13.

 

 
 

Nutzungsbedingungen

Kontrollen

Kontrast:
SW-Kontrastbild:
Helligkeit:

Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 147 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR147_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 130–131, Nr 147 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 324–325, Nr 147 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

Zurück zum Seitenanfang