Goethes Briefe: GB 2, Nr. 13
An Johann Christian Kestner

〈Frankfurt a. M. , 25. Februar 1773. Donnerstag〉 → 〈Wetzlar〉


Es war euch gerathen dass ihr schriebt ich hätte euch bey Lotten verklagt, das ging mir eben auf meiner ​1 Warte im Kopf herum.

Ein Paar Tage her binn ich übel dran. Ein Teufels Ding wenn man alles in sich selbst setzen muss, und das selbst ​2 am Ende manquirt. Doch binn ich munter und arbeite fort. An euer Schicksaal und Entfernung mag ich nicht dencken. Ihr hättet mir nichts davon sagen sollen, es tuht mir weh. Fiat voluntas.

Grüsst den Engel und so Gott mit euch.

  1. eure meiner​ ↑
  2. le× selbst​ ↑

Die Datierung folgt Kestners Empfangsvermerk unter Berücksichtigung des Postweges von gewöhnlich einem Tag (vgl. GB 1 II, Datum und Überlieferung zu Nr 124).

H: GSA Weimar, Sign.: 29/264,I,2, Bl. 17–18. – Doppelblatt 14 × 17,6 (–17,9) cm, 1 S. beschr., egh., Tinte, flüchtig geschrieben; S. 1 oben links Empfangsvermerk, Tinte: „Acc. W. 26/2 73.“

E: Goethe und Werther​1 (1854), 141, Nr 55.

WA IV 2 (1887), 65, Nr 129.

Der Brief beantwortet einen nicht überlieferten Brief Kestners etwa vom 23. oder 24. Februar 1773 (vgl. zu 10,7). – Wahrscheinlich antwortete Kestner in einem nicht überlieferten Brief etwa vom 13. oder 14. März 1773 (vgl. 15,6).

Der vorliegende Brief ist der erste, mit dem Goethe auf die Nachricht von Kestners bevorstehender Heirat und dem damit verbundenen Weggang Charlotte Buffs aus ihrem Wetzlarer Elternhaus reagierte (vgl. zu 10,11–12). Wie stark Goethe innerlich betroffen war, spiegelt auch das Äußere des Briefes, der neben den beiden Sofortkorrekturen eine auffallend flüchtige Schrift mit zahlreichen Verschleifungen an den Wortenden aufweist.

dass ihr schriebt] Der Datierung des vorliegenden Briefes nach stammt Kestners nicht überlieferter Bezugsbrief etwa vom 23. oder 24. Februar 1773.

Warte] Goethes Zimmer in der Mansarde seines Elternhauses (vgl. zu 10,2).

manquirt] Manquieren; von franz. manquer: abwesend sein, jemanden verfehlen, fehlen.

arbeite fort] Wahrscheinlich ist die Arbeit an der zweiten Fassung des „Götz von Berlichingen“ gemeint (vgl. zu 9,16).

An euer Schicksaal 〈…〉 dencken.] Goethe hatte offenbar die Nachricht vom bevorstehenden Weggang Kestners aus Wetzlar erhalten. Mit der in Aussicht stehenden Berufung zum Registrator am Calenburger Archiv in Hannover verband sich für Kestner die Hoffnung auf eine angesehenere und einträglichere Stelle, die ihm Heirat und Familiengründung ermöglichen würde (vgl. zu 19,11).

Fiat voluntas.] Lat.: Der Wille 〈Gottes, des Schicksals〉 geschehe. – In Anlehnung an die Wendung im lateinischen Vaterunser: Fiat voluntas tua. (Dein Wille geschehe. – Vulgata, Evangelium secundum Matthaeum 6,10.) Die Wendung begegnet mehrfach in Goethes frühen Briefen (vgl. 186,22; 190,30; GB 1 I, 247,1).

den Engel] Charlotte Buff.

 

 
 

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Zitierhinweis

Online-Edition:
GB 2, Nr 13 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), in: https://goethe-biographica.de/id/GB02_BR013_0.

Entspricht Druck:
Text: GB 2 I, S. 10, Nr 13 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.
Kommentar: GB 2 II, S. 21–22, Nr 13 (Elke Richter / Georg Kurscheidt), Berlin 2009.

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