BuG:BuG I, A 493
Weimar 18. 11. 1775

Ph. Seidel an J. A. Wolf 23. 11. 1775 (Grenzboten 33 I 1, 376)

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Weimar 18. 11. 1775

Die folgende [Nacht], als Samstags den 18. Nov. um 12¼ Uhr legten wir uns. Wir schlafen nun zu dreyen in einer Kammer. Da kamen wir ins Gespräch aus einem ins andere bis zu allen Teufeln. Stell Dir die erschreckliche Wendung vor: Von Liebesgeschichten auf die Insel Corsika und auf ihr blieben wir in dem größten und hitzigsten Handgemenge bis Morgens gegen viere. Die Frage, über die mit so viel Heftigkeit als Gelehrsamkeit gestritten wurde, war diese: Ob ein Volk nicht glücklicher sey, wenns frei ist, als wenns unter dem Befehl eines souverainen Herrn steht. Denn ich sagte: Die Corsen sind wirklich unglücklich. Er [Goethe] sagte, nein, es ist ein Glück für sie und ihre Nachkommen, sie werden nun verfeinert, entwildert, lernen Künste und Wissenschaften, statt sie zuvor roh und wild waren. Herr, sagte ich, ich hätt den Teufel von seinen Verfeinerungen und Veredelungen auf Kosten meiner Freyheit, die eigentlich unser Glück macht. Die Corsen können nicht wild seyn, die Gebirgbewohner ausgenommen, sonst hätten sie kein so groß Gefühl von Freyheit und nicht so viel Tapferkeit zeigen können. Sie waren glücklich. Sie stillten ihre Bedürfnisse gemächlich und konnten sie stillen, da sie sich keine unnöthigen machten. Jetzt bekommen sie deren täglich mehr und können sie nicht befriedigen, denn keiner von uns kann, wie er will, sich kleiden, essen, trinken, in Gesellschaft gehen und dergleichen, Sie hatten alles, was sie verlangten, weil sie nicht viel verlangten und hattens in Freyheit.

Fourierbuch 18. 11. 1775 (LHA Weimar)

Weimar 18. 11. 1775

Fürstl. Tafel Mittags ... Marschalls-Tafel ... 7. Hr. Doctor Göte.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0493 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0493.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 388 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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