BuG:BuG I, A 314
Koblenz 18. 7. 1774

Lavater, Tagebuch 18. 7. 1774 (SchrGG 16, 308)

Ehrenbreitstein, Koblenz 18. 7. 1774

Die Festung u. Thal Ehrenbreitstein. Fliegende Brücke zwischen Thal u. Coblenz. stiegen da aus – – aßen zu Mittag – vom Rock Christi der auf der Festung liegen soll.

Dichtung und Wahrheit XIV (WA I 28, 280)

Koblenz 18. 7. 1774

Ich freute mich den herrlichen Rhein wiederzusehn, und ergötzte mich an der Überraschung derer, die dieses Schauspiel noch nicht genossen hatten. Nun landeten wir in Coblenz; wohin wir traten, war der Zudrang sehr groß, und jeder von uns dreien erregte nach seiner Art Antheil und Neugierde. Basedow und ich schienen zu wetteifern, wer am unartigsten sein könnte; Lavater benahm sich vernünftig und klug, nur daß er seine Herzensmeinungen nicht verbergen konnte, und dadurch, mit dem reinsten Willen, allen Menschen vom Mittelschlag höchst auffallend erschien.

Das Andenken an einen wunderlichen Wirthstisch in Coblenz habe ich in Knittelversen [Diné zu Coblenz] aufbewahrt ... Ich saß zwischen Lavater und Basedow: der erste belehrte einen Landgeistlichen über die Geheimnisse der Offenbarung Johannis, und der andere bemühte sich vergebens, einem hartnäckigen Tanzmeister zu beweisen, daß die Taufe ein veralteter und für unsere Zeiten gar nicht berechneter Gebrauch sei. Und wie wir nun fürder nach Cöln zogen, schrieb ich in irgend ein Album:

  Und, wie nach Emmaus, weiter ging’s  Mit Sturm- und Feuerschritten:  Prophete rechts, Prophete links,  Das Weltkind in der Mitten.

Diné zu Coblenz (WA I 2, 266)

Koblenz 18. 7. 1774

  Zwischen Lavater und Basedow  Saß ich bei Tisch des Lebens froh.  Herr Helfer, der war gar nicht faul,  Setzt sich auf einen schwarzen Gaul,  Nahm einen Pfarrer hinter sich  Und auf die Offenbarung strich,  Die uns Johannes der Prophet  Mit Räthseln wohl versiegeln thät;  Eröffnet die Siegel kurz und gut,  Wie man Theriaksbüchsen öffnen thut,  Und maß mit einem heiligen Rohr  Die Cubusstadt und das Perlenthor  Dem hocherstaunten Jünger vor.  Ich war indeß nicht weit gereis’t,  Hatte ein Stück Salmen aufgespeis’t.
 
  Vater Basedow, unter dieser Zeit,  Packt einen Tanzmeister an seiner Seit’,  Und zeigt ihm, was die Taufe klar  Bei Christ und seinen Jüngern war;  Und daß sich’s gar nicht ziemet jetzt,  Daß man den Kindern die Köpfe netzt.  Drob ärgert sich der andre sehr,  Und wollte gar nichts hören mehr  Und sagt: es wüßte ein jedes Kind,  Daß es in der Bibel anders stünd’.  Und ich behaglich unterdessen  Hätt einen Hahnen aufgefressen.

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0314 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0314.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 272 (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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