BuG:BuG I, A 313
Lahnfahrt 18. 7. 1774

Dichtung und Wahrheit XIV (WA I 28, 279)

Lahn 18. 7. 1774

Als nun in der Hälfte des Juli Lavater sich zur Abreise bereitete, fand Basedow seinen Vortheil, sich anzuschließen, und ich hatte mich in diese bedeutende Gesellschaft schon so eingewohnt, daß ich es nicht über mich gewinnen konnte, sie zu verlassen. Eine sehr angenehme, Herz und Sinn erfreuende Fahrt hatten wir die Lahn hinab. Beim Anblick einer merkwürdigen Burgruine schrieb ich jenes Lied: „Hoch auf dem alten Thurme steht“ in Lipsens [Schmolls] Stammbuch, und als es wohl aufgenommen wurde, um, nach meiner bösen Art, den Eindruck wieder zu verderben, allerlei Knittelreime und Possen auf die nächsten Blätter.

Lavater, Tagebuch 18. 7. 1774 (SchrGG 16, 305)

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Lahn 18. 7. 1774

In einem wol besetzten Schif auf der Lahne – wo Baßedow raucht u. Gramatic dociert, Goethe Reimendungen für die Gesellschaft schreibt, Ulrich u. Alsdorf den Schirm hält, hier einer einen Prosaischen Gedanken in Versen oder einen Poetischen in Prosa in ein Papierchen hinschreibt – Café getrunken wird; ob wir gut Wetter kriegen beym Sieden des Rindfleisches, deliberiert wird – schreib ich dieß, in einem rothen Dragoner Mantel mit Meßingnen Schließen eingehüllt. – –

Izt eine Schließe –

  Ha! wie schießt im gedrängten Strom das Schiff durch die Wällen –   ha – wie stürmt es hindurch! Nun spritzt der Regen auf’s Blat mir.

Wir stiegen bey der Aalen nicht aus, wo der Herr von der Nil uns einzuladen kam.

  Baßedow – den Vers.   Nun bald, nun bäldest oder nie   Stift ich ein neü Academie.   Fischer.   Da wollt ich gern ein Schüler werden,   Wär ich nicht schon so lang auf Erden.   Variante.   Hätt ich nicht schon so alt Gebehrden.   Goethe.   Wir werden nun recht gut geführt.   Weil Baßedow das Ruder rührt.

Die lezte Schließe. Es kocht u. braußt – – Rindfleisch u. Wällenschaum – überstanden – überstanden – die lezte. –

Eine hohe Einsiedeley blickt bey Lahnstein auf uns herab – Die Eremitage heißt – der Allerheiligenberg.

Baßedow hielt eine witzreiche u. gütige Standrede über mich.

Herrlich altes Schloß Lahnegg herab auf die Lahne blinkend.

  Goethe dictierte.

  Hoch auf dem alten Thurne steht,   Des Helden edler Geist,   Der wie das Schiff vorüber geht,   Es wohl zu fahren heißt.
  „Sieh diese Sehne war so stark,   „Dieß Herz so fest u. wild –   „Die Knochen voll von Rittermark   „Der Becher angefüllt –   „Mein halbes Leben stürmt’ ich fort   „Verdehnt die Helft’ in Ruh   „Und Du, Du Menschen Schifflein dort   „Fahr immer, immer zu –“

Izt fahren wir Lahnstein vorbey, zur Rechten liegt der Flecken ... Izt liegen wir am Bord ...

Ich stieg aus. Bassedow vor uns in ein Haus, wo man zu Mittag aß, überfiel u. aß mit, Speck u. Bohnen – alle ihm nach! Gewirr u. Leben, u: Freude – wieder ins Schiff – Cappelle – ein zerstörtes Schloß vorbey. Goethe über die Kerls in Schlößern – nun von der Lahne, in den Rein – Goethe las – – – wir fuhren Horchheim vorbey. von der Staatsnase – der regierenden Fr. Gräfin von Thiersdorf [Dierdorf].

Zitierhinweis

Online-Edition:
BuG I, BuG01_A_0313 (Ernst Grumach/Renate Grumach), in: https://goethe-biographica.de/id/BuG01_A_0313.

Entspricht Druck:
BuG I, S. 270 f. (Ernst Grumach/Renate Grumach).

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