BuG:BuG I, A 349
Frankfurt 15. 10. 1774

H. Chr. Boie, Reisetagebuch 15. 10. 1774 (Weinhold S. 70)

B2 76

Frankfurt 15. 10. 1774

Einen vortreflichen schönen Tag gehabt! Einen ganzen Tag allein, ungestört mit Göthen zugebracht, mit Göthen, dessen Herz so groß und edel wie sein Geist ist! Beschreiben kann ich den Tag nicht! ... Göthe ist ein Mann ungefähr von Voßens Figur, aber etwas feiner gebaut, sehr blaß, Geist im Gesichte und besonders in dem hellen braunen Auge. Er hat mir viel vorlesen müßen, ganz und Fragment, und in allem ist der originale Ton, eigne Kraft, und bey allem sonderbaren, unkorrekten, alles mit dem Stempel des Genies geprägt. Sein Dr. Faust ist fast fertig, und scheint mir das größte und eigenthümlichste von Allem. Von seinem Freunde Lenz, dem Verfaßer des Hofmeisters und der plautinischen Lustspiele, bringt die Messe zwey neue Produkte [Der neue Menoza und Anmerkungen übers Theater usw.], die beyde Werke des Genies und des Denkers sind. Er hat mir noch einiges und besonders ein paar Gedichte voll Seele und Herz von ihm gelesen. Wenn er sie mir, wie er verspricht, geschrieben giebt, sollen Sie sie lesen.

C. Rößler, Die Entstehung des Faust (Grenzboten 42 IV S. 661)

Frankfurt 15. 10. 1774

Im Jahre 1866, kurz vor dem Ausbruch des Krieges, fand ich in einer norddeutschen Zeitung, ohne ihn aufzubewahren, einen irgendwo bis dahin verborgenen Brief Boies mitgeteilt. Darin schreibt Boie über die Szene des Osterspazierganges, die er in Frankfurt von Goethe vorlesen gehört. Nach der Mitteilung in diesem Briefe war der Schluß der Szene folgendermaßen gestaltet: Faust und Wagner treten an eine Gruppe von Studenten heran, die sich an den Kunststücken eines Pudels ergötzt. Nach einem kurzen Aufenthalt gehen die Wanderer weiter, aber der Pudel folgt ihnen, springt bald vor ihnen her, bald zur Seite.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0349 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0349.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 298 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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