BuG:BuG I, A 363
Mainz 13./16. 12. 1774

An Sophie v. La Roche 23. 12. 1774 (WA IV 2, 217)

Mainz 13./16. 12. 1774

Ich war in Maynz! Dahin nachgereist Wielands Prinzen, das ein treflicher Mensch ist.

Graf Görtz an seine Frau 16. 2. 1775 (StG 8, 85)

Mainz 13./16. 12. 1774

Ich habe eben die ‚Freuden des jungen Werthers‘ [von Nicolai] gelesen, und sie haben mir Vergnügen gemacht. Du weißt, was ich immer von den ‚Leiden‘ gesagt habe: ich möchte sie nicht geschrieben haben. – Dies hier möchte ich schon. Goethe wird uns nun zeigen, ob er die Neckerei vertragen kann; ich bezweifle es sehr, obwohl er es uns versichert hat.

Dichtung und Wahrheit XV (WA I 28, 325)

Mainz 13./16. 12. 1774

Ich gelangte also in sehr kalter Jahreszeit zur bestimmten Stunde nach Mainz, und wurde von den jungen Herrschaften und ihren Begleitern, der Einladung gemäß, gar freundlich aufgenommen. Der in Frankfurt geführten Gespräche erinnerte man sich, die begonnenen wurden fortgesetzt, und als von der neusten deutschen Literatur und von ihren Kühnheiten die Rede war, fügte es sich ganz natürlich, daß auch jenes famose Stück, Götter, Helden und Wieland, zur Sprache kam, wobei ich gleich anfangs mit Vergnügen bemerkte, daß man die Sache heiter und lustig betrachtete. Wie es aber mit dieser Posse, welche so großes Aufsehn erregt, eigentlich zugegangen, war ich zu erzählen veranlaßt, und so konnte ich nicht umhin, vor allen Dingen einzugestehn, daß wir, als wahrhaft oberrheinische Gesellen, sowohl der Neigung als Abneigung keine Gränzen kannten ...

So hatte ich meinen neuen Gönnern mit aller Naivetät diesen arglosen Ursprung des Stücks so gut wie ich ihn selbst wußte, vorerzählt und, um sie völlig zu überzeugen, daß hiebei keine Persönlichkeit noch eine andere Absicht obwalte, auch die lustige und verwegene Art mitgetheilt, wie wir uns untereinander zu necken und zu verspotten pflegten. Hierauf sah ich die Gemüther völlig erheitert, und man bewunderte uns beinah, daß wir eine so große Furcht hatten, es möge irgend jemand auf seinen Lorbeern einschlafen. Man verglich eine solche Gesellschaft jenen Flibustiers, welche sich in jedem Augenblick der Ruhe zu verweichlichen fürchteten, weßhalb der Anführer, wenn es keine Feinde und nichts zu rauben gab, unter den Gelagtisch eine Pistole losschoß, damit es auch im Frieden nicht an Wunden und Schmerzen fehlen möge. Nach manchen Hin- und Wiederreden über diesen Gegenstand ward ich endlich veranlaßt, Wielanden einen freundlichen Brief zu schreiben, wozu ich die Gelegenheit sehr gern ergriff, da er sich schon im Mercur über diesen Jugendstreich sehr liberal erklärt und, wie er es in literarischen Fehden meist gethan, geistreich abschließend benommen hatte.

Die wenigen Tage des Mainzer Aufenthalts verstrichen sehr angenehm: denn wenn die neuen Gönner durch Visiten und Gastmähler außer dem Hause gehalten wurden, blieb ich bei den Ihrigen, porträtirte manchen und fuhr auch wohl Schlittschuh, wozu die eingefrorenen Festungsgraben die beste Gelegenheit verschafften.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0363 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0363.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 307 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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