BuG:BuG I, A 471
Frankfurt 26./27. 9. 1775

Dichtung und Wahrheit XV (WA I 28, 334)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Zimmermann war gleichfalls eine Zeit lang unser Gast. Dieser, groß und stark gebaut, von Natur heftig und gerade vor sich hin, hatte doch sein Äußeres und sein Betragen völlig in der Gewalt, so daß er im Umgang als ein gewandter weltmännischer Arzt erschien, und seinem innerlich ungebändigten Charakter nur in Schriften und im vertrautesten Umgang einen ungeregelten Lauf ließ. Seine Unterhaltung war mannichfaltig und höchst unterrichtend; und konnte man ihm nachsehen, daß er sich, seine Persönlichkeit, seine Verdienste, sehr lebhaft vorempfand, so war kein Umgang wünschenswerther zu finden ...

Wer seine Schriften, besonders sein tüchtiges Werk über die Erfahrung lies’t, wird bestimmter einsehen, was zwischen diesem trefflichen Manne und mir verhandelt worden; welches auf mich um so kräftiger wirken mußte, da er zwanzig Jahre älter war denn ich. Als berühmter Arzt war er vorzüglich in den höhern Ständen beschäftigt, und hier kam die Verderbniß der Zeit, durch Verweichlichung und Übergenuß, jeden Augenblick zur Sprache; und so drängten auch seine ärztlichen Reden, wie die der Philosophen und meiner dichterischen Freunde, mich wieder auf die Natur zurück. Seine leidenschaftliche Verbesserungswuth konnte ich vollends nicht mit ihm theilen.

An Lavater 28. 9. 1775 (WA IV 2, 296)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Z. und ich waren treffl. zusammen. Du stellst dirs vor, und hätte vielerley zu sagen, wenn du nicht iederman meine Briefe wiesest ...

Sein Betragen gegen dich, bleibt besser unentschuldigt, es ist besser dass einem so was unerklärlich bleibt. Ich hab ihn sehr drüber gepeinigt, ob er gleich mit einer sehr wizzigen Captat[io] benev[olentiae] die Geschichte anfing. – Seine Tochter [Katharina] ist so in sich, nicht verriegelt nur zurückgetreten ist sie, und hat die Thüre leis angelehnt. Eh würd sie ein leise lispelnder Liebhaber, als ein pochender Vater öffnen. – Es that ihm sehr weh dich so geängstet zu haben, und du guter es wird dir nicht das lezte mal so gegangen seyn.

An F. L. und Chr. Grafen zu Stolberg 4. 10. 1775 (WA IV 2, 298)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Zimmermann hat euch weidlich gepriesen.

An Merck 7. 10. 1775 (WA IV 2, 299)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Zimmermann Grüsst dich er ist Nachts durch Darmstadt kommen.

An Sophie v. La Roche 11. 10. 1775 (WA IV 2, 300)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Zimmermann ist gar brav! Ein gemachter Charackter! Schweizer frey gebohren, und am deutschen Hof modifizirt. Er bezaubert alle Welt, sonderlich die Weiber.

J. G. Zimmermann an Charlotte v. Stein 22. 10. 1775 (Mitteilungen Berlin 1897, 16)

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Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

J’ay eté loyé à Francfort chés Monsieur Göthe, un des génies les plus extraordinaires et les plus puissants qui ayent jamais passe dans le monde. Il viendra sûrement vous faire visite à Weimar. Rapellés-vous allors que tout ce que je lui ai dit de vous à Strassbourg, lui a fait perdre le sommeil pendant trois nuits.

J. G. Zimmermann an Herder 3. 11. 1775 (Düntzer3 2, 350)

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Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Goethe habe ich zweimal gesehen und das zweitemal bei ihm logirt, dessen ich mich mein Lebtag freue ... in Frankfurt sah ich mit eignen Augen, daß der Herzog [Carl August] ganz in Goethe verliebt war, und er hat recht.

J. G. Zimmermann an Lavater 11. 12. 1775 (Hegner S. 65)

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Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Ich habe es an Goethe in Frankfurt gesagt, und er war meiner Meynung, daß Du aber auch wirklich ein wenig Tracassier bist, Tracasserien liebst, id est, denselben Gehör gibst.

J. G. Zimmermann an Lavater 7. 10. 1777 (Im neuen Reich 1878, 2 S. 603)

B2 113

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Von dieser Cenci hat man ein Bild in Rom. Der Meister ist jedoch unbekannt. Manche halten den Guido Reni dafür ...

Von diesem Bilde hat ein junger deutscher Mahler, namens Naumann, ein Schüler und Vertrauter von Mengs, vier Copeyen gemacht. Eine besaß der Baron von Haugwitz und schenkte sie an Goethe, bey dem ich sie gesehen habe ...

Goethe sagte mir, dieses Gesicht der Cenci enthalte mehr als alle Menschengesichter, die er je gesehen habe. Er glaubte, daß es die höchste Zierde für Lavaters Physiognomik seyn würde, und war der Meinung, daß mit diesem Stücke Lavaters Werk geschlossen werden müsse. Nur schmeichelte er sich damals nicht, daß es möglich sein werde in Deutschland einen Zeichner zu finden, der würdig wäre dieses Gemählde abzuzeichenen, noch einen Kupferstecher, dasselbe zu stechen.

J. G. Zimmermann an Lavater 20. 11. 1777 (Hegner S. 113)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Die Liebkosungen von Goethe scheinen mir die Liebkosungen eines Tigers. Man faßt unter seinen Umarmungen immer an den Dolch in der Tasche.

A. W. Schlegel an A. Hayward 31. 12. 1832 (Festschr. Neuphilologentag S. 84)

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Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Ceci me rappelle une andecdote que je tiens du célèbre médecin Zimmermann, fort lié avec Goethe dans sa jeunesse. Faust avait été annoncé de bonne heure, et l’on s’attendait alors à le voir paraître prochainement. Zimmermann, se trouvant à Weimar [Frankfurt], demanda à son ami des nouvelles de cette composition. Goethe apporta un sac, rempli de petits chiffons de papier. Il le vida sur la table et dit: Voilà mon Faust!

J. G. Zimmermann an Ph. E. Reich 25. 1. 1776 (GJb 11, 267)

Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Sein Doctor Faust ist ein Werk für alle Menschen in Deutschland. Er hat mir einige Fragmente davon in Frankfurt vorgelesen die mich bald entzückten und dann wieder bald halb todt lachen machten.

J. G. Zimmermann an Charlotte v. Stein 29. 12. 1775 (Mitteilungen Berlin 1897, 18)

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Frankfurt 26.(?)/27. 9. 1775

Mr. Göthe fait trop d’honneur à ma Fille, qui n’est point developpée encore, qui a eté timide et craintive dans sa maison ou on nous a fait une reception infiniment charmante, et ou j’ay passé d’aussi heureux jours que j’ay jamais passé en ma vie ...

Je ne suis du tout point surpris que Mr. Göthe ait plû generalement à Weimar. Precedé par une reputation aussi brillante et aussi generalement reconnue que la sienne, portant d’ailleurs à la prémiere vue la foudre dans ses yeux, il a du toucher [korr. aus: faire foudre] tous les coeurs par sa Bonhommie infiniment aimable, et par l’honneteté qui va de pair avec son génie sublime et transscendant. Ah si vous l’aviés vû, mon amie, dans sa maison paternelle, si vous aviés vû que ce grand homme est vis à vis de son Pére et de sa Mére le plus honnète et le plus aimable des Fils, vous auriés eu, ah vous auriés eu, bien de la peine um ihn nicht durch’s Medium der Liebe zu sehen! ...

Insgemein hat man nur eine Seele, dit Lavater, aber Göthe hat hundert.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0471 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0471.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 371 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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