Goethes Briefe: GB 2, Nr. 125
An Johann Georg Christoph Steche

Frankfurt a. M. , 12. Juli 1774. Dienstag → Göttingen

Wohlgebohrner
Hochgeehrtester Herr.


In unserer Sache gegen Hℓ. Amtmann Luther, ist auf dessen Exzeptions Schrifft decretirt worden dentur acta ad referendum. Weilen nun aber ​1 wenn hier sollte gesprochen werden Hℓ. Horn wahrscheinlich noch einmal verliehren dürfte so bin ich um einen 14 Tägigen Termin, et pro venia replicandi eingekommen da ich denn wie neulich schon gemeldt zugleich um Transmissionem actorum in vim conc. sent. bitten werde. Da aber solches mit Kosten verknüpft in deren Auslagen ich mich nicht einlassen kann, wie ​2 denn Dieselben meine neulich übersandte Rechnung / noch nicht zu berichtigen beliebt haben; so muss ich Denenselben melden, dass wenn ich nicht über obgedachte Rechnung noch 25 hiesige Gulden erhalte, ich nicht nach meiner Uberzeugung in der Sache fortfahren, sondern ihr den gewöhnlichen Lauf lassen muss. Ich bitte an Hℓ. Horn meinen Empfel, die Berichtigung meiner ersten Rechnung, sodann dero Gesinnungen ​3 wegen des andern Puncktes auf das schleunigste ehe der mir vergönnte Termin zu Ende gehet.

Worüber pp
Ew Wohlgebℓ.

ergebenster Goethe. Dr.

  1. abe×​r​ ↑
  2. we​ie​ ↑
  3. g​Gesinnungen​ ↑

H: GSA Weimar, Sign.: 29/484,I, Bl. 3–4. – Doppelblatt 16,7 × 23 cm, 2 S. beschr., egh., Tinte; S. 4 Adresse: Herrn / Herrn Steche / beyder Rechte Docktorn / zu / Göttingen / frank Duderst. (Duderstadt östlich von Göttingen; bis dahin war Goethes Brief teilfrankiert); darunter Rest eines roten Siegels; Bl. 2 am äußeren Rand in der Mitte beschädigt durch Öffnen des Siegels.

E: WA IV 2 (1887), 177 f., Nr 232 (Erich Schmidt).

Ein Bezugsbrief ist nicht bekannt. – Der Antwortbrief vom 30. Juli 1774 (vgl. 112,16) ist nicht überliefert.

Sache gegen Hℓ. Amtmann Luther] Vgl. die einleitende Erläuterung zu Nr 77.

Exzeptions Schrifft] Kanzleisprachlich: Einwendungsschrift (lat. exceptio: Einwand, Protest).

decretirt] Dekretieren (mittellat. decretare): entscheiden.

dentur acta ad referendum] Lat.: Es mögen die Akten zur Berichterstattung übergeben werden.

Weilen] Kanzleisprachlich für ‚weil‘ (vgl. GB 1 II, zu 215,6).

gesprochen] Gemeint ist: ein Urteil gesprochen.

Horn] Goethes Klient Heinrich Ernst Horn, Registrator, später Stadtschreiber in Göttingen.

et pro venia replicandi] Lat.: und um die Erlaubnis einer Erwiderung.

eingekommen] Einkommen bedeutete in der Amtssprache: „Mit einem Geschäfte vor einen Höhern kommen.“ (Adelung 1, 1715.) Das entsprechende Schreiben Goethes stammt erst vom 13. Juli (vgl. DjG​3 4, 213).

wie neulich schon gemeldt] Ein entsprechender Brief Goethes an Steche ist nicht überliefert.

Transmissionem actorum in vim conc. sent.] Lat. transmissionem actorum in vim concipiendi sententiae: Übersendung der Akten zur Abfassung des Urteils/des Rechtsspruchs.

meine neulich übersandte Rechnung] Vermutlich Beilage zu dem oben erwähnten Brief an Steche, ebenfalls nicht überliefert.

25 hiesige Gulden] Die Forderung eines Sonderhonorars, verbunden mit der Drohung, das anwaltliche Engagement zu vermindern, war zu Goethes Zeit durchaus nicht standeswidrig (vgl. Wolfgang Klien: 〈Artikel:〉 Juristische Tätigkeit. In: Goethe-Handbuch​3 4 I, 592). Am 16. August 1774 bedankt sich Goethe für 2 Dukaten (vgl. 112,17).

meinen Empfel] Der Empfehl: im Oberdeutschen für ‚die Empfehlung‘ gebraucht (vgl. Adelung 1, 1798).

Goethe. Dr.] Goethe war Lizentiat der Rechte; den Doktorgrad hatte er nicht erworben (vgl. zu 60,14).

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 125 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR125_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 101–102, Nr 125 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 275–276, Nr 125 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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