BuG:BuG I, A 477
Frankfurt 29. 10. 1775

H. Dechent nach J. L. Passavant (Archiv f. Frankfurts Geschichte 3. F. 1, 35)

B2 120

Frankfurt 29. 10. 1775

In Frankfurt bereitete Goethe ihm [Passavant] eine seltsame Überraschung, indem er ihn am 29. Oktober Abends geheimnissvoll zu einem Stelldichein bestimmte, wobei er ihm mittheilte, dass er im Begriff stehe, plötzlich nach Italien zu reisen, – ein Plan, der freilich nicht ausgeführt wurde, da der Dichter diesmal nur bis Heidelberg gelangte. Goethe soll bei dieser Gelegenheit den jungen Kandidaten sehr geneckt haben über das Eintreffen beim Rendezvous, so dass das freundschaftliche Verhältniss fast einen Stoss erhalten hätte; doch hat der treue Passavant den Scherz jedenfalls vergeben, da Goethe am 21. Dezember von ihm „liebe Briefe“ erhalten hat.

Dichtung und Wahrheit XX (WA I 29, 186)

Frankfurt 29. 10. 1775

Der letzte Tag war verstrichen, den andern Morgen sollte ich abreisen und nun drängte es mich unendlich, meinen Freund Passavant, der eben aus der Schweiz zurückgekehrt war, noch einmal zu sehen, weil er wirklich Ursache gehabt hätte zu zürnen, wenn ich unser inniges Vertrauen durch völlige Geheimhaltung verletzt hätte. Ich beschied ihn daher durch einen Unbekannten Nachts an einen gewissen Platz, wo ich in meinen Mantel gewickelt eher eintraf als er, der auch nicht ausblieb und, wenn er schon verwundert über die Bestellung gewesen war, sich noch mehr über den verwunderte, den er am Platze fand. Die Freude war dem Erstaunen gleich, an Beredung und Berathung war nicht zu denken, er wünschte mir Glück zur italiänischen Reise, wir schieden, und den andern Tag sah ich mich schon bei guter Zeit an der Bergstraße.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0477 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0477.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 377 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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