BuG:BuG I, A 431
Zürich 26./29. 6. 1775

J. J. Bodmer an Schinz 29. 6. 1775 (GJb 5, 194)

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Zürich 26./29. 6. 1775

Göthe hat mich nach seiner Wiederkunft vom Gotthardberge wieder besucht. Es ist mir recht lieb, dass er den Prometheus nicht gesündigt hat. Ich bin immer in s[einen] Gunsten, wiewol ich ihm nicht heuchle, jedoch die persönlichen Sayten nie berühre. Er ist aber ganz zurückhaltend. Er spricht kein Wort von s[einen] Schriften; auch nichts von Wieland. Von Klopstock mit Hochachtung, auch von Homer und der Natürlichkeit seiner Personen. Von Herder nichts.

J. J. Bodmer an J. G. Sulzer 2. 8. 1775 (GJb 4, 316)

Zürich 9./14. 6. 1775 und 26./29. 6. 1775

Die Grafen von Stollberg, von Haugwiz, der von Lindau, Göthen sind zu uns gekommen; sie mögen den Deutschen sagen, sie haben einen depontanum besuchen wollen und seyen zu einem lebenden Mann gekommen. Der jüngere Stollberg hat hier einen Freiheitsgesang aus dem 20sten Jahrhundert gedichtet, den er mir dedicirte. Er sagt dass nach 200 Jahren Deutschland ein freyes Volk haben werde ... Herder und Klopstock sind in den Augen dieser Herrn Führer des Geschmakes, Wieland nur ein Nachtreter. Göthen war bey Lavater logirt, soll ich sagen sein Waffenträger, oder sein Held. Ich fürchte Sie mein Freund halten mich für einen Schmeichler, wenn Sie hören, dass ich ihre Gunst besize; ich war doch nur fröhlich und polit mit ihnen. Breitinger, Steinbrüchel, Hottinger werden von ihnen gefürchtet oder gehasset. Sie mochten von mir gehört haben, ich wäre ein Wassertrinker und darum ein Freudenhasser. Ich gefiel ihnen da ich lachen konnte ... Zimmermann ist Lavaters und Göthens Mann; dieses Wort verstanden wir in der Feudalverfassung.

J. J. Bodmer an H. Meister 3. 8. 1775 (GJb 5, 197)

Zürich 9./14. 6. 1775 und 26./29. 6. 1775

Doctor Göthen, ist 8 Tage bey Hr. Lav[ater] gewesen. Ich hab ihm nicht geschmeichelt, aber ihn auch nicht beleidiget, und damit gewonnen, dass er etwas aus mir machet. Man erzählt, Hr. Lav[ater] urtheile von ihm, er sey der wärmste Freund und der gefährlichste Feind der Religion und der Tugend. Ich verstehe diesen Ausspruch nicht, und wenn es nicht fustian ist, so bin ich ein wenig dumm. Göthen sagte, seine Leiden Wehrters seyen Historie und Natur, der Historiker habe nicht nöthig, die Personen gerecht zu schildern. In der That aber ist es nur Erdichtung, er ist der ποιητης, der Schöpfer dieser Leiden.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0431 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0431.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 353 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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