Goethes Briefe: GB 2, Nr. 124
An Johann Caspar Lavater

〈Frankfurt a. M. , 5. oder 6. Juli 1774. Dienstag oder Mittwoch〉 → 〈Ems〉


Hier l. bruder ist das versprochne und mehr. Das1 Dram das ich der Meyern versprochen ​2 habe, ist auf dem Weege ziemlich fertig worden, ich schreib es ab und aus, und dann schick ich's, das kannst du dem kleinen Wibli einweil sagen. Auch schick ich dir eine Bouteille Himbeeren safft. Grüs mir Hℓ. Schmoll. Sey brav so will ich auch wohl gut seyn. Schreib mir wie dirs geht. Adieu.

G. /


Den Merkur schick ich noch.

Ich will dir einige sachen zeichnen, und schicken

  1. mehr. den Merkur gieb an Meyern. Das​ ↑
  2. ihr ⎡der Meyern⎤ versprochen haben​ ↑

Die Erwähnung der Meyern (101,2) und der Flasche Himbeeren safft (101,4–5) lässt darauf schließen, dass der Brief nach Ems ging, wo sich Lavater vom 29. Juni bis zum 18. Juli aufhielt. In dessen Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit finden sich Hinweise sowohl auf das Ehepaar Meyer (unter dem 29. Juni und 15. Juli; Goethe-Lavater​3, 294 und 298) als auch auf den Genuss von Himbeersaft (unter dem 13. Juli; Euphorion 6 [1899], S. 763 [s. u.]). Auch von dem Dram (101,1) ist die Rede; unter dem 29. Juni heißt es: „Goethe sagte daß er nach seiner Rückreise auf Ffurth 〈am 30. Juni〉 ein – kurzes Drama verfertigen wolle.“ (Goethe-Lavater​3, 295.) Laut Tagebuch erhielt Lavater in der ersten Juli-Hälfte 1774 zwei Briefe von Goethe, am 7. Juli („Briefe von Goethe u. Schulthess“; Goethe-Lavater​3, 296) und am 12. Juli („Ich erhielt einen Brief von 〈…〉 Goethe der mir sagte daß Bassedow in Ffurt sey 〈…〉“; ebd.). Da von Basedow im vorliegenden Brief nicht die Rede ist, dürfte es sich bei diesem um den am 7. Juli erhaltenen handeln. Bei einer Beförderungsdauer von höchstens zwei Tagen (entsprechend der Reiseroute Goethes, der mit Lavater am Morgen des 28. Juni von Frankfurt abreiste und am Abend des 29. Juni in Ems eintraf; vgl. Lavaters Tagebuch [Goethe-Lavater​3, 291–294]) kann als Entstehungsdatum der 5. oder 6. Juli 1774 angenommen werden. Vgl. auch Heinrich Funck: Zu Goethes Briefwechsel mit Lavater und mit dessen Gattinn. In: Euphorion 6 (1899), S. 762 f.

H: UB Leipzig, Slg Hirzel, Sign.: B 31. – 1 Bl. 18,7 × 9,9 cm, 1 ¼ S. beschr., egh., Tinte; Rs. Nachschrift.

E​1: Hirzel, Goethe-Bibliothek 1874, 180 (Teildruck: 101,1–3 Hier 〈…〉 schick ich's).

E​2: WA IV 2 (1887), 183 f., Nr 240 (Woldemar von Biedermann).

1 Flasche Himbeersaft (vgl. 101,4–5) sowie das versprochne und mehr (101,1).

Ein Bezugs- und ein Antwortbrief sind nicht bekannt.

das versprochne und mehr] Nicht ermittelt.

Var. mehr. den Merkur gieb an Meyern. Das] Unter den Beilagen sollte sich ursprünglich auch der Anfang Juni ausgelieferte 6. Band des „Teutschen Merkur“ (April–Juni 1774) befinden (vgl. die Nachschrift des Briefes). Im Juni-Heft waren Wielands wohlwollendes Urteil über den „Götz von Berlichingen“ und seine Anzeige der Satire „Götter Helden und Wieland“ erschienen (vgl. zu 47,6 und zu 76,14–15).

Das Dram] Es könnte sich um das Knittelvers-Dramolett „Des Künstlers Vergötterung“ (DjG​3 4, 236 f.) handeln, das Goethe am 18. Juli auf seiner Rheinreise (aus dem Gedächtnis) in das Stammbuch Georg Friedrich Schmolls schrieb und das nur aus dieser Quelle überliefert ist (vgl. DjG​2 6, 345, zu Nr 237; DjG​3 4, 336); es könnte bereits im Herbst 1773 in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Dramolett „Des Künstlers Erdewallen“ entstanden sein, welches Goethe ebenfalls in Schmolls Tagebuch eintrug (vgl. Goethe-Handbuch​3 2, 59). Wenn es sich um „Des Künstlers Vergötterung“ handelte, dann war die ursprüngliche Fassung des Stücks wohl umfangreicher geplant, denn Goethe spricht von ‚Fertigwerden‘ (vgl. 101,2); dies passt nicht recht zu einem Bruchstück von 25 Versen. Vielleicht sollten noch Motive aufgenommen werden, die in der späteren Neubearbeitung des Stoffes in „Künstlers Apotheose“ (vgl. WA I 16, 149–161) enthalten sind.

der Meyern] Frau des hannoverschen Kammersekretärs Ludwig Johann Georg Meier (auch: Meyer, Mejer); weiter vgl. zu 93,1.

auf dem Weege] Den Hinweg von Frankfurt nach Ems hatten Goethe und Lavater über Wiesbaden, Bad Schwalbach und Nassau genommen (vgl. Lavaters Tagebuch vom 28. und 29. Juni; Goethe-Lavater​3, 291–294).

schreib es 〈…〉 aus] Etwas ausschreiben: etwas aus einem Buch o. Ä. abschreiben.

Wibli] Schweizerisch: Weiblein.

Bouteille] Franz.: Flasche.

Schmoll] Georg Friedrich Schmoll, Maler, Zeichner und Kupferstecher aus Ludwigsburg, Mitarbeiter an den „Physiognomischen Fragmenten“; er begleitete Lavater nach Ems und anschließend auf der Reise rheinabwärts.

brav] Hier wohl im zeitgenössischen Sinn von allgemein ‚tüchtig‘.

Den Merkur] Vgl. zu Var. 101,1.

einige sachen zeichnen] Näheres wurde nicht ermittelt; vermutlich waren die Zeichnungen für die „Physiognomischen Fragmente“ gedacht.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 124 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR124_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 101, Nr 124 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 273–275, Nr 124 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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