Goethes Briefe: GB 2, Nr. 31
An Johann Christian Kestner

Darmstadt , 〈25. April 1773. Sonntag〉 → Wetzlar

Lieber Kestner ihr wisst mein Leben lässt sich nie detailliren und vielleicht heute weniger als jemals, heut wars ein Gewirre, ein recht toll und wunderbaar Leben. Sonntag! Wie ruhig werdet ihr bey Lotten gesessen haben.

In 14 tagen sind wir all auseinander, und es geht so in Hurry2 dass ich nicht weiss wo mir der Kopf steht, einem noch Hoffnung und Furcht ist. Gott verzeihs den Göttern die so mit uns spielen. Auf dem Grabe – Ich will nicht davon wissen will alles vergessen. Vergesst alles in Lottens Armen, und dann arbeitet euer ​3 Tagewerk Geniesst der Sonne, und wie ich euch liebe sey euch gegenwärtig in Stunden der Ruh.


Ich hab hansens brief kriegt und euer Nachschreiben. Sagt ihm er  soll mehr ins Detail gehn. Er denckt nur er müsste ​ Merckwür- ​ digkeiten schreiben. ist nicht alles dorther merkwürdig

  1. Sonntg​ag​ ↑
  2. Hury​ry​ ↑
  3. ×​euer​ ↑

Die Datierung folgt der Tagesangabe Sonntag (26,1) in Verbindung mit Kestners Empfangsvermerk „ante 30. Apr. 73.“: Der Sonntag vor dem 30. war der 25. April.

H: GSA Weimar, Sign.: 29/264,I,2, Bl. 31–32. – Doppelblatt 17,3 × 21(–21,7) cm, 1 S. beschr., egh., Tinte, flüchtig geschrieben; S. 4 Adresse, Tinte: An Herrn / Herrn Kestner / Legationssekretair / in / Wetzlar; rotes Initialsiegel: „G“, Postvermerk; S. 1 oben links Empfangsvermerk, Tinte: „acc. W / ante 〈lat.: vor〉 30. Apr. 73.“; Bl. 2 rechter Seitenrand in der Mitte ausgerissen durch Öffnen des Siegels.

E: Goethe und Werther​1 (1854), 165, Nr 72.

WA IV 2 (1887), 83, Nr 146 (Textkorrektur in den „Berichtigungen“, vgl. WA IV 50 [1912], 207).

Der Brief bezieht sich auf einen nicht überlieferten Brief Kestners (vgl. zu 26,2). – Ein Antwortbrief ist nicht bekannt.

ihr wisst 〈…〉 detailliren] Detaillieren: hier: abteilen, in Einzelheiten zerlegen, von franz. détailler. – Vermutlich mit Bezug auf die nicht überlieferte Antwort Kestners auf Nr 30 geschrieben.

In 14 tagen 〈…〉 all auseinander] Vgl. zu 25,19 sowie die zweite Erläuterung zu 25,20.

Hurry] Hier wohl von engl. hurry: Eile, Hast, Gehetze; auch in der Bedeutung von ‚Zusammenstoß‘, ‚Zank‘, ‚Streit‘ verwendet, so im „Fastnachtsspiel 〈…〉 vom Pater Brey“ (vgl. DjG​3 3, 171). – Diese und ähnlich klingende Ausdrücke verwendete Goethe in dieser Zeit häufiger, so im „Prolog“ zum „Neueröfneten moralisch-politischen Puppenspiel“ (vgl. DjG​3 4, 33; vgl. auch 53,15; 100,34; 131,18).

Auf dem Grabe —] Anspielung auf den Tod der Darmstädter Freundin Henriette von Roussillon (vgl. zu 25,10–11).

Ich hab hansens brief 〈…〉 Nachschreiben.] Der Brief von Hans Buff mit Kestners Nachschrift ist nicht überliefert (vgl. zu 26,16).

dorther] Vom Hause der Familie Buff in Wetzlar.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 31 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR031_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 26, Nr 31 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 55–57, Nr 31 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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